26. Der Hühnerhund.

[153] Der alte Fritz sass einmal des Abends mit seinem Feldmarschall gemütlich beisammen. Sie sprachen von diesem und sprachen von jenem und kamen endlich auch auf die Schwatzhaftigkeit der Weiber. »Das mag schon recht sein,« sagte der alte Fritz, »dass sie zumeist den Mund nicht halten können; aber Ausnahmen giebt's denn doch! Ich wette zehntausend Thaler, dass meine Frau ein Geheimnis, das sie zu wahren versprochen hat, auch hält.« – »Und ich wette zehntausend Thaler dagegen,« erwiderte der Feldmarschall, »dass selbst meine allergnädigste Frau Königin nicht zu schweigen vermag.« Die Wette wurde durchgeschlagen, und der Feldmarschall verliess den König.

Am andern Morgen ging er Uhr acht oder neun, die Flinte auf dem Rücken, doch ohne Hund, vor das Thor, um nachzusinnen, wie er es anzufangen habe, die Wette zu gewinnen. Indem kam er bei einem See vorbei, aus dem eine Kette Enten aufstieg. Hast du nicht gesehen, hatte er das Gewehr von der Schulter; er legte an, drückte ab, paff! ging der Schuss los, und der Erpel, der die Kette führte, stürzte in das Wasser. Wie aber jetzt ohne Hund den Vogel aus dem Wasser bekommen? In seiner Not erblickte der Feldmarschall am Ufer ein Mädchen, das seine Gänse hütete. »Kind,« sagte er und winkte es zu sich heran, »hier hast du einen Thaler, steig in das Wasser und hol mir den Erpel heraus!« – Das Mädchen nahm den Thaler, that ohne viel Bedenken die Kleider von sich, ging in den See und brachte dem Feldmarschall den geschossenen Vogel.[153]

Weil das Mädchen nun schön von Gestalt und alt genug an Jahren war, dass es heiraten konnte, sprach er zu ihm: »Komm morgen Abend zu mir in die Stadt, es soll dein Glück sein!« Das Mädchen dankte ihm für den Thaler und sagte ihm zu, dass es kommen werde. Der Feldmarschall ging darauf in die Stadt zurück und wartete des Amtes, das er an des Königs Hof zu verwalten hatte. Dabei sah er jedoch immer nachdenklich und träumerisch vor sich hin, schlug sich auch öfter vor den Kopf, wie einer, den tiefe, schwere Gedanken beunruhigen. Das sah die Königin, und neugierig fragte sie: »Was ist Euch, Feldmarschall? Ihr seht ja so trübselig aus?« – »O nichts, Frau Königin,« erwiderte der schlaue Fuchs, »mir fehlt gar nichts.« Die Königin wurde dadurch nur um so neugieriger und drang in ihn, bis er ihr Rede stand; doch musste sie ihm zuvor einen teuren Eid schwören, ja ihren Mund in der Sache zu halten. »Frau Königin,« so hub er an, »heute ist's mir sonderbar ergangen! – Mein Hühnerhund hat's mir angethan; und wenn ich nicht gar so alt wäre, ich nähme ihn selbst zur Frau; so aber will ich ihn mit einem braven Soldaten verheiraten.« – »Ihr werdet doch nicht solch grosse Sünde thun!« rief die Königin erschrocken; aber der Feldmarschall antwortete: »Daran ist jetzt nichts mehr zu ändern; morgen Abend gebe ich ein grosses Gastmahl, an dem alle unverheirateten Gefreiten, Fähnriche, Feldwebel, Wachtmeister, Hauptleute, Oberstwachtmeister und Obersten und, wie sie noch heissen mögen, teilnehmen müssen, und einer von ihnen erhält meinen Hühnerhund zur Frau.« Die Königin versuchte noch einmal, ihn von seinem gottlosen Vorhaben abzubringen; als aber all ihr Reden nichts half, kehrte sie dem Feldmarschall zornig den Rücken und ging davon.

Zwei ganze Stunden hielt sie es aus. Da ward ihr das Herz zu enge, und sie schüttete es ihrer Kammerjungfer aus, nachdem dieselbe ihr heilig versprochen, mit niemandem von des Feldmarschalls ruchlosem Plane zu sprechen. Die Kammerjungfer hatte nun längst ihr Augenmerk auf einen Wachtmeister geworfen, fürchtete, des Feldmarschalls Hund möge ihr den Rang ablaufen und nahm darum den Liebsten scharf ins Gebet, dass er sich ja nicht unterstehe, den Hühnerhund zu heiraten. Der Wachtmeister erzählte es den Feldwebeln und Fähnrichen; die brachten es unter die Hauptleute, und von da kam die Geschichte vor die Oberstwachtmeister und Obersten, und das Ende vom Liede war: als der Feldmarschall das Gastmahl gab, seine Stimme erhob und in Gegenwart des Königs sagte, er habe einen wunderschönen Hühnerhund, den würde er freien, wäre er nicht zu alt dazu, und darum wolle er ihn einem der Herren zur Frau geben, da sprachen alle einstimmig, sie dankten für die Ehre, möge er eine so grosse Sünde auf sein Gewissen nehmen, sie thäten es nimmermehr.

Nur der Gefreite, der ganz unten an sass, war anderer Meinung; er stand auf und sprach: »Was der Herr Feldmarschall für sich nicht zu schlecht hält, das wird für mich noch dreimal gut sein.« Kaum hatte er die Worte zu Ende gebracht, da öffnete der Feldmarschall[154] die Thüre, und das schöne Mädchen trat herein. Als die Herren die Jungfrau sahen, riefen die Obersten den Oberstwachtmeistern und die Oberstwachtmeister den Hauptleuten zu, was sie ihnen denn vorgeredet hätten, und die Hauptleute zankten auf die Fähnriche und die Fähnriche auf die Feldwebel und Wachtmeister, und diesen wieder musste der Liebste der Kammerjungfer herhalten. Der wollte sich nun rechtfertigen und berief sich auf seine Braut, und als diese herein gerufen war, beichtete sie, dass der Königin Reden sie so sehr in Angst gesetzt hätten, dass sie für ihren Bräutigam in Sorge gewesen sei.

Jetzt erzählte der Feldmarschall, wie alles gekommen war, und der alte Fritz musste sich besiegt erklären und rief seinen Schatzmeister, dass er die zehntausend Thaler bringe. Als derselbe mit dem goldgefüllten Beutel hereintrat, schüttete der Feldmarschall die Dukaten der schönen Gänsemagd in den Schoss, und nun wurden die Feldwebel, Wachtmeister, Fähnriche, Hauptleute, Oberstwachtmeister und Obersten erst recht zornig, wie sie sahen, dass die Jungfer ausser der Schönheit dem Gefreiten noch das viele Geld in die Ehe brachte. Die aber heirateten sich und lebten glücklich und zufrieden ihr Leben lang, und wenn sie nicht gestorben wären, lebten sie heute noch.

Quelle:
Ulrich Jahn: Volksmärchen aus Pommern und Rügen l, Norden/Leipzig 1891, S. 153-155.
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