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[136] Ein Apfelbaum in voller Blüte steht,

Ein leichter West in seinen Zweigen weht;

Er schaut, verklärt vom blendendroten Schein,

Verwundert in den wilden Brand hinein.


Es ist, als ob der helle Glanz ihn freut',

Weil Blütenblätter in die Glut er streut;

Er atmet ein des Feuers heißen Hauch,

Durch seine Krone zieht der schwarze Rauch.
[136]

Da plötzlich langt herüber aus dem Brand

In seine Äste tief die Flammenhand:

Zu Kohlen brennt der schöne Blütenbaum –

Hin ist ein dichterlicher Lebenstraum!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 136-137.
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