Siebenter Auftritt.

[26] Robert. Klotilde.


KLOTILDE seufzt. Ach Gott! Bis ich mich wieder in all das vornehme Wesen hineinfinden werde.

ROBERT. Aber Sie freuen sich doch wohl auf den neuen Putz, womit Sie sich nun schmücken werden?

KLOTILDE. O Gott, i wollt, 's passet ma gar kans von die vornehmen Klader! Sich bemeisternd. Verzeihen Sie, Herr von Wellenschlag.[27]

ROBERT. Wie? Sie ziehen also diese Kleidung vor –

KLOTILDE. Ja, schauns – Sie mögen mich auslachen, aber das städtische Wesen ist mir seit den zehn Jahren, die ich bei meinem lieben Vetter so glücklich zubrachte, ganz fremd geworden. Es geht mir mit den Kleidern, wie mit der Sprache Wieder österreichisch. ich werd' mich nicht z'rechtfinden können, mir geht halt gar nichts übers echte oberöstreichsche, 's hat halt an ganz andern Klang –

ROBERT. Sie haben recht – es spricht so zum Herzen.

KLOTILDE. Aber Sie reden ja selbst so hochdeutsch, so rein –

ROBERT. Je nun, hier in unsern Zirkeln muß ich wohl – aber ich habe bisher jeden Sommer in den Gebirgsgegenden Oberösterreichs zugebracht, auf Gütern von Bekannten – und ich fühle mich nirgends so heimisch als dort – die liebe herzige österreichische Sprache tut mir so wohl –

KLOTILDE. Was – da könnt' ich ja nachher mit Ihnen ganz ungeniert reden?

ROBERT. O ich bitte Sie, tun Sie das, Sie glauben nicht, wie lieb mir diese Sprache gerade aus Ihrem Munde klingt –

KLOTILDE. So ist's recht. Lachend. Und i hab' mir grad so viel Zwang antan, weil i g'furchten hab', daß Sie mi auslacheten – Schauns! Jetzt ist mir mit einmal wieder so wohl – wann i hochdeutsch reden soll, ist's mir alleweil, als wann mich der Schuh drucket. – Bei mein Vetter im Oberlandl da hab' i reden und tun können, was i g'wollt hab' – und drum bin i a dort so g'sund wurn und so frisch. – In aller Fruh bin i nauf auf'n Berg – o 's ist a schöne Gegend durt! Wie da d' Lauber tröpfelt hab'n, und der Tau blitzt hat, und der Tanawald so frisch und kräfti g'schmeckt hat – da hab' i a Lieblingsplatzl g'habt, wo i d' Sunn gar oft hab' aufgehn g'sehn. Unter mir d' Donau, die nach Wien abagrunnen ist – o Herr! Schauns, wie i weit davon weg war, hab' i mei Vaterstadt no viel lieber g'habt als jetzt, wo ich mitten drinat bin – da hab' i in die Gegend g'schaut, wo's liegt, und hab' an meine Eltern denkt und an alle, die i dort lieb hab', und hab' für sie bet' – o Herr! Herr! Ma kann in keiner Kirchen so[28] frumm beten, als dort auf'n Berg, so nah dem blauen Himmel, und mitten unter die grean Tanabam!

ROBERT hingerissen ihre Hand fassend. Glückliche Einfalt! Sie würden also ein Leben in ländlicher Zurückgezogenheit dem Glanze der Stadtwelt vorziehen?

KLOTILDE. O gewiß! Gott behüt mi vor dem Unglück, a vornehme gnädige Frau wern z' müssen, wann i anmal heirat, denn Seufzend. heiraten muß i doch – und – Wieder seufzend. o mein, ein' Herrn aus der Stadt, hat der Vetter g'sagt –

ROBERT. Und die Stadtherrn sind Ihnen also so zuwider –

KLOTILDE verlegen. Na – schauns – das heißt – Für sich, Robert von der Seite anblickend. der da war vielleicht noch der einzige –

ROBERT ihre Hand fassend. Also – einen Stadtherrn könnten Sie durchaus nicht lieben?

KLOTILDE will sich sanft losmachen. Na – ich mein – ich mein Fast unwillig. wann auch i ein recht gut sein könnt – die Stadtherrn wissen ja gar nicht, was recht gut sein ist – hab's ja schon g'sehn. Nachahmend. Mein Fräulein! Meine Göttin – ich bete Sie an – Sie allein – ewig! – Und 's ist ka Wort davon wahr! Da machens es droben am Land ganz anderst, wann a Bua sagt: O mein Dearndl, ich bin dir so gut – so gut, i kann nit sein ohne dir – da liegt mehr Lieb drin, als wann so an Stadtherr sich d' Gurgel wund redt!

ROBERT sie sanft an sich ziehend. Laß sehen, ob ich's nicht auch treffe. In österreichischer Mundart. Mein Dearndl! Was willst denn, was häst denn no gern – I steig aufi zum Himmel! und hol dir an Stern!

KLOTILDE freudig zurücktretend und die Hände zusammenschlagend. O mei, o mei! Sie reden mei Sprach, und so lieb – so lieb – und schaun so aufrichtig drein – o – ich bitt Ihnen, redens noch einmal a so – redens nur no a klans bissel so.

ROBERT. Aber was ich jetzt sage, ist wahr – wahr – ich schwöre es Ihnen! Aber – Sie müssen mir auch wahr darauf antworten.

KLOTILDE. Ja, ja, redens nur –[29]

ROBERT.

Mein Herz und mei Hand und a grundsichers Haus,

Das alles sollst habn – sag mei Dirn! schlagst es aus?

KLOTILDE sich vergessend, preßt beide Hände ans Herz und sagt beinahe weinend.

Dein Herz und dei Lieb? – Nachher red nichts vom Haus

Und wannst ganz allan stundst, i schlag di nit aus!


Sie fällt ihm an die Brust.


ROBERT plötzlich horchend. Horch – es kommt jemand –

KLOTILDE sich schnell losmachend. A dös ist recht fatal –

ROBERT. Ich werde während des Balls in Ihrer Nähe bleiben.

BEIDE stehen etwas verlegen.

REGINE kommt.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Stadt und Land oder Der Viehhändler aus Oberösterreich. Leipzig [1905], S. 26-30.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Historia von D. Johann Fausten

Historia von D. Johann Fausten

1587 erscheint anonym im Verlag des Frankfurter Druckers Johann Spies die Geschichte von Johann Georg Faust, die die Hauptquelle der späteren Faustdichtung werden wird.

94 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon