[265] Glebof. Nachher: Ein Diener.
GLEBOF allein.
Dieser Schelm sagt mir
'Ne bittre Wahrheit. – Meine Tage sind
Ein wüst Gewirr von Lust und Ekel. – Still!
Weshalb den Kläger spielen gegen dich?
Vor einem Kalender und einer Landkarte.
Heut ist der sechste Junius. Meines Wissens
Ist Peter noch in Lübeck. Vierzehn Tage
Gehn auf die Fahrt nach Kronstadt. Dann verlaufen
Der Tage fünf, bis wir erfahren, daß
Er angekommen. Also neunzehn Tage
Sind unser zu des Plans Gedeihn. Nun, mehr
Hat Cäsar nicht gehabt, um Rom zu stürzen. –
Das Volk ist gut, hielt meine Probe aus.
Sie waren Sklaven, blieben's, sind's noch mehr
Durch dich geworden, Zar.
Ein Diener tritt auf.
Was gibt es, Bursch?
DIENER.
Herr, die Bojaren kommen truppweis vom
Palaste Dolgoruki.
GLEBOF.
Hieher?
DIENER.
Ja.
Die Säbel klirr'n, der Balaleika Ton
Begleitet ihren Zug.
GLEBOF.
Wen sahst du?
DIENER.
Viele;
Den Alexander Kikin, den Basil[266]
Und Fedor Dolgoruki. Die Wasemskys,
Die Narischkins und ihre Sippschaft, Woinofs,
Den Bruder der Zariza, Abraham,
Den heil'gen Erzbischof von Rostow, und
Noch manchen andern.
GLEBOF.
Führ' die Herrn zu mir.
Diener ab.
Am Fenster stehend.
Ein wackrer Haufen. Eine Herde, die
Des Hirten noch bedarf. – Wird's glücken? Wird's?
In solchen Stunden, da verlohnt's, zu leben.
Dann ist der Tag was wert, wenn an dem Tage
Das Los von Tausenden, gleich einer Frucht,
Gezeitigt hängt. – Ha, wird es auch wohl glücken?
Wer gibt den Barometer uns, an dem
Der menschlichen Gedanken Stand sich zeigt?
In jeglichem Gemüte ist ein Wechsel
Von allen Jahreszeiten, jeden Tag.
So kann auch ich, auf Sommerhitze rechnend,
Den trägen Winter finden. – Prüfen wir's!
Er setzt sich an einen Tisch zu Büchern und Papieren.
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