|
[12] Großes Zimmer im Schlosse zu Sigeth. Im Hintergrunde zwei Bogenfenster.
Eva und Helene aus der Thüre links.
Helene eilt furchtsam auf die Fenster zu und schaut hinunter.
EVA.
Was ängstigt dich? Was hast du, liebe Tochter?
HELENE.
Ach, gute Mutter! böse, böse Ahnung!
Weiß ich's denn selbst? – Mir ist so ängstlich hier –
Ein Wetter ist im Anzug über uns. –
Sieh nur, die stille Burg ist wie verwandelt,
An jeder Ecke steht ein kleiner Haufen,
In großer Spannung ist das Volk. Die Führer
Durchschwärmen laut das ganze Schloß. Ach Gott!
Was wird das geben?
EVA.
Tröste dich, mein Kind!
Ein kleiner Streifzug, weiter nichts, gewiß.
Wir sind an diese Dinge ja gewöhnt.
HELENE.
Nein, teure Mutter, nein, hier gilt es mehr! –
Den Lorenz fand ich atemlos im Saale,
Er kam bestaubt den Wendelstieg herauf.
Du weißt es, Mutter, wie er mit Entzücken
Mir stets entgegentritt, manch süßes Wort
Von seiner Liebe, seiner Hoffnung plaudert;
Heut stürmt' er grüßend nur an mir vorbei,
Und als ich nachrief: »Juranitsch! Was ist dir?«
So winkt' er mir: »Es gilt den Dienst, vergib mir!
Mein Herz ist dein, die Zeit verlangt der Kaiser.«
Und drauf verschwand er in des Vaters Thür.
Und wie ich jetzt durchs Kammerfenster schaute,
Warf er sich eben wieder auf das Roß
Und jagte wie die Windsbraut aus dem Schlosse.
EVA.
Macht dich das ängstlich? Mädchen, sieh mich an!
Du bist in dem Getümmel aufgewachsen
Und warst ja sonst nicht also scheuer Art! –
Helene, du wirst rot –
HELENE ihr in die Arme fallend.
Ach, gute, liebe Mutter!
EVA.
Nun, Kind, du brauchst nicht zu erröten. Liebe
Zu einem Heldenjüngling ehrt die Jungfrau.
Die stillen Knospen, die die zarte Brust
In ihres Frühlings Träumen noch verborgen,
Die brechen wunderherrlich auf zur Blüte,
Wenn, längst verkündet durch der Sehnsucht Dämmern,[13]
Die Sonne in der Seele tagt und Liebe
Die zugeschloßnen Kelche aufgeküßt.
HELENE.
Du bist so gut!
EVA.
Und sollt' ich's denn nicht sein?
Du ahnest nicht, wie es mich glücklich macht,
Des eignen Frühlings längst verträumte Freude
Verjüngt zu sehn in meiner Tochter Glück,
Der ersten Liebe heimlich still Erwachen,
Des düstern Lebens einz'gen Sommertag
In dir zum zweitenmale zu begrüßen!
Ach, diese Zeit kehrt uns nur so zurück,
Nur in der Kinder Glück kehrt sie uns wieder!
HELENE.
Weiß denn der Vater? –
EVA.
Er vermutet's wohl,
Denn keine Meister seid ihr im Verstellen;
Der kleinste Zwang wird ja der Liebe schwer.
HELENE.
Hat er gescholten?
EVA.
Würd' ich dann so ruhig,
So heiter mit dir sprechen, liebes Kind?
»Ich suche mir den Eidam« – sprach er einst –
»Ungern unter den Fürsten dieses Landes;
Aus seinen Helden wähl' ich mir ihn aus.«
Und Juranitsch steht hoch in seiner Liebe.
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter! ach, wie glücklich, ach,
Wie selig machst du heute deine Tochter!
Wohl ist's ein köstliches Gefühl, die Liebe;
Ich schaudre oft vor all dem Glück zurück;
Doch, ohne Vater-, ohne Muttersegen
Versöhnt kein Frieden diesen wilden Sturm.
Mild muß die Sonne sein, wo Blüten reifen,
Der Tau muß perlen, und der Zephyr wehn;
Doch, wo der Tag heißflammend niederglüht,
Versiegt der Quell, und gift'ge Winde brausen
Zerstörend über die versengte Flur.
EVA.
Da kommt der Vater, sieh!
HELENE.
Gott sei gedankt!
Er scheint mir ruhig.
EVA.
Sahst du ihn je anders?
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
|
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro