Beispiel einer unerhörten Mordbrennerei

[363] Als vor einiger Zeit die Gegend von Berlin von jener berüchtigten Mordbrennerbande heimgesucht ward, war jedem Gemüte, das Ehrfurcht vor göttlicher und menschlicher Ordnung hat, die entsetzliche Barbarei dieser Greuel unbegreiflich; und doch war es noch wenigstens nur, um zu stehlen. Was wird man nun zu einem Rechtsfall sagen, der im Jahr 1808 bei dem Kriminalgericht zu Rouen statthatte? Daselbst ward die Todesstrafe, der Mordbrennerei wegen, über einen Mann verhängt, der bis in sein 60. Jahr für einen rechtschaffenen Mann gegolten und der Achtung aller seiner Mitbürger genossen hatte. Johann Mauconduit, Bauer zu Hattenville, war sein Name. Von bloßem Vergnügen an Mordbrennerei geleitet, hatte er, seit längerer Zeit; hie und da Gebäude in Brand gesteckt, ohne daß es jemand einfiel, ihn deshalb als den Täter anzusehn. Er hatte eine eigene Maschine erfunden, die sich vermittelst einer Batterie entzündete, und warf sie auf die Häuser, denen er den Brand zugedacht hatte. Innerhalb 8 Monaten hatte er nicht weniger als zehnmal dieses Verbrechen begangen, und zuletzt seine eigene Wohnung in Brand gesteckt: er wußte wohl, daß der Besitzer des Grundstücks verpflichtet war, ihm eine neue[363] zu bauen. Aber da fand man in einem seiner Schränke dergleichen Zündmaschinen, wie man schon öfters, in Fällen, wo sie nicht losgebrannt waren, auf den Dächern der Häuser gefunden hatte; und so klärten sich eine Menge anderer Zeugnisse gegen ihn auf, so, daß er sich endlich zu alle den Feuersbrünsten als Urheber angeben mußte, welche in seiner Nachbarschaft vorgefallen waren.

Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 363-364.
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