Dritte Satire.

[70] Wenn auch schmerzlich bewegt, daß ein alter Freund von mir scheidet,

Lob' ich doch seinen Entschluß, in dem leeren Cumä zu wohnen

Und der Sibyll' ein Geschenk mit Einem Bürger zu machen.

Dort ist Bajä's Thür' und ein Strand voll Reize für süße[71]

Einsamkeit; ja, ich zieh' auch Prochyta vor der Subura.

Denn was haben wir je so Trauriges, Oedes gesehen,

Daß nicht schlimmer es schiene, vor Brand und der Wohnungen Einsturz

Ewig bange zu sein und den tausend Schrecken der bösen

Hauptstadt und den im Mond August vorlesenden Dichtern?

Aber indeß Ein Wagen bepackt mit dem sämmtlichen Haus wird,

Blieb an dem alten Gewölb' er stehn und der feuchten Capena.

Hier, wo Numa vordem sich traf mit der nächtlichen Freundin,

Werden am heiligen Quell jetzt Hain und geweihete Stätten

Juden verpachtet, die Heu und den Tragkorb haben zum Hausrath;[72]

(Denn ein jeglicher Baum soll Zins eintragen dem Volke,

Und es bettelt der Wald, aus dem die Camenen verjagt sind;)

Abwärts wanderten wir zu Egeria's Thal und Grotten,

Wirklichen nicht mehr ähnlich; wie wär' uns holder des Wassers

Göttliche Macht, wenn Rasen die Fluth mit grünendem Rande

Einschlöss' und den natürlichen Tuff nicht Marmor entstellte!

Hier sprach dann Umbriz: »Weil doch für ehrliche Künste

Kein Ort ist in der Stadt, kein lohnender Nutzen der Arbeit,

Heute geringer die Hab', als gestrigen Tags, und sie morgen

Noch abnöthigen wird von dem Wenigen, wollen wir dorthin

Gehen, wo Dädalus einst die ermüdeten Flügel sich abnahm,[73]

Da noch neu das Ergrau'n, da frisch mein Alter und aufrecht,

Da noch etwas zu dreh'n für die Lachesis bleibt, und die Füße

Noch mich tragen, und nicht auf den Stab sich stützet die Rechte.

Laß mich die Heimath fliehn.« Dort leb' Artorius, dorten

Catulus, bleiben sie da, die Schwarz in Weißes verdrehen,

Denen es leicht ist, Bauten und Flüss' und Häfen zu pachten,

Oder das Trocknen des Sumpfs und zur Brandstatt Leichen zu schaffen

Und ein verkäufliches Haupt vor die Herrin Lanze zu bringen.

Die, Hornbläser vordem, und einst der Arena der Landstadt

Niemals fehlend Geleit und bekannt in den Städten von Backe,

Geben nun Spiele dem Volk, und wendete dieses den Daumen,

Tödten sie, wen es verlangt, volksfreundlich: kommen sie dorther,[74]

Pachten sie Tragleibstühl'; und warum nicht Alles? sie sind's ja,

Die aus niedrigem Staub empor zu dem Gipfel des Reichthums

Steigen Fortuna läßt, wenn sie Scherz sich wollte bereiten.

Was wohl sollt' ich in Rom? auf Lug ausgehen, ich lernt's nicht;

Loben und fordern ein Buch, ist's schlecht, nicht kann ich's; der Sternlauf

Ist mir ein fremdes Gebiet; prophezei'n das Verscheiden des Vaters

Will und vermag ich nicht; in den Leib nie schaut' ich den Fröschen;

Das zutragen den Frau'n, was ihr Buhle schickt, was er aufträgt,

Andre verstehen's; der Dieb wird nie zum Gehülfen mich haben;

Und drum geh' ich von hier, ein Genoß Niemandes, dem Krüppel

Und nicht nützenden Rumpf der erstorbenen Rechten vergleichbar.

Wer wird heute geschätzt, der nicht Mitwisser, dem gährend

Nicht von Verborgnem und stets zu Verschweigendem wallet die Seele?

Nichts glaubt schuldig zu sein, nichts wird je Einer dir danken,

Der theilnehmen dich ließ an ehrenhaftem Geheimniß.

