Vierzehnter Auftritt.

[239] Baronesse. Figaro. Graf Bardenrode. Haushofmeister Stock.


BARDENRODE. Man sucht mich –

FIGARO. Das Packet hier zu empfangen.[239]

BARONESSE. Was der Ueberbringer sehr gewissenhaft nur Ihnen übergeben wollte.

BARDENRODE besieht es. Etwas verlegen. Ah – ha! Ah so!

BARONESSE. Von der Bertin –

FIGARO. Wie ich glaube –

BARDENRODE. Ja – es – es sind Moden.

BARONESSE. Moden? – Moden von Paris? – Wie haben Sie sich geändert!

BARDENRODE leicht hin. Veränderung ist unser Los.

BARONESSE. Wohl wahr! – Die Moden, die Sie erhalten –

FIGARO. Darf man fragen, wozu Sie sie bestimmen?

BARDENRODE. Zu – eigentlich um damit – für die Gräfin Altenhain.

BARONESSE zwingt sich zu gefälligem Lächeln. Ah – ah so – für die –

FIGARO. Dies hindert gleichwohl nicht, daß wir sie sehen.

BARDENRODE. Darf ich um Ihr Urtheil bitten, gnädige Frau?

BARONESSE nach einer gezierten Verneigung. – Herr Stock – laß Er den Deckel des Kästchens draußen öffnen.

STOCK. Sehr wohl! Er nimmt es mit hinaus.

BARONESSE ihm nachrufend. Behutsam, Stock! – Zum Grafen. Sie haben seit der Retour die Frau Gräfin oft gesehen?

BARDENRODE. Ich wurde dort gütig aufgenommen, da andere – mich verwarfen.

FIGARO. Werden Sie mit ihr das Hotel zu Paris beziehen?

BARDENRODE. Vielleicht entschließt sie sich dazu.[240]

BARONESSE. Wer würde auch das nicht?

BARDENRODE. Nicht alle Damen.

BARONESSE. Die müßten einer schlechten Edukation genossen haben.

BARDENRODE. Erlauben Sie, daß ich lese, was man mir von der Mode schreibt, die ich erhalten habe.

BARONESSE. Herr Graf –

BARDENRODE nachdem er etwas gelesen. Der neueste Aufsatz, den jedoch nur Damen vom ersten Range zu tragen pflegten, – schreibt die Bertin mir – sei jetzt – Bonnet diplomatique.

BARONESSE mit Kennermiene. Bonnet diplomatique? – Aha!

BARDENRODE. Die Frisur darunter trüge man sehr breit.

BARONESSE. Sehr breit –

BARDENRODE. Die neueste Mode zu Paris sind übrigens die Schellchen.

BARONESSE. Schellchen? – Cela est bien drôle!

BARDENRODE liest. Man trüge sie auf den Schnallen, an den Hüten – Degen, Biretten, Eventails – überall. – Im Plaidoyer, in der Regierung – im Theater – bei der sehr ernsten Polizei sogar, sagt sie – all – überall vernehme man jetzt Schellchen.

STOCK bringt das Kästchen.

BARDENRODE zur Baronesse. Belieben Sie den Brief zu lesen?

BARONESSE nimmt ihn.

FIGARO. Erlauben Sie – ich verstehe mich etwas auf diese Art der Emballage. Er packt aus.


Die Baronesse liest. Indessen macht der Graf dem Figaro leise Vorwürfe über diese Anstalt, die er mit drolliger Pantomime beantwortet.
[241]

BARONESSE nachdem sie gelesen, wichtig, den Finger an das Kinn. Also – die Frisur sehr breit.

FIGARO mit Auspacken fertig. Ah! le Bonnet diplomatique!

BARONESSE. Nun lassen Sie sehen.

FIGARO. Scharmant! – An Erfindung und Beziehung so witzig, wie irgend eine der tausend schon vergessenen Moden!


Die Idee des Aufsatzes ist ein kleiner Foliant, wo zu beiden Seiten Dokumente mit Siegeln herab hängen. Das Buch ist von grauem oder hellgelbem Flor gemacht. Die Reifen des Einbandes auf dem Rücken von hellbraunem Band, abstehend. Der Schnitt von dunkelrothem Flor. Die Dokumente von weißem Milchflor. An halb fingerlangen hellgrauen Bändern hängt eine Mündung von rothem Flor, wie Siegel. Dieser sind drei, und an jedem ein silbernes Schellchen. Auf dem Deckel des Buchs, in der Mitte, wo sonst die silbernen Schilder aufgeheftet sind, ist eine fingerbreite Ründung von Spitzen – an diesen wird der Aufsatz auf den Kopf befestigt.


BARONESSE. Allerliebst! – Es sagt so viel – das Ganze!

BARDENRODE ernsthaft zu Figaro. Die Schellchen –

FIGARO schmeichelnd launig. Geben so etwas fröhliches!

BARDENRODE zur Baronesse. Ich finde sie nicht decent.

BARONESSE. Pardonnez – Cousin! – Sie klimpern nicht – sie läuten.

FIGARO bei Seite. Gott Lob! – So sind wir fortgerückt.

BARONESSE. Zu dem – mach' ich dabei noch eine andere Observation – In den Schellen ist Etikette.

FIGARO. Schellen in der Etikette? – Das ist nicht neu.

BARONESSE. In den ganz alten Zeiten – waren die Schellen – ein Vorrecht – der Vornehmen.

FIGARO. Nun – das räumt man Ihnen wieder ein.[242]

BARONESSE. Man trug – wenn man von Stande war – die Schellchen vorn an den Schuhen.

FIGARO deutet auf den Aufsatz. Und jetzt am Kopfe.

BARONESSE besah indessen den Aufsatz. Die Frau Gräfin von Altenhain ist zu beneiden.

FIGARO legt den Aufsatz, da die Baronesse ihm denselben gibt, in den Kasten.

BARDENRODE. Ich habe – in mancher Rücksicht – nicht den Muth – den Aufsatz Ihnen anzubieten. –

BARONESSE. Herr Graf –

FIGARO rasch. Sie lassen der Gräfin einen andern kommen.

BARDENRODE. Dieser Aufsatz –

FIGARO. Ist gewiß der neueste –

BARDENRODE. Vielleicht – trägt man ihn doch noch nicht.

BARONESSE. Ei – um so schöner!

BARDENRODE. Er ist so schwer.

BARONESSE. Gar nicht.

FIGARO. Und wenn – so sieht man doch – was unsere Köpfe drückt –

BARONESSE. Ist nur ein Nichts –

FIGARO. Im innern Gehalt.

BARONESSE klingelt. Noch heute werde ich zu Ihrer Ehre darin erscheinen.

BEDIENTER kommt.

BARONESSE. Das Kästchen zu meiner Kammerfrau.

BEDIENTER geht damit ab.

BARONESSE. Gestehen wir's nur – für solche Arbeit haben unsere Deutschen keinen Sinn. – Coeffure von Deutschland – und ein deutsches Trauerspiel – beide sind Horreurs. – Das eine drückt – das andre echauffirt.[243]

FIGARO. Das thut bei uns gewöhnlich keins von beiden.

BARONESSE. Ich bin Ihre Schuldnerin, Cousin.

BARDENRODE mit edlem Ausdruck. Ich wünsche Ihr Vergnügen. – Mit einer schnellen Wendung. Möchte mir's gelungen sein, daß Sie in eben diesem Augenblicke meine Achtung wahrgenommen hätten! Er verbeugt sich, und geht ab.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 239-244.
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Revolutionsdramen: Figaro in Deutschland. Die Kokarden. Das Erbtheil des Vaters.

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