47. Schmied Siegfried und der Teufel.

[252] Sankt Peter ritt einmal auf seinem Esel durch die Welt. Da verlor Grautierchen die Eisen, und Sankt Peter hielt vor Schmied Siegfrieds Thüre, um den Esel wieder beschlagen zu lassen. Schmied Siegfried verstand sein Handwerk und legte dem Tier vier Eisen unter, dass Sankt Peter ihn loben musste. »Geld habe ich nicht,« sprach er, »aber ich gebe dir etwas Besseres. Thu drei Wünsche, sie sollen erfüllt werden, so wahr ich Sankt Peter bin.« Antwortete Schmied Siegfried: »Drei Wünsche? Das lässt sich hören. Was wünscht man sich aber gleich? – Je nun, ich weiss etwas: Ich habe einen Birnbaum vor der Thür. Spreche ich nun zu jemand: Auf den Birnbaum herauf! so muss er oben sitzen bleiben, bis ich rufe: Nun komm herunter!« Sagte Sankt Peter: »Der Wunsch ist erfüllt; ich dachte aber, du würdest dir etwas anderes wünschen. Vergiss nur das Beste nicht!« Schmied Siegfried kehrte sich aber nicht an sein Reden, sondern sagte: »Ich will einmal schauen, ob du mich auch nicht übers Ohr gehauen hast?« Dann rief er den Altgesellen aus der Schmiede und sprach: »Jochem, auf den Birnbaum herauf!« Und richtig der Gesell musste auf dem Birnbaum bleiben, bis der Meister gerufen hatte: »Nun komm herab!«

»Das gefällt mir, Sankt Peter,« sagte Schmied Siegfried, »und ich wünsche mir als zweiten Wunsch, wenn ich spreche: Setz dich auf meinen Grossvaterstuhl! so muss jedermann dort sitzen bleiben, bis ich ihn wieder aufstehen heisse.« – »Der Wunsch ist noch thörichter, wie der erste,« meinte Sankt Peter, »vergiss nur das Beste nicht! Einen Wunsch hast du nur noch.« – »Stimmt,« erwiderte Schmied Siegfried, »da muss ich einmal ordentlich nachdenken,« und kratzte sich hinter den Ohren. »Jetzt hab' ich's gefunden!« rief er endlich; »Wenn ich zu irgend jemand sage: In meinen alten Ranzen hinein! so muss er so lange darin bleiben, bis ich ihn herauskriechen lasse.« – »Narr!« sagte Sankt Peter, »auch der Wunsch soll dir gewährt werden. Aber das Beste hast du vergessen. Du hättest dir die ewige Seligkeit wünschen müssen.« Sprach's und ritt auf seinem Esel von dannen.

Der Tod hatte von dem Handel gehört, den Schmied Siegfried[252] mit Sankt Peter gehabt, darum hütete er sich, ihn zu besuchen. »In den Himmel darf er nicht hinein,« sprach er, »gut, so mag ihn der Teufel selber holen, wenn er ihn in die Hölle gebracht haben will.« Daher kam's, dass Schmied Siegfried über hundert Jahre alt ward, dass er alle seine Verwandten, seine Kinder und Kindeskinder, ja selbst seine Urenkel überlebte, ohne dass er siech an Leib oder Seele geworden wäre. – Er hatte gerade seine fünfte Frau begraben, da sagte Jenner in der Hölle: »Wo bleibt eigentlich Meister Siegfried, der Schmied? Der müsste doch schon längst bei uns sein.« Und ein junger Teufel ward abgesandt, um den Meister zu holen. Als er in die Schmiede trat, fragte Meister Siegfried nach seinem Begehr. »Ich bin der Teufel und will dich holen,« lautete die Antwort. »Aha, Jenner!« schmunzelte der Schmied; »Darf ich bitten, lieber Jenner, den Birnbaum herauf!« Und da sass er schon oben und wusste nicht, wie er hinauf gekommen war.

»Jetzt an die Arbeit!« befahl Schmied Siegfried, und die Gesellen mussten eine lange Stange schmieden, die ward an der Spitze glührot gemacht. Dann ging der Schmied mit ihr in den Garten und bohrte von unten dem Teufel ein Loch über das andere ins Fleisch, dass man sein Heulen und Wehklagen zehn Häuser weit hören konnte. »Lasst mich los, lasst mich los, lieber Meister,« schrie er, »ich will auch nie wieder Euch holen kommen!« – »Giebst du's auch schriftlich?« fragte Schmied Siegfried. »Gewiss, lasst mich nur los.« Und der Teufel unterzeichnete oben auf dem Baume ein Schriftstück, dass er den Siegfried nie holen werde. Dann sagte der Schmied: »Nun komm herunter!« und – hast du nicht gesehen – fuhr Jenner in die Hölle zurück.