Theuer dem Verres ist, wer jegliche Stunde den Verres

Anzuklagen vermag. Nicht sei des schattigen Tagus

Sämmtlicher Sand und das Gold, das ins Meer sich wälzet, dir so lieb,

Daß du des Schlafes entbehrst, und Lohn, der bleiben dir nicht wird,

Freudlos nehmest und stets vom mächtigen Freunde gefürchtet.

Was das beliebteste Volk jetzt ist bei unseren Reichen,

Wen ich fliehe zumeist, will flugs ich gestehn, und es soll mich

Nicht abhalten die Scham. Unleidlich ist mir, Quiriten,[75]

Griechisch die Stadt; und wie klein doch der Theil der Achäischen Hefe!

Längst floß Syriens Strom, der Orontes, schon in die Tiber

Und hat Sitten und Sprach' und mit Flötenspielern hieher uns

Schräge Saiten gebracht und die dort einheimischen Pauken,

Mädchen dazu, die feil man ausstehn heißet am Circus.

Geht, die des Auslands Dirn' in gesticketer Mütze gelüstet!

Dort dein Bauer, Quirin, geht her in Griechengewändern,

Und am gesalbeten Hals hat Siegsdenkzeichen er hangen!

Dieser verlässet die Höh'n von Sicyon, Amydon jener,

Andros und Samos der, Alabanda jener und Tralles;

Nach den Esquilien geht's und dem Berg, der nach Weiden benannt ist,

Fleisch und Blut und die Herrn von mächtigen Häusern zu werden.

Schnell auffassenden Geist's, bis zum Aeußersten keck, mit dem Wort da[76]

Ist er, es strömet ihm mehr, als Isäus. Sage, was scheint dir

Dieser zu sein? in sich trägt jeglichen Menschen er zu uns.

Rhetor, Grammatiker, Arzt, Geometer, Magier, Maler,

Augur, Alipt, Schönobat: auf jegliche Dinge verstehen

Hungrige Griechlein sich, in den Himmel gehn sie, befiehlst du's.

Kurz, nicht war es ein Maur, noch ein Thracier, noch ein Sarmate,

Welcher die Flügel sich nahm, vielmehr ein geborner Athener.

Deren Purpurgewand nicht flöh' ich? sollte vor mir der

Zeichnen, und liegen bei Tisch, auf besseres Polster gelehnet,

Welchen nach Rom mit Pflaumen zugleich und Feigen der Wind trug?

Ist es so gar nichts werth, daß Aventinischen Himmel

Unsere Kindheit sog, mit Sabinischer Beere genähret?

Ja, und lobt nicht das Volk der gewandtesten Schmeichler die Rede

Des unwissenden, nicht das Gesicht des häßlichen Freundes,

Nennt es den schmächtigen Hals des Schwächlings nicht zu vergleichen[77]

Hercules' Nacken, der hoch von der Erd' Antäus emporhält,

Staunt nicht Stimmen es an, so dünn, daß ärger sich hören

Jener sogar nicht läßt, der als Ehmann beißet die Henne?

Freilich können auch wir dieß nämliche loben; doch jenen

Glaubet man. Ist wer besser im Lustspiel, wenn er die Thaïs

Vorstellt, oder er macht die Gemahlin, oder die Doris,

Die kein Mäntelchen schmückt? ja, ein Weib leibhaftig, so scheint es,

Keine Maske da spricht, du vermuthetest unten am Bauche

Leer auch Alles und flach und durch enge Spalte getrennet.

Doch auch Antiochus nicht, noch Stratocles, oder der zarte

Hämus, Demetrius nicht wird werth dort sein der Bewundrung,

Jeder ist dort Schauspieler. Du lachst, von noch stärkrem Gelächter

Wird er geschüttelt; er weint, wenn des Freundes Thränen er schaute,

Ohne Betrübniß; verlangst zur Decemberzeit du ein Flämmlein,

Nimmt er die Endromis um; wenn du »warm ist's« sagetest, schwitzt er.

Also wir stehn nicht gleich: dem glückt's, der immer und jede

Nacht und jeglichen Tag es vermag, vom fremden Gesichte

Mienen zu borgen, bereit zum Kußhandwerfen, zum Loben,[78]

Wenn vortrefflich gerülpst, wenn der Gönner tüchtig geharnt hat,

Wenn in das goldne Geschirr er es krachen ließ, daß es umschlug.

Auch ist heilig ihm nichts und geschützt vor seinem Gelüste,

Weder die Hausfrau, noch jungfräuliche Tochter, sogar nicht

Ihr noch glatter Verlobter, der vorher züchtige Sohn nicht;

Wenn die fehlen, er nimmt des Freunds Großmutter ins Bette;

Hausgeheimnisse will, um Furcht zu erregen, er wissen.

Und da der Griechen einmal ich erwähnt, durchwandre der Weisheit

Schulen und höre die That, verübt in der größern Abolla:

Bareas brachte den Tod ein Stoiker, welcher ihn angab,[79]

Seinem Schüler und Freund' ein Greis, an dem Ufer gesäuget,

Wo sich niedergesenkt des Gorgonischen Gaules Gefieder!

Jeglichem Römer gebricht an Platz es hier, wo die Herrschaft

Irgend ein Diphilus hat, ein Protogenes oder Hermarchus,

Der nach des Volks Unsitte den Freund nie theilt, ihn allein hat;

Denn hat jener ins Ohr, das empfängliche, wenige Tropfen

Von dem Gifte gebracht, das der Heimath eigen und ihm ist,

Treibet man mich von der Schwell', ich verlor langjährige Dienstzeit;

Eines Clienten Verlust wird nirgends minder geachtet.

Was hilft ferner die Müh', ohn' uns zu schmeicheln, dem Armen

Und das Verdienst ihm hier, wenn Nachts, mit der Toga bekleidet,

Sorge zu laufen er trägt, da der Prätor treibet den Lictor

Und fortstürzen ihn heißt, weil wach schon wurden die Wittwen,

Daß ein College von ihm nicht Modia grüß' und Albina?

Einer von Freien erzeugt, drängt hier dem begüterten Sklaven

Sich an die Seite; denn der schenkt so viel, als Legionsdienst

Sold den Tribunen gewährt, Catienen oder Calvinen,

Ein und das anderemal sich bei ihr zu entzücken; doch du schwankst,

Wenn das Gesicht dir gefällt der bekleideten Dirn', und bedenkst dich,

Ob vom erhöheten Stuhl du die Chione führest herunter.[80]

Stelle den Zeugen in Rom so rein, wie der Idischen Göttin

Wirth war, möge heran selbst Numa treten und jener,

Der aus brennendem Haus' einst barg die erschrockne Minerva:

Gleich wird nach dem Vermögen, zuletzt nach den Sitten man fragen:

›Wie viel Sklaven ernährt, wie viele Morgen besitzt er

Ackers? wie viel und wie groß beim Mittagsmahle die Schüsseln?‹

So viel jeglicher Geld in seinem Kasten bewahret,

So viel hat er Vertraun; ob bei Samothracer Altären,

Ob bei unsern du schwörst, man glaubt, es fürchte der Arme

Weder die Götter noch Blitz, und die Himmlischen selber verzieh'n es.

Ja, und bietet den Stoff und Anlaß nicht auch derselbe[81]

Allen zur Kurzweil dar, wenn schlecht und zerfetzt die Lacerna,

Schmutzig die Toga ihm ist, und geborstenen Leders ein Schuh ihm

Aufklafft, oder vielleicht nach geflicketer Wunde den frischen

Und dickfädigen Zwirn nicht eine Narbe zur Schau trägt;

Und nichts Härteres gibt's in der unglückseligen Armuth,

Als daß jeglichen sie zum Gespött macht. ›Packe sich,‹ heißt es,

›Hat er noch Scham, und hebe sich weg vom Polster der Ritter,

Wessen Besitz dem Gesetz nicht genügt, hier lasse man sitzen

Buben der Kuppler, wo auch im Bordell sie wurden geboren,

Hier soll klatschen der Sohn des in Glanz auftretenden Präco

Unter des Fechters Junkern im Putz und den Junkern des Meisters;

Also hat es beliebt dem uns trennenden, eitelen Otho.‹

Wählt man zum Eidam hier, wer kärgeren Guts zu des Mädchens

Bündelchen nicht ganz paßt? wer kommt als Armer zur Erbschaft?

Wann zieht ihn ein Aedil in den Rath? In geschlossener Heerschaar

Fortziehn hätten gemußt vordem die armen Quiriten.

