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Ihr nennt uns Träumer, Schwindler, junge Toren,

Wenn ehrlich wir nach Licht und Wahrheit streben:[53]

Ja, euren Namen habt ihr uns gegeben;

So merket auf mit hochgehobnen Ohren!


Wir haben uns bescheidentlich erkoren,

Dem Volk zu lichten nur dies ird'sche Leben:

Ihr laßt verhungernd es gen Himmel schweben!

Wer sind die Schwindler nun? – Ihr, alte Toren!


Und wenn die Sterne uns geheim erzählen

Von ew'gem Frühling, von Unsterblichkeit:

Was geht das euch denn an in unsrer Zeit?


Wir lassen uns das Sonnenlicht nicht stehlen

Noch unsre Lampe, die die Nacht erhellt:

Denn uns gehört die ganze, schöne Welt!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 53-54.
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