Achte Vorstellung.

[145] Als ich dem so nachdachte und im Anschauen verloren war, waren die Leute indes um mich verschwunden, ich stand allein in der Sebalduskirche.[145]

Der Himmel war ganz trübe, die Vögel saßen wieder auf den Dächern stumm, die Brunnen standen stille, und das hohe metallene Kreuz blickte aus dunkelm Schatten nieder.

Da erfüllte plötzlich die Gassen ein langer Zug in schwarzen Gewanden; Männer, Mädchen, Frauen und Kinder. Sie schienen in tiefer Trauer wehklagend, doch war nicht ein Laut, nicht ein Tritt eines Fußes zu hören. Ein langes schwarzes Tuch flatterte von einem Sarge in ihrer Mitte hernieder und schien ihn wie auf vier Flügeln zu tragen, und war auf ihm zu lesen: Albrecht Dürer.

Der Leichenzug verschwand, die Sonne warf hellen Schein durch die Gassen, die Brunnen ergossen melodisch ihre silbernen Ströme, geharnischte Ritter ritten durch die Straßen, lieblich gekleidete Frauen und Jungfrauen stunden mit Blumensträußen an dem Busen vor den Fenstern, und ein hellglänzender Zug von Reitern kam daher; Helme erglänzten und Schwerter erklangen.

Ich sah den Kaiser auf einem weißen Pferde inmitten seiner Fürsten, Grafen und Ritter. Er hatte einen langen Bart und war stolzen und ernsten Ansehens; er hatte einen roten Mantel um sich geworfen, darauf waren mit Perlen zwei Löwen gestickt, auch war die Decke seines Pferdes reich an Gold und edeln Gesteinen.

Nach ihm ritten drei Herolde in schwarzen seidenen Mänteln, darüber sie Atlasröcke hatten, darauf waren vorn und hinten unterschiedliche Wappen zu sehen. Der zur Rechten führte das Wappen des Königreichs Ungarn, der zur Linken das Wappen der Krone Böhmen und der in der Mitte das des Erzhauses Österreich. Nach diesem ritt derlei Ehrenhold auf einem weißen Pferde, welcher über seinem samtnen Mantel den kaiserlichen zweiköpfigen Adler führte. Alle vier Herolde hatten ein jeder einen weißen Stab in der Hand und ritten mit entblößten Häuptern.


Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 145-146.
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