Erste Szene


[441] Gemach in Tolstois Hause. Morgen.

Zwei Türsteher.


ERSTER. Hat sie bekannt?

ZWEITER. Nein, sie seufzt und weint und ruft, sie wisse nichts.

ERSTER. Seine Exzellenz werden es doch wohl herausbekommen.

ZWEITER. Nun das versteht sich. Wenn die Wahrheit verlorengegangen wäre, wie eine Stecknadel, die in den Brunnen[441] fiel, der Herr Staatsrat fänden sie wieder. Es ist eine Freude, dem Herrn zuzusehen. Immer gelassen, immer freundlich. Sich nicht reizen lassen, nie zornig werden. Und die Beharrlichkeit! Seit acht Stunden sitzt er auf seinem Stuhle, und meint Ihr, daß er schon ein Glas Wasser verlangte?

ERSTER. Er hat gar keine Bedürfnisse, und dasselbe denkt er von uns, seinen Dienern.

ZWEITER. Es geht uns spärlich, das ist wahr. Aber das muß so sein. Die Speise der Gerechtigkeit ist die Nüchternheit, sagen seine Exzellenz. Dafür ist dieses Haus aber auch die Freistatt der immerwährenden Ruhe und Sicherheit. Wir haben den Sturz unsres Gebieters nicht, keine Verändrung zu scheun. Noch niemals hat sich gegen ihn eine Anklage, ein Verdacht erhoben.

ERSTER. Er ist ja auch der gerechteste Mann in Rußland.


Ein Mensch von wildem Ansehn geht mit einem glühenden Eisen über den Schauplatz.


ZWEITER. Das war der alte Isaak. Nun werden Seine Exzellenz das Mädchen zu fürchten machen.

ERSTER. Hörtet Ihr nichts? Es schrie etwas. Heftige Schritte? Es kommt!


Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 4, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 441-442.
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