Dritter Auftritt

[964] Grimaldi tritt auf. Vorige.


FERDINANDO. O des traurigen Grimaldi! Willkommen, Vetter!

GRIMALDI. O des freudigen Ferdinando! Guten Tag denn allen freudigen Seelen, und mir alle ihre Traurigkeit!

FERDINANDO. Ich dachte gewiß, ich würde Sie heiterer finden.

GRIMALDI legt die Hand aufs Herz.

FERDINANDO. Sie sehen noch verstörter und trauriger. Armer Grimaldi, Sie blühten lieblich – Ich wollte, Sie hielten's wieder mit dem guten Gefühl.

GRIMALDI. Und ich wollte, Sie wären nicht so lustig. Wahrhaftig, ich bin so hin, das Lächeln eines Menschen kann mich beleidigen. Ich kann oft meinen Hund nicht ausstehen, wenn er freudig um mich springt.[964]

FERDINANDO. Winden Sie sich los!

GRIMALDI. Still, Vetter! Das ist Ihre Braut! O eine liebe Braut!


Küßt ihr die Hand.


FERDINANDO. Wünschen Sie mir nicht Glück?

CAMILLA zu Grimaldi. Ich wollt, ich brächt Ihnen Freude mit!

GRIMALDI. O gütig! himmlisch! – Ich wollte – armes Herz!

FERDINANDO. Was ist Ihnen?

GRIMALDI. Nichts! nichts, als daß ich kein Wort reden kann! Gnädige Gräfin, Sie scheinen keine Tochter der Erde zu sein. – Sie haben Ihre Sanftmut, und – Gott sei Dank! Sie haben einen melancholischen Zug über dem Auge, der mir wohltut.

ALTER GUELFO. He, Grimaldi! wollen Sie uns alle anstecken?

GRIMALDI. Guten Tag, Vater! Ich sah Sie kaum. Behüte mich! Ich will Euch Eure Freude lassen; ich wollt, ich könnte Euch meine vorige dazugeben! Aber, Guelfo, die Gräfin! Sieht gen Himmel. Und dort wohnt eine, und hier wohnt sie! Die Hand aufs Herz. Gräfin Camilla, Sie haben – o dieser Zug, der sich so sanft, so weich hebend in die Lippen verliert – und die labende Öffnung des Munds – dieses himmlische reine Auge – dieses süße Wallen – das haben Sie, ja! Sie haben's von ihr.

CAMILLA. Mein Herr!

FERDINANDO. Sie schwärmen wieder, Grimaldi! Kommen Sie doch zu sich.

ALTER GUELFO dazwischen vor sich. Er meint meine Tochter, und hat recht. Wischt sich die Augen.

GRIMALDI. Versteht kein Mensch den Leidenden? – Ich will gehn Ferdinando und Sie nicht weiter stören. Vater, vergönnen Sie mir ein Plätzchen im Hause mit dem Ritter; ich mach Ihnen denn bald Raum.

CAMILLA. Bleiben Sie bei uns! Ich hab so viel Guts von Ihnen gehört; ich wünschte, Sie söhnten sich mit der Welt aus.

GRIMALDI. Nicht doch! nicht doch! Ich und die Welt haben gebrochen, und so gebrochen, daß mein Herz mitbrach.

ALTER GUELFO. Wo ist der Ritter?

GRIMALDI. Seine Mutter ist bei ihm.

ALTER GUELFO. Dacht ich's doch, als sie wegschlich! Grimaldi hat uns alle Freude verdorben. Hängt die Köpfe nicht so! Gleicht ihr doch alle dem Schwärmer!

FERDINANDO. Ich möchte alles vergnügt sehen, und ich weiß nicht, ich hab heute selbst einen Hang zur Schwermut.

GRIMALDI. O Ferdinando, sagen Sie das nicht.[965]

ALTER GUELFO. Morgen soll Hochzeit sein – Sind das Hochzeitgesichter? Kommt zu Tische! – Grimaldi, sein Sie munter, oder bleiben Sie weg.

GRIMALDI. Das letzte, Guelfo! das letzte!

FERDINANDO. Nein, kommen Sie! Die andern gehn.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 964-966.
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