Vierzehnter Auftritt.

[255] Vorige. Dörthe.


FRANZ. In Ketten? – Das sind meine Ketten! Er fällt zu ihren Füßen.

DÖRTHE. Nu, armer Franz, bist Du von selber gekommen? hast Du mich retten wollen?

FRANZ. Dich tödten hab' ich wollen.

DÖRTHE. Ich wußt's wohl! Und hast die arme Frau umgebracht! Weinend. Ach, hätt'st Du doch lieber mich umgebracht![255]

COMMISSAIR. Mädchen, Dir ist vielfach Unrecht geschehen. Aber das Eine sage noch: Wie kamst Du aus dem Hause? wie in jene öde Gegend, wo Dich die Wache mit dem Kinde ergriff?

DÖRTHE. Ich hatte den an die Hinterthür bestellt – und wie ich mich hinausschleichen wollte, wurde eben das Kind geraubt – da rannt' ich nach –

EHRENTHAL. Und rettend wurdest Du ergriffen?

COMMISSAIR. Armes Geschöpf, Deine Leiden waren unverdient, aber dies nächtliche Gewebe konnte kein Menschenblick durchdringen. Er winkt dem Schließer, der Dörthen begleitend, an der Thüre stehen blieb, vor, und nimmt ihr selbst die Ketten ab. Wenn Du auch der Form wegen verhaftet bleiben mußt, soll es doch hier im Hause sein, und der nächste Tag wird Dich ganz frei sprechen.

FRANZ. Nicht wahr, die Dörthe ist unschuldig?

RICHARD. So gewiß, so wahr, als ich meine Schuld fühle und bekenne.

EHRENTHAL ängstlich. Und muß dieser junge Mensch wirklich, für ein Verbrechen, in der Leidenschaft verübt, sein Leben verlieren?

FRANZ. Ja, ich will sterben! Ich muß sterben!

DÖRTHE. Ja, Franz, das mußt Du, denn siehst Du wohl, Franz, wenn Du lebtest, wären wir ja getrennt, und ich müßte mein Herz von Dir abwenden, und dürfte niemals nicht an Dich gedenken, als wie nur an einen häßlichen, blutigen Mörder. Aber wenn Du den Tod ausstehst, dann bist Du doch nicht todt, dann wirst Du erst wieder lebendig, und hernach kann ich immer an Dich[256] denken und Dich lieb haben, wie bis jetzt. Versprich mir's, Franz, daß Du ruhig sterben wirst, und mit Liebe zu mir.

FRANZ. Ich versprech' Dir's.

DÖRTHE. Da wollen wir auch jetzt gleich Abschied von einander nehmen, uns nicht mehr wiedersehen.

FRANZ. Ja, das wollen wir.

DÖRTHE. Mich nimmt der Herr Ehrenthal wieder mit auf's Dorf.

EHRENTHAL. Du treue Seele!

DÖRTHE leise zu Franz. Und Du kannst man ruhig in den Tod gehen, und ohne Eifersucht, ich bleib' Dir treu, ich nehm' keinen Andern. Wenn wir uns wieder einmal wo anders begegnen, da werd' ich sagen: Guten Tag, Franz, 's ist die alte ehrliche Dörthe, und Du warst ihr Erster und ihr Letzter.

FRANZ verhüllt sein Gesicht. Pause. Der Schließer tritt vor, und legt ihm Dörthe's Ketten an.

EHRENTHAL nach Nr. 3. Gustav, komme, der Erretterin Deines Kindes zu danken, sie ist unschuldig, sie war treu und brav!


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 255-257.
Lizenz:
Kategorien: