Vierzehnter Auftritt.

[227] Gustav. Ehrenthal. Richard.


RICHARD noch von außen. Wie ich Ihnen sage: es ist ganz unbedeutend. Sie fühlte sich übel in dem Gedräng' und Gewühl, wollte aber Sie Beide nicht im Vergnügen stören, und bat mich deshalb, sie zu begleiten. Nun war ich eben auf dem Wege, zum Fest zurück zu kehren, als ich Ihnen begegnete –

GUSTAV. Wir konnten in der Eil' keinen Wagen finden, und mein Vater drängte so –

EHRENTHAL für sich. Ich weiß wohl, warum.

RICHARD. Gewiß ist Amélie schon zu Bett, und wenn Sie meinem Rathe folgen wollen, so stören wir sie nicht, und kehren alle Drei wieder um.

EHRENTHAL. Nein, da ich einmal hier bin –[227]

RICHARD. Es ist auf mein Wort, wie ich Ihnen sagte.

EHRENTHAL. Ich zweifle ja nicht.

GUSTAV. Und mir ist es unerklärlich, daß wir die Hausthür offen finden und Niemand sich hören läßt!

RICHARD. August war nur eben hier, ich hab' ihn gesprochen.

GUSTAV. Ja, wo steckt er denn? Das ist doch eine beispiellose Unordnung!

EHRENTHAL für sich. Wie die Herrschaft, so die Diener.

GUSTAV. Ich will doch seh'n, ob meine Frau bei Gustchen – wenigstens kann man Licht an der Nacht-Lampe anstecken. Geht nach Nr. 3.

EHRENTHAL für sich. Hier ist etwas Unrechtes vorgegangen.

RICHARD für sich. Ich bin in Todesangst um sie – und, so viel ich jetzt bei dem Schimmer der Nachtlampe zu erkennen vermochte, ist jene Thür auf Nr. 1. nicht mehr verschlossen.

EHRENTHAL laut. Warum kamen Sie denn zu Fuße zurück? Sie hatten doch für Amélie Ihren Wagen gleich bereit –

RICHARD. Ja – nein – wir sind zu Fuße –

EHRENTHAL für sich. Das war ein Rendezvous, so wahr ich lebe!

GUSTAV kommt mit Lichtern zurück. Um Alles in der Welt, Vater, weder das Mädchen ist zu seh'n, noch mein Knabe, die Betten sind leer –[228]

EHRENTHAL. Was wäre denn das?

RICHARD für sich. Welch neues Ereigniß!

EHRENTHAL. Aber wo ist denn Dörthe?

GUSTAV. Dort ist ihr Gemach.

EHRENTHAL reißt ihm ein Licht aus der Hand und geht nach nr. 1.

RICHARD für sich. Nun gilt's!

GUSTAV. Ich bin wie gelähmt!

EHRENTHAL an jener Thüre. Dörthe – die Thür weit auf – Dörthe – Geht hinein.

GUSTAV. Richard, was weißt Du? Bei unsrer Freundschaft beschwör' ich Dich: ist mir Amélie entflohen, hat sie mir das Kind genommen?

RICHARD. Welche Träume!

EHRENTHAL zurückkehrend. Blut – Mord – Tod!

GUSTAV außer sich. Mein Sohn?

EHRENTHAL. Dein Weib, auf einem Bette liegend, im Blute schwimmend –

RICHARD hineinstürzend. Ermordet! Amélie! Allmächtiger Gott! von wem?

GUSTAV zugleich ihm folgend. Unglückselige! Mein Weib, mein Kind!

EHRENTHAL. Fürchterliche Nacht! Haus des Entsetzens! O, hätt' ich seine Schwelle niemals betreten!

RICHARD kehrt zurück. Wahr! Wahr!

EHRENTHAL. Schnell einen Arzt!

RICHARD. Ja, einen Arzt! einen Arzt! Ob Rettung möglich? – Sie kann nicht todt sein! Im Abgehen. Ermordet! ermordet! o Hilfe! Hilfe![229]

GUSTAV zurückkommend. Sie ist kalt! – kalt – todeskalt! – regungslos und starr! – Vater, wie stehst Du da, als ob auch Du eine Leiche wärest? Rufe: Raub, Mord, Feuer, Blut und Verderben durch die tiefe Nacht, daß der Lärm durch die weiten Gassen dröhne, daß alle Schläfer aus ihren Träumen fahren, daß alle Tanzenden den wilden Taumel fliehen, und suchen, forschen helfen nach meinem Kinde! Wirft sich vor ihm auf die Knie. Vater, Vater, wo ist mein Kind?

EHRENTHAL. Weiß ich's? Gehe hinein und frage die Todte! Hier hausen Untreu, Verrath, Rache, hier ist nicht meine Heimath, hier weiß ich keine Auskunft zu geben. Muß ich armer Greis diese Unthaten im Hause meines Sohnes erleben?

GUSTAV. Dein Sohn lebt, Alter, er lebt! Aber sein Sohn ist ihm geraubt! Hab' Erbarmen mit mir!

GESCHREI aus der Ferne, von unten. Feuer! – Raub! – Mord! – Man hört ganz in der Ferne Feuerlärm blasen.

GUSTAV. Sturm! Sturm! O, wenn doch Alles in Flammen stünde um mich her! – Ich fürchte mich im Finstern, in der Nacht!

EHRENTHAL. Man dringt die Treppen herauf! Laß mich sehn, wer es ist? Ab, durch die Mittelthüre.

GUSTAV allein. Das war die Angst des gestrigen Tages! – Das war der Leichenduft und Blutschein in meinem Haupte! – Es vergeh'n meine Sinne – ich kann nicht mehr aufrecht – Er sinkt in einen Stuhl.

Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 227-230.
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