Schwer kommt einer empor, deß Tugenden häuslicher Nothstand

Hemmend entgegen sich stellt; doch in Rom find ihm die Versuche

Schwerer noch: kostbar sind die erbärmlichsten Wohnungen, kostbar

Bäuche der Sklaven, das Mahl, ist's auch das bescheidenste, kostbar.[82]

Nicht ziemt irdnes Geschirr beim Mahl, deß Keiner sich schämte,

Der, urplötzlich versetzt zu Sabellischem Tisch und den Marsen,

Dort sich gerne begnügt mit dem blauen groben Kaputzrock.

Groß ist, melden wir wahr, Italiens Theil, wo die Toga

Niemals, außer im Tode, man trägt. Selbst wenn man die Feier

Festlicher Tag' einmal auf der rasigen Bühne begehet,

Und wenn endlich zurück auf die Bretter kehrt das bekannte

Nachspiel, wo von dem Rachen der bleich aussehenden Maske

Aengstlich des Landmanns Kind auf der Mutter Schooße sich fürchtet,

Wirst du die Kleidungen gleich dort sehn und Volk und Orchestra

Aehnlich einander, es sind als Hülle glänzender Würde

Weiße Tuniken dort genug den Höchsten, Aedilen.[83]

Hier geht über die Kräfte die Pracht der Bekleidungen, hier wird

Manchmal über Bedarf aus Anderer Kasten entnommen.

Das ist herrschender Fehl, hier lebt in prahlender Armuth

Jeder. Was halt' ich dich auf? In Rom macht Alles dir Kosten.

Sprich, was gibst du dafür, daß einmal du den Cossus begrüßest,

Daß Vejento den Blick mit geschlossener Lippe dir gönne?

[84] Der hier mähet den Bart, der weiht das Haar des Geliebten,

Sieh voll Kuchen das Haus zum Verkauf; die nimm, und ein Gährteig

Werde dir dieß: wir müssen Tribut als Clienten entrichten

Und ihr eigenes Gut den geputzten Sklaven vermehren.

Wem im kühlen Pränest' ist angst, wem war es vor Einsturz,

Wem in Volsinii auch in der Waldhöh'n Mitt' und im kleinen,

Ehrlichen Gabii, wem auf Tibur's ragendem Abhang?

Wir bewohnen die Stadt, die von dünnen Pfeilern gestützet

Großen Theiles man sieht; denn also wehrt der Verwalter

Ihrem Verfall, und schloß er den Spalt der veralteten Ritze,

Heißt er uns sorglos ruhn, wenn der Einsturz über uns schwebet.

Leben müssen wir dort, wo es Brand nie gibt, wo sich Keiner[85]

Fürchtet des Nachts. Schon Wasser verlangt, schon schleppet den Plunder

Ein Ucalegon fort, schon raucht's im dritten Geschoß dir,

Du weißt's nicht; denn wenn von den untersten Stufen man forteilt,

Oben der Letzte verbrennt, der allein vom Ziegel des Daches

Schutz vor Regen erhält, wo die zärtliche Taube das Ei legt.

Kleiner war Codrus' Bett, als Procula, Schmuck für den Schenktisch

Waren der Krüglein sechs, nicht fehlt' ein winziges Kännlein

Drunter und, ruhend am Fuß des nämlichen Marmors, ein Chiron;

Und ein Kasten, bereits in Verfall, barg griechische Bücher,

Und von der Opischen Maus ward göttlicher Sang ihm zernaget.

Nichts hat Codrus gehabt, wer läugnet' es? aber der Arme

Büßete vollends ein dieß Nichts; als äußerster Zuwachs

Kommt zu dem Leiden jedoch, daß Niemand helfen dem Nackten,

Brocken erbettelnden wird mit Speis' und gastlichem Obdach.

Stürzte das Prachthaus ein des Asturicus, trauern die Frauen,

Kleiden die Großen sich schwarz, verschiebt die Termine der Prätor;

Dann seufzt über der Stadt Geschick, dann haßt man das Feuer.[86]

Noch brennt's, und schon eilt man herbei, der, Marmor zu schenken,

Kosten zu schaffen, es wird der glänzende, nackte Figuren,

Etwas Vortreffliches der von Euphranor und Polyclitus,

Die vorzeitlichen Schmuck Asiatischer Götter ihm bringen,

Der gibt Bücher und Schränk' und das Brustbild einer Minerva,

Der voll Silbers ein Maß. Viel mehr und Besseres stellet

Persicus wieder sich her, der Ledigen glänzendster, der schon

Als Brandstifter mit Recht am eigenen Haus' in Verdacht steht.

Lässet der Circus dich los, in Frusino kaufst du und Sora

Und Fabrateria dir das vortrefflichste Haus für die Summe,

Die als Miethe du jetzt auf Ein Jahr zahlst für den Winkel.

Dort ein Gärtchen und Born, der seicht, nicht Seiles bedürfend,

Ohne Mühe geschöpft, sich ergießt auf zarte Gewächse.

Leb' ein Verehrer des Karsts und bebauetem Garten ein Pfleger,

Der dir ein Mahl leicht beut für hundert Pythagoräer.

Wohl ist etwas es werth, welch Ort, welch Winkel es sein mag,

Nur ein Eidechslein sich als Herr erworben zu haben.

Hier bringt Wachen den Tod unzähligen Kranken; das Leiden

Selber jedoch kam her von der Kost, die im brennenden Magen

Festklebt, übel verdaut; denn welch gemietheter Wohnraum[87]

Duldet den Schlummer? man braucht in der Hauptstadt Schätze zum Schlafen.

Daher kommet das Leid; das Geroll von Wagen in enger

Krümme der Gassen und Lärm stillstehender Züge des Viehes

Raubeten Drusus sogar und selbst Meerkälbern den Schlummer.

Ruft ihn die Pflicht, dann trägt durch die weichende Schaar man den Reichen,

Ueber die Köpfe dahin eilt er auf ries'gem Liburner,

Und wird lesen darin derweil, auch schreiben, ja schlummern,

Denn es befördert den Schlaf das geschlossene Fenster der Sänfte.

Dennoch kommt er voraus. Uns hemmt, wenn wir eilen, die Woge

Vor uns, die Lenden zerdrückt das Volk, das in mächtigem Zuge

Nachfolgt; dieser da stößt mit dem Arm, der stößt mit der harten

Stange, den Kopf trifft der mit Bauholz, der mit der Tonne.

Dick klebt Koth mir am Bein; bald treten mächtige Sohlen

Rings mich, und fest sitzt mir in der Zeh' ein Nagel des Kriegsmanns.

Siehst du den mächtigen Rauch, durch den die Sportel sich kund gibt?

Hundert von Gästen, es folgt auf dem Fuß jedwedem die Küche.

Corbulo trüge sie kaum, so mächtige Schüsseln, so Vieles,[88]

Ihm auf das Haupt gepackt, wie ein unglückseliges Sklävlein

Steif auf dem Scheitel sie trägt, und im Lauf anfachet das Feuer.

Tuniken, eben geflickt, sie zerreißen; mächtige Tannen

Schaukeln auf Lastfuhrwerk, das da kommt, und andere Wagen

Fahren die Fichte heran; hoch schwankt's und bedrohet die Menge.

Doch wenn die Achse, beschwert mit Ligustischen Felsen, dahinsiel'

Und umstürzte den Berg und ihn schüttete über die Schaaren,

Was bleibt dann von den Leibern zurück? wer findet die Glieder,

Wer die Gebeine? zermalmt ist fort, wie verweht, des Plebejers

Ganze Leiche. Das Haus wäscht sorglos während der Weile

Schüsseln, und bläst mit dem Mund in den Herd, und lärmt mit gesalbten

Striegeln, und legt Leintücher zurecht zum gefülleten Oelkrug!

Bunt durch einander beeilt wird dieß von den Knaben; doch jener

Sitzet am Ufer bereits, und der Neuling bebt vor des Fährmanns

Finsteren Mienen, und nicht auf den Kahn der morastigen Tiefe

Hoffet der Arme, noch hat den Trient im Mund er zum Fährgeld.

Blicke nun noch auf andre Gefahr und verschiedne der Nachtzeit.

