Fünfter Auftritt.

[24] Hochfeld. Faustin.


HOCHFELD. Schon gut – schon gut – Verzweifelt auf und nieder gehend. Es ist ein verdammter Zufall – gerade heute – gerade heute – wo bei mir so ein glänzendes Fest stattfindet, muß er kommen – er – der schwarze Fleck in der Sonne meines Stolzes! – Aber er darf auf dem Balle nicht erscheinen, er darf nicht! – Ich muß alles aufbieten Er klingelt. ja so – du bist ohnehin da, tritt näher, lieber Faustin!

FAUSTIN. Na, ohne Ihnen zu nah' zu treten, muß ich Ihnen sagen, gnädiger Herr! daß das das letzte Mal war, daß Sie mir geläutet haben –

HOCHFELD. Wieso?

FAUSTIN. Weil jetzt die ganze Welt weiß, wie viel es geschlagen[24] hat, und da verbiet' mir mein pointe d'honneur länger in dem Dienst zu bleiben –

HOCHFELD. Faustin!

FAUSTIN. Sehns, gnädiger Herr! mir ist leid um Ihnen – Sie haben bisher den blutigen Fleck, der auf Ihrer Herkunft lastet, mit aller möglichen Noblesse bedeckt – aber das persönliche Erscheinen des Herrn Bruders hat dem Faß den Boden ausgeschlagen!

HOCHFELD. Es ist eine verzweifelte Geschichte, du hast wohl recht –

FAUSTIN zutraulich. Gnädiger Herr, glauben Sie mir, ich fühle Ihre Leiden! Ich sehe, was Sie ausstehn!

HOCHFELD drückt ihm die Hand, mit einem Seufzer. O Faustin –

FAUSTIN. Aber das werden Sie doch einsehen – daß ich mich nicht herablassen werde, ein – nehmens mir nicht übel, aber 's ist 's rechte Wort – einen Bauern zu bedienen?

HOCHFELD für sich. Wenn der aus meinen Diensten geht, so plaudert er's noch mehr in der ganzen Stadt aus – ich muß ihn zu halten suchen! Laut. Aber sieh nur, Faustin! das wird ja alles anders werden – und gerade dich habe ich als Mittel zu diesem Zwecke erwählt –

FAUSTIN. Mich –?

HOCHFELD. Du hast Takt – Feinheit – mit einem Worte – du bist ein nobler Kerl.

FAUSTIN. Dieses schöne Selbstbewußtsein habe ich –

HOCHFELD. Mein Bruder muß heute aus dem Wege geschafft werden –

FAUSTIN erstarrt. Was –?

HOCHFELD. Ich meine, er muß abgehalten werden, sich in unseren Zirkel zu drängen –

FAUSTIN. Ah so! Ich habe schon geglaubt, Sie wollen mich behufs Brudermordes zu einem italienischen Banditen machen.

HOCHFELD. Warum nicht gar – mein Bruder will spazieren gehn – die Stadt besichtigen – du mußt ihn begleiten –

FAUSTIN. Was? ich – hinter dem Bauernvolk hergehn? Ha! diese Zumutung! Auf Ehre – wenn das Duell nicht so streng verboten wäre, so würde ich Sie jetzt – Er greift nach der Seite, auf der der Degen getragen wird, dann sich besinnend. Ihr Glück daß ich im Zivil bin.[25]

HOCHFELD. Aber Narr! Du sollst nicht hinter ihm gehen – neben ihm – als ob er deinesgleichen wäre –

FAUSTIN stolz. Ja, wenn er meinesgleichen wäre. Aber er, er ist Viehhändler, und wenn ich neben ihm gehe, wofür werden mich die Leute ansehen?

HOCHFELD. Wenn dich jemand fragt, kannst du ja sagen, er wäre ein Verwandter von dir –

FAUSTIN. Aber ein sehr – sehr weitschichtiger!

HOCHFELD. Also du gehst mit ihm, führst ihn recht weit bis spät abends, zeigst ihm dann irgend ein neues Gasthauslokal – beredest ihn, hineinzugehen –

FAUSTIN. Na, in ein Wirtshaus wird er doch hineinzubringen sein, sonst müßt' er ja gar in der Kultur um einige Jahrhundert zurück sein –

HOCHFELD. Dort läßt du auftischen Er gibt ihm Geld. spare kein Geld – sage, es geschähe auf meinen Wunsch –

FAUSTIN. Bon!

HOCHFELD. Und sieh, daß du ihn bis zwölf Uhr nachts zurückhältst – diese Stunde ist die Ruhestunde auf meinem Ball – dann führst du ihn und sein Weib auf der Hintertreppe in das kleine Gastzimmer, und siehst du, daß er schnell zu Bette komme – ermüdet von der Reise, wird er bald einschlafen – und so sind wir für heute sicher vor jeder Störung!

FAUSTIN. Hm! Der Plan ist nicht übel – meinetwegen! Aber morgen müssen Euer Gnaden schauen, daß er für immer fort kommt – entweder ich oder er – diese Alternative stell' ich –

HOCHHEIM. Ja, ja, wir werden schon sehen – also ich verlasse mich ganz auf deine Klugheit – ich muß nun hinüber – es könnten neue Gäste gekommen sein, die ich empfangen muß.

BEIDE gehen ab.


Verwandlung.


Prächtig dekorierter Tanzsaal,

Kandelaber in den Ecken, reiche Lüster mit vielen Lichtern – seitwärts eine Tribüne für das Orchester.

Dienerschaft ist eben mit dem Arrangement beschäftigt.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 24-26.
Lizenz:
Kategorien: