Letzter Auftritt

[991] Ritter Guelfo. Vorige.


GUELFO. Warum laßt ihr mich nicht in tiefem Schlaf liegen? Was schreit ihr, was heult ihr, die Hände gehoben zum Rächer? Was zittert Gewinsel durchs Haus, und zerreißt meine Seele?

ALTER GUELFO. Mörder! Mörder, willst du auch uns erschlagen?

GUELFO. Mörder ihr! Ha!

AMALIA. Guelfo, flieh! Du bist nicht Mörder! Deine Hand ist nicht blutig! Ich häng an deinen Knieen, du bist nicht Mörder! Du hast ihn nicht erschlagen, hast nicht!

GUELFO. Wen erschlagen? Wer liegt erschlagen?

CAMILLA. Du hast der Braut den Bräutigam erschlagen.

GUELFO. Ich habe keinen erschlagen, weiß von keinem.

ALTER GUELFO. Wo ist dein Bruder, Mann mit dem Feuerblick? Du mit dem rollenden Auge der Verzweiflung, wo ist dein Bruder?

GUELFO. Alter! ich hatte keinen Bruder.

ALTER GUELFO. Wo ist Ferdinando, dein Bruder? Ha, Giftiger! Schüttle deine starren gehobnen Haare! schüttle den Mord von dir! Wo ist Ferdinando?[991]

GUELFO. Wer heischt von mir, Ferdinando zu hüten? Hat er's verdient um mich? Ich hab ihn nicht gesehn, mag ihn nicht gesehn haben, mag ihn ewig nicht sehn!

ALTER GUELFO. Hörst du den Rächer, der im Wind daherfährt, dich wegen Mord und Meineid zu strafen? – Meine Kniee zittern –

GUELFO. Komme der Rächer! ich weiß nichts.

ALTER GUELFO. Soll ich die Decke des Todes heben? Weh über dich!

GUELFO. Hebe die Decke des Todes und der Hölle!

ALTER GUELFO. Tritt herbei! – Hast du nicht diesen erschlagen? Hebt die Decke. Hast du nicht Vater, Mutter, Braut erschlagen mit diesem? Lege deine Hände auf ihn! schwör!

GUELFO. Ich lege meine Hände nicht auf diesen. Den erschlug ich, der auf mich blickt mit starrem kalten Auge, der seine blutigen Locken schüttelt und Tod. Mit starker Faust erschlug ich ihn an der Eiche. – Blick auf mich, Blutiger! Blicke Tod! – Ha! ich reiß ihn von mir, und aller Tod auf dich! – Verflucht sei er und ihr! – Ich erschlug ihn, daß ihr ihn mit eurer Liebe aufwecken mögt. Ha! habt ihr keine Liebe, den Einzigen zu erwecken? Verflucht ihr und ich! Ich sang ihm das Brautlied, kränzte den Bräutigam, sang, sang – Fluch euch!

AMALIA. Erbarmen! Erbarmen! Fluch der Mutter nicht!

ALTER GUELFO. Fluchst du dem Vater, da du ihm den Besten erschlugst?

GUELFO. Er hat mir die Erstgeburt gestohlen, hat mich verdorben und ihr! Er hat mir diese gestohlen, die bleich da liegt. Ich erschlug ihn, da er mir das Meinige nicht geben wollte.

ALTER GUELFO. Ich will dein Gewissen nicht foltern mit Entdeckungen deiner Verblendung, von Gott Verfluchter! Geh mit Brudermord zur Hölle! Weh über dich!

AMALIA. Erbarm dich seiner, er mordet uns! Tod blickt aus ihm.

GUELFO. Rufet Rache und Weh!

AMALIA. Flieh, Guelfo! flieh! Ich will mich vor dich stellen, dein Schild sein.

ALTER GUELFO. Deine Spur sei ausgetilgt auf Erden! ausgetilgt hier! Verflucht!

AMALIA. Decke die Decke des Todes! Der Blutige steigt auf.

GUELFO. Steig er auf! – Rächer! Rächer! – Ich hab ausgeredt.


Verhüllt sich.
[992]

ALTER GUELFO. Sang nicht der Schwan seinen Totensang? sah in der Ferne seinen Geist aufsteigen, wo der Verfluchte den Scheitel des Gerechten schmetterte? Horcht' er nicht den Totenruf an der Braut Seite und zitterte? – Du hast ausgesungen dein Lied! Du hast verlassen Vater und Mutter im Jammer! Du liegst erschlagen vom Bruder der Verdammung! – Gott erbarm dich seiner! Gezeugt zum Fluch – Fluch! Fluch! Erbarm dich seiner! Hier steht er verhüllt, bebt, Rächer, entgegen der Rache!

AMALIA. Rächer, strafe die Mutter! schone hier und dort!

ALTER GUELFO. Ich stehe da, wie Adam, als ihm der Gerechte erschlagen ward. Eva heult, die Braut klagt, Kain flucht den Alten – Rache und Weh! – Gott! ich danke dir, daß du mein Gefühl starr machst, daß du den Ermordeten jetzt aus meinem Herzen reißt mit dem Mörder –


Zieht einen Dolch.


AMALIA. Was willst du?

ALTER GUELFO. Weib! wenn er lebt, soll ihm der Blutrichter das Haupt abschlagen vor deinen Augen? Soll er irren, doppelt verdammt, unstet und flüchtig? – sterben durch den Henker, Guelfos Sohn? – Der Blutige ruft Rache! – Rächen will ich Vater Guelfos Sohn! erretten von der Schande Guelfos Sohn! leben im Jammer verwaist – Stößt ihn nieder.



Ende des fünften Aufzuges


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 991-993.
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