Auf das Absterben einer vornehmen Christlichen Frauen

[309] Hoch-Edle/ die ich nur der Tugend nach gekandt/

Die ein so gut Gerücht/ als Ruth in Salems Auen

An Tugend hat gehabt/ die das gelobte Land

Auf Erden nicht so wohl/ als wie anitzt kan bauen/

Ihr hat der Höchste viel vom Leiden auferlegt/

Und Ihr den Liebes-Kuß der Frommen auch gegeben:

Allein ihr Glaube ward zu keiner Zeit bewegt;

Bey diesem allen blieb ihr Hertz am Himmel kleben.

Vor edle Seelen ist die Welt ein Jammerthal/

Und wenn sie gleich den Fuß auf lauter Rosen setzen.

Und diesen giebt der Herr den grösten Gnaden-Strahl/

Die an dem Irdischen sich nie zu sehr ergetzen.

Wer kennt das edle Blut der Leopolden nicht?

Sie hat? Hochseelige den Ursprung draus genommen/

Und zeigte was die Schrift von frommen Assaph spricht:

Von edlen Eltern muß was edles wieder kommen.

Ein Zweig von schöner Art trägt allzeit gute Frucht:

So ist Hochseelige ihr Lebens-Baum gewesen

Ihr Tugend-Wachsthum hat der Höchste selbst gesucht/

Die Frucht des Glaubens war bey Ihnen auserlesen.

Unmöglich daß ein Blat in wenig Zeilen bringt/

Wie rein ihr Christenthum; Es war so wie mich deuchtet/

Ein Licht/ davon der Glantz in fremde Gräntzen dringt/

Das vor den Leuten hat nach Christi Wort geleuchtet.

Ein edles Weib bekomt auch einen edlen Mann/

So ward an Ihr erfüllt was Frommen wird verheißen.

Wer/ theurer Heincke/ dich noch wurdig nennen kan/

Muß deine Tugenden und Wissenschafften preisen.

Der Leib vermodert zwar/ doch deiner Ehren-Krantz

Frist weder Zeit noch Wurm. Gelehrsamkeit und Gaben/[310]

Die dich berühmt gemacht/ die werden steten Glantz/

So/ wie Wohlseelige/ auch Ihre Tugend haben.

Bey allem Kummer hat der Höchste sie geliebt/

Und in sein Vater-Hertz sie inniglich geschlossen;

Davon ihr schönes End ein herrlich Zeichen giebt/

So wie ihr Leben auch die Proben stets genossen.

Wir schauen ihren Tod mit solchen Augen an/

In welchen/ wenn vorher die Thränen sind gewesen/

Nun Ehrerbietung steht/ woraus ein jeder kan

So ihre Herrlichkeit/ als ihr Gedächtniß lesen.

So grünt Ihr Ruhm allhier/ und auch ihr edles Blut

Wir ihrer Eltern Glantz durch gleiche Tugend nehren.

So vieler Seegen sonst auf frommen Erben ruht/

So viele Wohlfahrt müß' auch deren Heil vermehren.

Die Grabschrifft aber kan/ Hoch-Edle diese seyn:

Wer nie der Frömmigkeit und Klugheit Hauß erblicket/

Der nahe sich der Grufft/ und hebe diesen Stein/

Hier ruht ein edles Weib mit beyden ausgeschmücket.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 309-311.
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