Vierter Auftritt.


[81] Raynouard, Franzosen treten auf.


RAYNOUARD.

In des Kaisers Namen, Andres, Sandwirt Hofer

Aus Tal Passeier, du bist mein Gefangner.

HOFER steht auf.

Ihr kommt zu mir mit Spießen und mit Stangen.

Ich bin allein, und mach' Euch leichtes Spiel.

RAYNOUARD.

Als wir zum Marsch uns schickten, traf ein Brief

Verspätet ein, aus Östreich.


Er überreicht Hofern ein großes Schreiben.


HOFER.

Doch noch? Schön!

Ich küsse dieses Wappen, das ich kenne.


Er küßt das Siegel, öffnet, und liest.


Du mahnst zur Ruhe und Ergebung, Herr,

Und ich gehorche pünktlich dir, wie immer.

Ergeben bin ich in mein Todeslos,

Und geh' zur Ruh', zur ew'gen Ruhe ein. –

Nun, meine Herrn Franzosen, ja ihr habt ihn,

Der Oberkommandant war von Tirol.

Wohin befehlt ihr, daß ich treten soll?

RAYNOUARD.

Du irrest, Hofer. Nicht auf diesem Berg

Wird dich des Lebens letzter Tag ereilen.

HOFER.

O blut'ger Scherz! Wohin entführt ihr mich?

RAYNOUARD.

Nach Mantua.[81]

HOFER.

Nach Wälschland führt Ihr mich?

Betrogner Hofer! Mit den Freunden wolltest

Du nicht von dannen, und nun bringen dich

Die Feinde aus der lieben Heimat Grenzen.

So soll mein sterbend Auge nicht mehr schaun

Der weißen Ferner sonnenrote Häupter?

An grauem ödem Festungswall soll ich

Veratmen diesen Hauch, den nichts als Düfte

Der Kräuter nährten, kühle Alpenlüfte?

RAYNOUARD.

Beschaffen ist's, so füge dich!

HOFER wirft sich zur Erde nieder und küßt sie.

Den Scheidekuß

Nimm, Boden hin, der mich gesäuget hat.

Dich hab' ich einzig nur geliebt im Leben,

Trag immer Männer, welche gut und bieder!


Er erhebt sich, Raynouard wendet sich in Tränen ab.


Du weinst?

RAYNOUARD. Erkenne mich!

HOFER.

Wie? Raynouard?

Der bei mir aß zu Inspruck, für mich schrieb?

Ist deine Wunde heil?

RAYNOUARD. Schon lange, Lieber.

HOFER.

Welch unerwartet freundliches Begegnen!

Wie lind und leise löst mein Leben sich!

Mich dünkt, ich höre ferne Glocken klingen,

Und tief im Tale Kirchenlieder singen.

RAYNOUARD.

Mir aber quillt die Träne unaufhaltsam.

HOFER.

Trockne dein Auge, Jüngling; willst du weinen,

So wein' um dich, und wein' um deine Freunde.

Denn wisset ihr, wohin euch euer Herr

Noch führen wird, und welcher Erdenwinkel

Eu'r brechend Aug' und Qualenschicksal sieht?

Ich hör' das Rauschen schon der Cherubim,

Die dräuend nahen der zerfleischten Welt.

O glaube mir, mein lieber junger Mann,[82]

Du wirst vielleicht den Sandwirt einst beneiden,

Der friedlich weggeht aus der Zeitlichkeit.

RAYNOUARD.

Hör' auf! Die Erde scheint mir zu erbeben!

HOFER.

So halte dich an meinem Glauben fest!

Es ist bei euch wohl wenig Christentum,

Du aber trägst ein glückliches Gesicht,

Und fromme Eltern, denk' ich, zeugten dich.

Ich sage dir: ein heil'ger Engel sitzt

Am Thron des Ewigen zu seinen Füßen,

Ganz eingehüllt von seinen beiden Flügeln,

Die silbern von den Schultern niederglänzen,

Mit Licht bestrahlend Haupt und Brust und Leib.

Und die Geschicke, die der Ew'ge sieht,

Schreibt dieser Engel treu auf seine Tafel.

So bleiben vor dem Angesicht des Höchsten

Bestehn die guten und die bösen Stunden.

Nach Mantua nun! – Ich habe überwunden.


Er geht voran. Die Franzosen folgen.


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 81-83.
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