[307] St. Petersburg. Gemach im Palast.
Katharina. Menzikof treten ein.
MENZIKOF.
Nun Martha, müde von der Reis'?
KATHARINA.
Ein wenig.
Wir eilten ja, wie unterm Mantel Fausts.
MENZIKOF.
'S tat not. Ich kenne unsre Feinde. – Doch
Ich denk', die Hoffnung hab' ich ihnen gänzlich
Benommen, etwas durchzusetzen.
KATHARINA.
Wie?
MENZIKOF.
Sie münzen Aufruhr; das Gepräge macht
Die Münz', und mit dem Stempel wird geprägt,
Und den zerbrach ich ihnen.
KATHARINA.
Menzikof,
Du jagst mir Schrecken ein. Du bist so heftig!
Ich sah dich heimlich sprechen mit dem Dentschik,
Eh' wir von Moskau flüchteten.[307]
MENZIKOF.
Der Dentschik
Hat eine gute Buchs' und ist ein Schütz,
Der seinen Mann trifft. Und der Zarewitsch
Ist – nicht von Eisen. Wie die großen Bärte
Erstaunen werden, sehn sie ihre Fahne,
Die alles führen, alles heil'gen sollte,
Zerschmettert und zerfetzt!
KATHARINA.
O Menzikof!
Ein Mord? ...
MENZIKOF.
Laß gut sein, Martha. Es war ratsam,
War nötig, war das kürzeste. Solang
Der Knabe lebt, ist unsre Hoffnung tot.
Zwar er entsagte. Possen! Würd' er Mönch,
Wir wären noch nicht sicher. Keinem nagelt
Man die Kapuze auf den Kopf. Das lehrt
Ihn Stephan Glebof. Kurz, der Anlaß bot
Sich jetzo meiner Hand. Sein Widerstand
Bracht' es zur Reife. Er ist nicht so schwach,
So stumpf, wie man ihn glaubt, wie ihn der Zar
Sich träumt, weil er ... ja, weil er von ihm weiß,
Was ich, daß er es wiss', für gut befinde.
Er war uns weit gefährlicher, als du
Dir ihn wohl vorgestellt, und würd' inmitten
Der tollen Köpfe, die ihr altes Reich
Von seiner Jugend wollen, dermaleinst
Das Feuer sein, das unsre Saaten fräße.
KATHARINA.
Unschuldig Blut vergossen! – Daß man brav,
Und doch so grausam sein kann! Armer Prinz!
MENZIKOF.
Laß gut sein, Martha. Du bist weich, du hast
Das beste Herz. Bekümmere dich um mich,[308]
Und meine Schritte nicht.
Der Fluch sei mein, der Segen bleibe dir;
Rein sollst du pflücken meiner Sorge Frucht.
Er hat dich mir geraubt, dafür will ich
Zu dieses Reiches Throne dich erheben!
Das ist mein Dichten, Trachten. Das der Wunsch
Des Tags, der Traum der Nacht. Das grub der Stirn
Die tiefen frühen Arbeitsfalten ein.
Mag er das Weib besitzen! Doch dem Künstler
Verbleibt sein Werk. Die Königin gehört
Nicht dem Geschlecht! Wenn dich der Purpur schmückt,
Von meiner Hand gewebt, hat Menzikof
Dich nie verloren.
KATHARINA.
Guter, treuer Freund!
Du siehst in mir, was deine Lieb' in mir
Erblicken will. Aufricht'ge Neigung ist
Ein Licht, das von dem Geber strömt, holdtrüglich
Den Gegenstand in seine Strahlen hüllt.
Sieh ohne Schimmer mich; er ist nicht mein.
Ich bin nur eine Frau! Grad' klug genug,
Zu wissen, daß der Frauen höchste Weisheit
Vertrauen zu dem weisern Manne ist.
Versuch mich nicht! Ich möchte gar zu gern
Von diesem Lote Urteil, das mir eigen,
Nichts missen, Menzikof. Das Weib sei dienstbar!
Im Tal gepflanzt, wie soll't ich oben stehn?
Gehorchen lernt' ich; das Gebieten lehrt
Kein Gott dem Schwachen.
MENZIKOF.
Liebenswürd'ge Demut! –
Was das betrifft, verlaß dich ganz auf mich.
Denn deines Armes Arm wird Menzikof,
Und deines Mundes Mund wird Menzikof
Für alle Zeiten sein. Du sollst genießen.
Die Müh', der Schweiß, die Pein für Menzikof,
Für Katharinen Freude, Lust und Pomp![309]
KATHARINA.
War's möglich ... wär' es irgend denkbar ... wär's
Nur freilich so gedenkbar, Menzikof!
Ach Freund, ich hab' ganz andre Ding' im Sinn.
Recht bis ins Herz bin ich betrübt. Der Aufruhr
Wird übergehn, wie viele übergingen!
Wer aber hält des Herren Werk? Dies Rußland,
Sein Rußland ist die Riesensäule, halb-
Vollendet von dem bauenden Giganten.
Was sind wir andern? Wer beschließt den Bau,
Wenn der erhabne Meister scheidet vom
Unfert'gen Werk?
MENZIKOF lächelnd.
In deinem Bild zu bleiben:
Wir lassen diese Riesensäule stehn,
So wie sie steht, und tun nichts ab, noch zu.
Verwittert sie; ganz wohl! Zerfällt sie; recht!
Die Mauern Babylons sind auch ein Staub.
Du sollst mich glühn sehn für des Meisters Werk,
Solang die Glut mir Meisters Gnade schafft.
KATHARINA.
Nicht länger?
MENZIKOF.
Keinen Augenblick. Drei Regeln
Merk, Martha, dir. In zwanzigjähriger Schule
Hab' ich die Sprüch' erlernt. Zum ersten wisse:
Wer Menschen bildet, ist sein eigner Feind,
Denn leichter herrscht sich's über Dumme. Zweitens:
Rußland ist noch der Erde schönstes Los,
Wenn auch der Schwed' hier wieder Kupfer gräbt,
Und Petersburg zum Sumpfe wird. Das dritte
Sag' ich ins Ohr dir. 'S ist für Eingeweihte:
Ein großer Mann ist nur ein großer Tor.
KATHARINA.
Meinst du das wirklich so?[310]
MENZIKOF.
Daß ich's gesagt,
Beweist, daß ich's so meine.
Ein Page tritt auf.
PAGE.
Fürst, man sucht Euch.
MENZIKOF.
Wer sucht mich?
PAGE.
Boten von Moskau und vom Meer.
MENZIKOF.
So gibt es Neuigkeit zu Land und Wasser.
Zum Pagen.
Führ' sie ins rote Zimmer.
Page ab.
Haben wir
Uns nicht vertieft in ein Gespräch, als ob
Wir auch bereits des Glebof Märchen glaubten!
Von Moskau und vom Meer? Die Boten bringen
Den Sinn zur Gegenwart zurück. Nun Martha,
Laß uns auf unsren Pfad sehn.
Ab.
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