1. Apollo und Bellona

Ein Göttergespräch.1


Bellona.


Wenn meine Helden sich jetzt nach dem Pindus ziehn,

Gestatt', Apollo, nicht, daß deine Söhne fliehn;

Wir haßten uns vordem, da nur noch Wilde kriegten,

Und Riesen, ohne Kunst, durch Faust und Stärke siegten:

Wodurch der schwache Mensch die stärkern Thiere zwingt,

Verstand und Wissenschaft, ist was den Sieg jetzt bringt.

Drum bleibet ungestört, und sicher bey Bellonen;

Denn Waffen, die ihr schärft, die müssen euch verschonen.


Apollo.


Gern wünscht' ich, wär der Mensch des Himmels Güte werth,

Und würde nur durch mich zu seinem Wohl gelehrt!

Doch meine Gaben selbst sind ihm ein Gift geworden,

Er fand durch Witz und Fleiß die Wissenschaft zu morden.


Bellona.


So hart benenne nicht das, was die Staaten schützt,

Von Fürsten Recht erzwingt, und ihre Thronen stützt.


Apollo.


Zuweilen - öfter stürzt - und - doch laß uns nicht streiten.

Muth, wenn Gefahren drohn, Verstand, den Muth zu leiten,[111]

Dies beydes ward durch uns dem Sterblichen verliehn,

Mißbraucht er das Geschenk, so fällt die Schuld auf ihn.


Bellona.


Kein Mißbrauch ist es doch, allein nach heil'gen Rechten

Gewalt nur widerstehn, für Volk und Freyheit fechten.


Apollo.


So wie Georg jetzt thut.


Bellona.


Längst hab' ich ihn gekennt.


Apollo.


Gerechtigkeit und Macht sind nie bey ihm getrennt.


Bellona.


Ihn sah Germanien ein theures Leben wagen,

Um zu Theresens Schutz den Gallier zu schlagen.


Apollo.


Mehr als der Gallier Theresen da gedroht,

Droht er Georgen jetzt, und das auf ihr Gebot!


Bellona.


Nach andern Gründen oft, als weise Menschen richten,

Befiehlt die Vorsicht mir, der Großen Streit zu schlichten;

Gern schütz' ich doch das Recht: denn giebt mir ihre Hand

Kein kostbarer Geschenk, als einen Ferdinand.

Aus Ländern, wo ihr Heer die Beute ruhig theilte,

Flohn die Eroberer, eh' sie sein Stahl ereilte;

Und dreymal stärkre Macht, die voller Sicherheit,

Ihn zu verfolgen glaubt, ward schnell von ihm zerstreut;

Zu stolz auf eine Kunst, wo Niemand ihr soll gleichen,

Lernt sie des Deutschen Muth und seiner Kriegskunst weichen.


Apollo.


Auch das sprich noch von ihm: der Held, der menschlich denkt,

Klagt, daß sein siegreich Schwert im Menschenblut sich tränkt;

Beruhigt, nur weil es Cheruscien beschützet,

Und, wie das Schwert Armin's, für Deutschland Freyheit blitzet.


Bellona.


Ja, Rhein und Weser sehn noch Legionen fliehn;

Im Ferdinand und Carl verdoppelt sich Armin.


[112] Apollo.


Doch Denen, die durch dich ihr Land zu schützen brennen,

Willst du der Siege Frucht, die Ruh', nicht einmal gönnen?


Bellona.


Ich hab' es schon gesagt, der Vorsicht Dienerinn,

Da, wo sie mir befiehlt, führ' ich die Meinen hin:

Auch braucht, wer mich verehrt, des Friedens stille Zeiten,

Er sammelt Kräfte sich, und lernt die Kunst zu streiten.


Apollo.


Und dir ist diese Zeit, die man schon längst nicht sah,

Die Kräfte sammeln läßt, entkräftet Deutschland, nah.

Der Fürsten würdigstem schenkt ein verlängert Leben

Das Glück, zum zweytenmal Europen Ruh' zu geben.

Froh wird Cheruscien den frohen Vater sehn,

Und Völkern, die für ihn erhört zum Himmel flehn,

Wird er zwar einstens spät, und stets noch früh verschwinden,

Doch Enkel werden ihn im Enkel wieder finden.

Fußnoten

1 Zu Göttingen im November 1759 gedruckt. Einige Studirende führten damals ein Schauspiel auf, wozu ich um einen Prolog ersucht ward. Ich wählte diesen Inhalt, weil die Aufführung an K. Georg II. Geburtstage geschah.


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 109-113.
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