[45] Max allein. Später Samiel, von beinahe übermenschlicher Größe, dunkelgrün und feuerfarb mit Gold gekleidet. Der große, mit einer Hahnfeder verzierte Hut bedeckt fast das ganze schwarzgelbe Gesicht.
Nr. 3. Walzer und Arie.
MAX.
Nein, länger trag' ich nicht die Qualen,
Die Angst, die jede Hoffnung raubt!
Für welche Schuld muß ich bezahlen?
Was weiht dem falschen Glück mein Haupt?
Durch die Wälder, durch die Auen
Zog ich leichten Sinns dahin;
Alles, was ich konnt' erschauen,
War des sichern Rohrs Gewinn,
Abends bracht' ich reiche Beute,
Und wie über eignes Glück,
Drohend wohl dem Mörder, freute
Sich Agathens Liebesblick!
Hat denn der Himmel mich verlassen?
Samiel tritt, fast bewegungslos, im Hintergrund einen Schritt aus dem Gebüsch.
Die Vorsicht ganz ihr Aug' gewandt?
Mit verzweiflungsvoller Gebärde.
Soll das Verderben mich erfassen?
Verfiel ich in des Zufalls Hand?
Samiel verschwindet wieder.[45]
Jetzt ist wohl ihr Fenster offen,
Und sie horcht auf meinen Tritt,
Läßt nicht ab vom treuen Hoffen;
Max bringt gute Zeichen mit!
Wenn sich rauschend Blätter regen,
Wähnt sie wohl, es sei mein Fuß;
Hüpft vor Freuden, winkt entgegen –
Nur dem Laub, nur dem Laub den Liebesgruß.
Samiel schreitet im Hintergrund mit großen Schritten langsam über die Bühne.
Doch mich umgarnen finstre Mächte!
Mich faßt Verzweiflung! foltert Spott! –
O dringt kein Strahl durch diese Nächte?
Herrscht blind das Schicksal? Lebt kein Gott?
Samiel, schon ganz an der entgegengesetzten Seite, macht bei dem letzten Worte eine zuckende Bewegung und ist verschwunden.
Mich faßt Verzweiflung! foltert Spott!
Buchempfehlung
Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.
62 Seiten, 3.80 Euro