Zweite Szene

[383] Merkur auf dem Altan. Amphitryon.


MERKUR für sich.

Auf dies verliebte Erdenabenteuer

Dir, alter Vater Jupiter, zu folgen,

Es ist ein wahres Freundschaftsstück Merkurs.

Beim Styx! Mir macht's von Herzen Langeweile.

Denn jener Zofe Charis täuschender

Als es vonnöten, den Gemahl zu spielen,

So groß in dieser Sach ist nicht mein Eifer.

– Ich will mir hier ein Abenteuer suchen,

Und toll den eifersücht'gen Kauz dort machen.

AMPHITRYON.

Warum verriegelt man am Tage denn dies Haus?

MERKUR.

Holla! Geduld! Wer klopfet?

AMPHITRYON.

Ich.

MERKUR.

Wer? Ich!

AMPHITRYON.

Ah! Öffne!

MERKUR.

Öffne! Tölpel! Wer denn bist du,

Der solchen Lärm verführt, und so mir spricht?

AMPHITRYON.

Ich glaub du kennst mich nicht?

MERKUR.

O ja;

Ich kenne jeden der die Klinke drückt.

– Ob ich ihn kenne!

AMPHITRYON.

Hat ganz Theben heut

Tollwurz gefressen, den Verstand verloren? –

Sosias! he! Sosias!

MERKUR.

Ja, Sosias!

So heiß ich. Schreit der Schuft nicht meinen Namen,

Als ob er sorgt', ich möcht ihn sonst vergessen.[383]

AMPHITRYON.

Gerechte Götter! Mensch! Siehst du mich nicht?

MERKUR.

Vollkommen.

Was gibt's?

AMPHITRYON.

Halunke! Was es gibt?

MERKUR.

Was gibt's denn nicht,

Zum Teufel? Sprich, soll man dir Rede stehn.

AMPHITRYON.

Du Hundsfott wart! Mit einem Stock da oben

Lehr ich dich, solche Sprache mit mir führen.

MERKUR.

Ho, ho! Da unten ist ein ungeschliffner Riegel.

Nimm's nicht für ungut.

AMPHITRYON.

Teufel!

MERKUR.

Fasse dich.

AMPHITRYON.

Heda! Ist niemand hier zu Hause?

MERKUR.

Philippus! Charmion! Wo steckt ihr denn!

AMPHITRYON.

Der Niederträchtige!

MERKUR.

Man muß dich doch bedienen.

Doch harrst du in Geduld nicht, bis sie kommen,

Und rührst mir noch ein einzigs Mal

Den Klöpfel an, so schick ich von hier oben

Dir eine sausende Gesandtschaft zu.

AMPHITRYON.

Der Freche! Der Schamlose, der! Ein Kerl,

Den ich mit Füßen oft getreten; ich,

Wenn mir die Lust kommt, kreuz'gen lassen könnte. –

MERKUR.

Nun? bist du fertig? Hast du mich besehen?

Hast du mit deinen stieren Augen bald

Mich ausgemessen? Wie er auf sie reißt!

Wenn man mit Blicken um sich beißen könnte,

Er hätte mich bereits zerrissen hier.

AMPHITRYON.

Ich zittre selbst, Sosias, wenn ich denke,

Was du mit diesen Reden dir bereitest.

Wie viele Schläg entsetzlich warten dein!

– Komm, steig herab, und öffne mir.

MERKUR.

Nun endlich!

AMPHITRYON.

Laß mich nicht länger warten, ich bin dringend.[384]

MERKUR.

Erfährt man doch, was dein Begehren ist.

Ich soll die Pforte unten öffnen?

AMPHITRYON.

Ja.

MERKUR.

Nun gut. Das kann man auch mit Gutem sagen.

Wen suchst du?

AMPHITRYON.

Wen ich suche?

MERKUR.

Wen du suchst,

Zum Teufel! bist du taub? Wen willst du sprechen?

AMPHITRYON.

Wen ich will sprechen? Hund! ich trete alle Knochen

Dir ein, wenn sich das Haus mir öffnet.

MERKUR.

Freund, weißt du was? Ich rat dir, daß du gehst.

Du reizest mir die Galle. Geh, geh, sag ich.

AMPHITRYON.

Du sollst, du Niederträchtiger, erfahren,

Wie man mit einem Knecht verfährt,

Der seines Herren spottet.

MERKUR.

Seines Herrn?

Ich spotte meines Herrn? Du wärst mein Herr? –

AMPHITRYON.

Jetzt hör ich noch, daß er's mir leugnet.

MERKUR.

Ich kenne

Nur einen, und das ist Amphitryon.

AMPHITRYON.

Und wer ist außer mir Amphitryon,

Triefäug'ger Schuft, der Tag und Nacht verwechselt?

MERKUR.

Amphitryon?

AMPHITRYON.

Amphitryon, sag ich.

MERKUR.

Ha, ha! O ihr Thebaner, kommt doch her.

AMPHITRYON.

Daß mich die Erd entrafft'! Solch eine Schmach!

MERKUR.

Hör, guter Freund dort! Nenn mir doch die Kneipe

Wo du so selig dich gezecht?

AMPHITRYON.

O Himmel!

MERKUR.

War's junger oder alter Wein?

AMPHITRYON.

Ihr Götter!

MERKUR.

Warum nicht noch ein Gläschen mehr? Du hättest

Zum König von Ägypten dich getrunken!

AMPHITRYON.

Jetzt ist es aus mit mir.

MERKUR.

Geh, lieber Junge,[385]

Du tust mir leid. Geh, lege dich aufs Ohr.

Hier wohnt Amphitryon, Thebanerfeldherr,

Geh, störe seine Ruhe nicht.

AMPHITRYON.

Was? dort im Hause wär Amphitryon?

MERKUR.

Hier in dem Hause ja, er und Alkmene.

Geh, sag ich noch einmal, und hüte dich

Das Glück der beiden Liebenden zu stören,

Willst du nicht, daß er selber dir erscheine,

Und deine Unverschämtheit strafen soll.


Ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 383-386.
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