Nach hundert Jahren schickte der Teufel abermals einen Boten, welcher Schmied Siegfried holen sollte. »So so, wieder aus der Hölle?« fragte der Meister; »Na, setz dich nur in meinen Grossvaterstuhl an den Ofen.« Dann wurde Holz über Holz in den Schweef (Kamin) gethan, dass dem armen Jenner das Fett vom Leibe troff und er ganz schwarz gebrannt wäre, wenn er nicht schon ohnehin wie ein Rabe ausgesehen hätte. »Liebster, bester Meister, lasst mich los,« jammerte er, »hier ist's ja noch zehnmal heisser, als in der Hölle!« – »Warum lasst ihr mich nicht in Frieden,« brummte Schmied Siegfried und legte einen neuen Pack Holz in den Ofen. »O, Jammer und Weh,« schrie Jenner, »lasst mich doch laufen, ich besuch' Euch auch nimmermehr!« – »Gieb's schriftlich, alter Schalk,« sprach Schmied Siegfried, holte Schreibzeug und Papier, und auch der zweite Teufel schrieb, dass er den Meister nie holen werde.

Nochmals vergingen hundert Jahre, da sandte der Teufel den dritten Boten aus, der musste aber schon mit Gewalt auf die Beine gebracht werden, so sehr hatten ihm die beiden andern bange gemacht. Er gedachte nun, es recht listig anzufangen und Schmied Siegfried von hinten zu fassen. Aber er war an den Unrechten gekommen, Meister Siegfried hatte ihn längst bemerkt und sprach: »In den Ranzen hinein!«[253] Da musste sich der Teufel klein machen und in den alten schmutzigen Ranzen kriechen. »Nun auf den Amboss mit ihm, Gesellen!« rief Schmied Siegfried, und als der Ranzen auf dem Amboss lag, schlugen sie zu fünfen mit den schweren Eisenhämmern auf ihn ein. »Habt Erbarmen!« schrie der Teufel; aber Meister Siegfried hatte taube Ohren und hiess die Gesellen immer kräftiger schlagen. Endlich wurden sie der Arbeit müde, und der Teufel erhielt unter denselben Bedingungen, wie seine beiden Genossen, die Freiheit zurück.

Lange Jahre lebte Schmied Siegfried jetzt ungestört, da ward er des Lebens überdrüssig und sehnte sich, dass er zu Gnaden käme. Er schnallte sein Bündel, setzte sich den Hut auf, nahm den schweren Schmiedehammer in die Hand und pilgerte den steilen Weg zur Himmelspforte herauf. Oben sass Sankt Peter und sprach zu ihm: »Hier ist seines Bleibens nicht, Meister Siegfried, er hat ja den besten Wunsch vergessen.« Dann schlug er ihm die Himmelsthür vor der Nase zu. »Das ist übel,« sagte Schmied Siegfried, »dann muss ich mein Heil in der Hölle versuchen.« Sprach's und stieg den Weg hinab und wandelte so lange, bis er zur Hölle gelangte. »Heda, aufgemacht!« rief er und schlug mit dem Hammer an das Thor, dass es krachte. Ängstlich schob ein Teufel die Riegel zurück und steckte seine lange Nase heraus. Schnell hatte Meister Siegfried auch schon einen Nagel zur Hand und schlug ihn durch die Nase hindurch und heftete den Teufel an den Thürpfosten fest.

Jenner erhub ein Mordsgeschrei. Da kamen die drei Teufel gelaufen, welche den Meister hatten holen sollen, und als sie ihn erkannten, rissen sie ihren Genossen in die Hölle zurück und verriegelten das Thor fest, damit Schmied Siegfried ja nicht herein käme. »Also in der Hölle will man mich auch nicht haben,« seufzte er, »was gilt's, ich will bei Sankt Peter mein Heil noch einmal versuchen!« –

Als er wieder oben war, liess ihn Sankt Peter scharf an; er war aber reumütig und bat nur um das eine, Sankt Peter möge die Himmelsthüre ein klein wenig öffnen, damit er von der Pracht und Herrlichkeit bei den lieben Engeln etwas sehe. Kaum hatte Sankt Peter seiner Bitte gewillfahrt, so warf Meister Siegfried seinen alten Hut durch die Ritze, dass er weit in den Himmelssaal hineinflog. Dann sprach er: »Liebster Sankt Peter, meinen Hut trag' ich nun schon viele hundert Jahre. Wo mein Hut ist, da lass mich auch sein!«

Da lachte Sankt Peter und liess Schmied Siegfried hinein, und seit dem lebt er bei den lieben Englein im Himmel.

Quelle:
Ulrich Jahn: Volksmärchen aus Pommern und Rügen l, Norden/Leipzig 1891, S. 252-254.
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