Was bis zur Höhe des Dachs für ein Raum, von wo aus dir den Schädel

Scherben zerschlagen, so oft zerbrochene, lecke Gefäße

Dort aus den Fenstern man wirft; mit wie großer Wucht das auf's Pflaster

Stürzt und es zeichnet und sprengt. Du könntst nachläßig erscheinen,

Nicht auf plötzliche Fälle bedacht, wenn du testamentlos

Gehest zum Mahl, ja der Tode so viele drohn, wie in der Nacht,

Welche vorüber dich führt, dort aufstehn wachende Fenster.

Hoffe daher und trage dich hin mit dem kläglichen Wunsche,

Daß sie sich mit dem Erguß geräumiger Becken begnügen.

Einer, berauscht und frech, der just Niemanden geprügelt,[89]

Fühlt sich gestraft, er erduldet die Nacht des Peliden, der trauernd

Weint um den Freund, er liegt bald rücklings, bald auf dem Antlitz.

Anders vermag er daher nicht einzuschlafen. Bei Manchen

Fördert den Schlummer ein Streit. Doch obgleich muthwillig durch Jugend

Und durchglühet von Wein, dem bleibet er fern, den zu meiden

Scharlach-Läna gebeut und ein mächtiger Zug der Begleiter,

Viel hell flammende Fackeln dazu und die eherne Lampe.

Mich, den heim zu geleiten der Mond pflegt oder ein Stümpfchen

Kerze, von welcher den Docht ich mir eintheil', um ihn zu schonen,

Scheuet er nicht. Hör' an den Beginn des erbärmlichen Streites,

Ist das Streit, wo allein du schlägst, ich Schläge bekomme.

Vor mir steht er, und heißet mich stehn: ich muß ihm gehorchen;

Denn was thätst du, wenn dich solch Wüthender zwinget und ist er

Stärker? ›Wo kommest du her? wer hat,‹ so schreit er, ›mit Essig,

Wer mit Bohnen den Bauch dir gefüllt? welch Schuster verzehrte

Schnittlauchblätter mit dir und das Maul des gesottenen Hammels?

Nichts antwortest du mir? gleich sprich, sonst fühle die Ferse!

Sage, wo ist dein Stand, wo im Bethaus such' ich dich Juden?‹

Ob du ein Wort zu erwidern versuchst, ob stumm du zurückweichst,

Ist gleichgiltig; man gibt die nämlichen Schläge, man heischt dann

Bürgschaft zornig von dir; das ist des Dürftigen Freiheit:

Er, den man prügelte, fleht, es beschwört der mit Fäusten Zerschlagne,

Daß ihm von hinnen zu gehn mit wenigen Zähnen erlaubt sei.[90]

Und doch fürchte du nicht bloß das, denn, der dich beraubet,

Wird nicht fehlen, sobald nach Verschluß der Gebäud' in den Läden

Jegliche Fuge versperrt und verkettet ist, und es still ward.

Manchmal führt mit dem Stahl auch ein plötzlicher Räuber das Werk aus.

Während man schützend besetzt durch bewaffnete Schaaren der Wächter

Hält den Pomptinischen Sumpf und die Gallinarischen Fichten,

Laufen sie alle von dort, wie zu Wildeinhägungen, hierher.

Wo macht Ketten von Wucht nicht Amboß fertig und Ofen?

Eisen verbraucht man zumeist zu Fesseln, daß du besorgtest,

Mangeln müßte der Karst und die Pflugschar, fehlen die Hacke.

Nenne die Ahnen beglückt von den Urureltern, beglücket

Die Jahrhunderte auch, die Rom, als Könige herrschten

Und Tribunen, genügt einst sahn mit einem Gefängniß.

Hierzu könnt' ich noch mehr und noch andere Gründe dir fügen,

Aber das Zugvieh ruft und die Sonne neiget sich, fort heißt's;

Denn es winkte mir längst mit geschwungener Gerte der Fuhrmann.

»Lebe denn wohl, sei meiner gedenk, und so oft dich die Hauptstadt,

Suchst du Erholung auf, zurückgibt deinem Aquinum,[91]

Rufe sodann auch mich zur Helvinischen Ceres aus Cumä

Und zur Diana: ich will, wenn nicht sie sich schämen, gestiefelt

Deinen Satiren zu Hülf' in den kühleren Fluren er scheinen.«


Quelle:
Des Decimus Junius Juvenalis Satiren. Stuttgart 1863, S. 70-92.
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