4. Kapitel
Die andächtige Kommunion schafft uns viel Gutes.

[201] 1. Der Mensch: Mein Gott und Herr! Laß deinen Diener zum voraus die Segnungen deiner Liebe erfahren, damit ich zu deinem heiligen Sakramente würdig und andächtig hingehen kann. Erwecke du mein Herz zu dir, und mache es frei von seiner Trägheit und Kälte. Laß mich deine heimsuchende und heilschaffende Gnade erfahren, damit mein Geist schmecken kann deine unbegreifliche Süßigkeit, die in diesem Sakramente wie in einer Brunnquelle in ihrer ganzen Fülle verborgen liegt. Erleuchte meine Augen, damit ich dies große Geheimnis schauen kann; stärke meine Glaubenskraft, damit ich mit festem Sinne daran glauben kann. Denn es ist nicht Menschen-Werk, sondern Gottes Werk, nicht Menschen-Erfindung, sondern deine heilige Einsetzung. Aus sich selbst ist kein Mensch imstande, dies Geheimnis der Liebe zu fassen und zu begreifen, weil es auch über den Verstand der Engel erhaben ist. Was werde also ich, ein Sünder, ohne alles Verdienst, ich Staub und Asche, von diesem heiligen, hohen Geheimnis erforschen und begreifen können?

2. Herr! In Einfalt des Herzens, in festem Glauben, auf deinen Befehl hin, mit Zuversicht und Ehrfurcht trete ich zu dir hin und glaube, daß du hier in dem Sakramente zugegen bist, Gott und Mensch! Es ist dein Wille, daß ich dich empfangen und Eins mit dir in Liebe werden soll. Deshalb flehe ich zu deiner Güte um die besondere Gnade, daß ich ganz von dir durchdrungen und in Liebe zu dir verwandelt werde[201] und keinem äußeren Trost mehr nachlaufe. Denn dieses höchste und würdigste Sakrament ist eine heilschaffende Arznei für die Gebrechen der Seele und des Leibes, stärkt in aller Ohnmacht zum Guten, festigt uns mit himmlischer Kraft, den Schaden der Sünde zu heilen, die Leidenschaft zu bändigen, die Versuchungen zu besiegen und ihre Anfälle zu mindern; gießt neue größere Gnade in das Herz, rüstet zu mutigerem Tugendkampfe, befestigt den Glauben, stählt die Hoffnung, entzündet und vergrößert die heilige Liebe.

3. Viele, große Gnaden hast du deinen Geliebten, die mit Andacht dies Sakrament empfangen haben, schon mitgeteilt und teilst ihnen immer neue Gnaden mit, du mein Gott, der auch meine Seele aufnimmt, auch meine Schwachheit stützt, auch mich mit innerem Troste erquickt. Du erhebst deine Freunde aus dem tiefen Gefühle ihrer Ohnmacht zur seligen Hoffnung auf deinen Schutz; du bewaffnest sie mit Trost und Mut für die Tage der Leiden; du erheiterst und erfreust sie mit einem neuen Gnadenstrahle, daß die nämlichen Menschen, die vor der Kommunion in sich nichts als Angst, Dürre und Ohnmacht fanden, nach der Kommunion gestärkt von der Speise und dem Tranke des Himmels sich besser und neugeschaffen zu allem Guten fühlen. Diese liebevolle Führung deiner Auserwählten hat wohl keinen anderen Zweck, als sie auf dem Wege eigener Erfahrung zur wahren Erkenntnis zu bringen, wie viel Schwäche und Armut sie in sich selbst haben und was für Stärke und Reichtum sie von dir, von deiner Güte nehmen. Aus sich selbst, das erkennen sie, sind sie kalt, hart, ohne alles Andachtsgefühl; durch dich werden sie voll Feuer und munter zur Andacht. Wer sollte auch zur Brunnquelle alles Trostes und aller Süßigkeit in Demut gehen und nicht ein wenig Trost und Süßigkeit mit sich zurückbringen? Wer sollte vor einem hellflammenden Glutofen stehen und nicht ein wenig Wärme und Leben in seinen Gliedern fühlen? Und der Brunnquell alles Trostes, aller Seligkeit, ewigvoll und ewigüberfließend, bist du! Und das Feuer, ewig brennend und nie verbrennend, bist du![202]

4. Wenn ich also jetzt noch nicht aus der ganzen Fülle des Brunnquells selbst schöpfen und mich satt trinken kann, so will ich doch an das kleine Rohr, durch das der himmlische Trank mir zufließt, den Mund ansetzen und etliche Tropfen trinken, damit mein brennender Durst ein wenig gestillt wird und ich nicht ganz verschmachte. Und wiewohl ich noch nicht ganz himmlisch gesinnt, nicht ganz von Liebe durchglüht sein kann wie die Cherubim und Seraphim, so will ich doch mein Herz mit anhaltendem Fleiße in Andacht üben und dazu bereiten, daß ich mir durch demütigen Genuß dieses belebenden Sakramentes einige Funken aus dem göttlichen Flammen-Meere holen kann. Was mir aber mangelt, das wirst du, guter Jesus, heiliger Erlöser, um deiner Liebe und Erbarmung willen in mir ergänzen und neuschaffen, nachdem du einmal alle zu dir gerufen hast mit dem teuren Worte (Matth. 11, 28): Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

5. Ja wahrhaftig, ich arbeite im Schweiße meines Angesichtes, werde von Herzens-Angst und Kümmernis hart gepreßt, mit Sünden schwer beladen, von Versuchungen hin und her getrieben, in viele böse Neigungen verwickelt und niedergedrückt und habe bei all diesem Druck niemand, der mich erlöst und seligmacht, als dich allein, mein Herr und Gott, mein Erretter! Dir allein übergebe ich mich ganz und all das Meine, damit du mich behütest, du mich hinführst zum ewigen Leben. Nimm mich auf zur Verherrlichung deines Namens, nachdem du deinen Leib und dein Blut mir zur Speise und zum Tranke bereitet hast, und laß, mein Gott und mein Heil, laß mein Herz nach jeder neuen Kommunion noch mehr Andacht empfinden.[203]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 201-204.
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