5. Kapitel
Von der Würde des heiligen Sakramentes und vom Priesterstande.

[204] 1. Der Herr: Wenn du die Reinheit eines Engels und die Heiligkeit Johannes des Täufers hättest, so wärest du doch nicht würdig, dies Sakrament zu empfangen und zu konsekrieren. Denn das ist nicht Menschenverdienst, daß jemand das Sakrament Christi konsekriert und behandelt und das Brot der Engel genießt. Wahrhaftig, hier ist ein großes Geheimnis; hier erscheint der Priester in seiner Würde. Es ist ihm gegeben, was den Engeln nicht gestattet ist. Denn die Priester allein, die in der Kirche die rechte Weihe erhalten, haben die Gewalt, die Messe zu feiern und den Leib Christi zu konsekrieren. Zwar ist der Priester nur Diener Gottes, gebraucht nur das Wort Gottes nach Ordnung und Einsetzung Gottes; Gott ist es eigentlich, der hier als der vornehmste Urheber handelt und unsichtbar wirkt. Ihm ist alles untertan, was er will, ihm gehorcht alles, wie er befiehlt.

2. Du mußt also in diesem erhabensten Sakramente dem allmächtigen Gott weit mehr als dem eigenen Sinne oder dem Scheine eines sichtbaren Zeichens glauben. Und deshalb nahe dich mit aller Ehrfurcht zu dieser Handlung. Hab acht auf dich und bedenke es wohl, was für ein Amt dir durch die Handauflegung des Bischofs anvertraut worden. Sieh! Du bist nun ein Priester, zur Konsekration des Leibes Christi geweiht. Sorge also, daß du deinem Gott mit Andacht und Treue das heilige Opfer darbringst und dich selbst untadelig darstellst. Du hast deine Bürde nicht erleichtert; es ist dir vielmehr eine neue Pflicht zu heiligerem Wandel auferlegt worden, du bist zu höherer Vervollkommnung der Heiligkeit berufen. Der Priester soll mit allen Tugenden geschmückt sein, soll seinen Mitchristen als ein Vorbild des heiligen Lebens voranleuchten. Er soll nicht auf der Heerstraße[204] mit dem Haufen wandeln, sondern mit den Engeln im Himmel oder mit heiligen Menschen auf Erden.

3. Ein Priester in seinem Priester-Gewande vertritt die Stelle Christi; denn er hat den Beruf, für sich und für das Volk in Demut und Andacht zu Gott zu flehen. Er hat vor sich und hinter sich das Zeichen des Kreuzes unseres Herrn, damit er und das Volk zum steten Andenken an das Leiden Christi erweckt werden. Er trägt das Kreuz am Meßgewande vorwärts, damit er die Fußtapfen Christi stets im Auge behalte und Mut fasse, in diese zu treten. Es ist das Kreuz Christi auch rückwärts am Meßgewande zu sehen, ein schönes Sinnbild, daß der Priester auch die Leiden, die ihm von andern gleichsam hinter dem Rücken zustoßen, um Gottes willen in Demut und Sanftmut tragen soll. Er trägt das Kreuz vorwärts und rückwärts, ein Denkzeichen, daß er seine eigenen Sünden bereuen und aus Mitleid auch fremde beweinen, sich selbst zwischen Gott und dem Volke in die Mitte gestellt ansehen und im Gebet und heiligen Opfer nicht ermüden soll, bis er Gnade und Erbarmung zu erflehen gewürdigt wird. So oft der Priester zelebriert, verherrlicht er Gott, erfreut die Engel, erbaut die Kirche, gibt Hilfe den Lebenden, schafft Ruhe den Entschlafenen und sich selbst Teilnahme an allem Guten.

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 204-205.
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