Wanderlied

[91] Wohlauf! noch getrunken

Den funkelnden Wein!

Ade nun, ihr Lieben!

Geschieden muß sein.

Ade nun, ihr Berge,

Du väterlich Haus!

Es treibt in die Ferne

Mich mächtig hinaus.


Die Sonne, sie bleibet

Am Himmel nicht stehn,

Es treibt sie, durch Länder

Und Meere zu gehn.

Die Woge nicht haftet

Am einsamen Strand,

Die Stürme, sie brausen

Mit Macht durch das Land.


Mit eilenden Wolken

Der Vogel dort zieht,

Und singt in der Ferne

Ein heimatlich Lied.

So treibt es den Burschen

Durch Wälder und Feld,

Zn gleichen der Mutter,

Der wandernden Welt.


Da grüßen ihn Vögel

Bekannt überm Meer,

Sie flogen von Fluren

Der Heimat hieher;

Da duften die Blumen

Vertraulich um ihn,

Sie trieben vom Lande

Die Lüfte dahin.


Die Vögel, die kennen

Sein väterlich Haus,

Die Blumen einst pflanzt' er

Der Liebe zum Strauß,

Und Liebe, die folgt ihm,

Sie geht ihm zur Hand:[92]

So wird ihm zur Heimat

Das ferneste Land.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 91-93.
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