Erste Szene


[1041] Solinas Wohnung.

Solina und Rosaura.


SOLINA. Diese Schleife noch, und so ist's gut. Jetzt da wir fertig sind, so rede. Was hast du nun?

ROSAURA. Gewiß Donna, Sie sind unbarmherzig und grausam.

SOLINA. Närrin!

ROSAURA. Sehn Sie nur wie er dahingeht. Ach so hager, so erbleicht, sich selbst verzehrend in Grimm und Ungewißheit. – Ich fürcht es nimmt ihm noch das Leben.

SOLINA. Fürchte! Was willst du? Soll ich mich ihm um den Hals werfen? Demonstrieren, daß er sich betrüge in seiner Einbildung? Still von ihm!

ROSAURA. Ich begreif's nicht.

SOLINA. Das wär mir auch, begreifst du's! Er mag zu sich kommen, oder eine Kur ausstehen die ihm vielleicht das Leben kostet. Auferstehen soll er, groß und würdig! Hundert Leben mag er verlieren eh mein Geist seinethalben eine andre Richtung nimmt. Ach daß er das nicht sieht, daß nur dies der Weg ist hinzugelangen! – Ich lieb ihn und möcht ihm helfen; aber es kann nicht sein, so nicht. Geh! ich mag niemand um mich sehn.

ROSAURA. Seine große Liebe!

SOLINA. Ha! er sollte alles dadurch werden; aber er ist ein Romanheld. Ein schwacher Mensch auf den der Augenblick würkt, und den seine heiße Phantasie herumzieht. Ich die ich zehn Galbinos auf einen Blick erleg, daß sie Sinn und Bewußtsein verlieren, sich ewig nicht wiederfassen, mich mit verbundnen Augen anbeten – Und kein Zutrauen! Die rasende Torheit sich mit solchen schalen Geschöpfen einzulassen, die den Augenblick überm Olymp stehen, denn gleich wieder den Staub der Erde lecken! Wo seid ihr große Männer, an derer Bild ich mich labe? bei derer Erinnern mein Geist sich nachschwingt, den euren zu durchschauen? Ist alles, was euch so groß und göttlich machte mit euch ausgestorben? Das sind nur Schatten gegen euch, die mit euch nichts gemein haben als den Namen Mann! Ich will einen von euch lieben wie gegenwärtig, mich einschließen und ihm treu sterben.[1041]

ROSAURA. Wenn Sie nur ein Wort zu ihm sagen wollten. Aber so, der Schein, Ihr Spott, muß ihn das nicht hinreißen alles zu vergessen?

SOLINA. Schweig sag ich dir.

PIRRO. Graf Drullo läßt sich melden.

SOLINA. Laß ihn heraufkommen! Rosaura!

ROSAURA ab.

GRAF DRULLO tritt auf. Große Donna, ich komme weil ich muß. Und muß weil ich getrieben werde, und weil mich's selbst treibt.

SOLINA. Da wäre nun wohl nichts dagegen einzuwenden.

DRULLO. Sehr gütig! Der Prinz wirft alle Uhren zusammen, schimpft auf ihre Trägheit, daß sie sich nicht spuden, und die Stunde so schnell bringen, als seine Leidenschaft es heischt. Fragt jeden der ihm in Wurf kommt, wie sich Donna Solina auf den gestrigen Tanz befände, und ob sie noch nicht käme? Für den Federbusch, den er gestern erhaschte, wollte ich ihm ein Königreich abkaufen. Werden Sie nicht gerührt?

SOLINA. Sehr tief.

DRULLO. Glück mir! Eine gerührte Seele nimmt mehreren Anteil, und so hoff ich, hat mein Anbringen sichre Würkung. Ich bin just so im Fall. Wie ich sagte, ich mußte kommen. Nicht allein des Prinzen halben, man hat selbst so sein Interesse dabei wie Sie wissen – und wenn Sie so gnädig wären etwas milder und mit weniger großem Blick auf mich zu sehen, daß meine Augen sich hell öffneten und süße Liebe spielten, wollt ich Ihnen in einem Worte sagen, ohne Schwung, alle Poesie, die die Liebe in einem schafft, in einem Herzen verschlossen – Donna Solina, ich liebe Sie!

SOLINA. Schön! o gar schön!

DRULLO. Wollte weiter sagen, auch Prinz Galbino liebt Sie; aber wie ich liebe –

SOLINA. Sehr treu! Und wenn ich das Gegenteil von der Liebe aus allen Charaktern abstrahiert, wollte malen lassen, wissen Sie wen ich bitten würde, daß er dem Maler säße?

DRULLO. Den Graf Drullo?

SOLINA. Scharmant!

DRULLO. Donna mit Ihrem Geist, mit diesen Empfindungen! – Wir wollten die Welt verkehren, was widerstünde uns? Welchen Platz in der weiten Welt halten Sie Ihrer Wünsche würdig?[1042]

SOLINA. Herr Graf, nehmen Sie an, ich verstünde mich auf die Chiromantie, und könnte also in Ihrer Hand lesen, wie sich's mit Ihnen und Ihrer Liebe verhielte. Denn nehmen Sie aus meiner Prophezeiung die Antwort auf Ihre edle Liebe. Ihre Hand! Sieht ihm in die Hand. Arme de la Valiere! die liebe Seele Ihre erste Gemahlin! Es war ein gutes Geschöpf, leicht und mutwillig, Marquise de la Valiere. All das leichte Blut, und der einnehmende Humor. Ihr edler Gemahl übergab sie dem Vice Roi zur Freundin, drohte mit seinen Banditen, das französische Mädchen erschrak, und der Herr Gemahl ward durch die Verwandtschaft des Vice Roi in Amerika fürchterlich. Sie soll sehr elend gestorben sein – stünden nicht schrecklichere Dinge hier, meine Tränen flössen schon jetzt. – Stolze Gabriela! Ihre zweite Gemahlin. Ich denke Ihre Seele beugt sich bei dem Namen der Großen. Das herrliche Weib! still in ihrer Größe. Ihr edler Gemahl reichte ihr selbst den Giftbecher, sagte: Trink den Tod! und das – weil sie des Königs Mätresse nicht werden wollte. Und du, duldendes, melancholisches Mädchen, Schwester meiner Jugend, liebe Gräfin Brunella! Dritte Gemahlin des Unmenschen! – Wollen wir eine Reise nach Portugal zu ihrem Grabe machen? – Ihre Hand weg! Meine Träne müßte Ihnen zur Hölle werden, fiel sie drauf! Liebste Brunella!

DRULLO. Mitnichten! Ich würde sie mit Entzücken aufküssen. Ich bewundre Ihren prophetischen Geist. Man sollte sagen, Ihr wahrsagender Genius habe sich mit nichts beschäftigt, als Drullos Tritte durchs Leben zu verfolgen.

SOLINA. Kalt und nichts?

DRULLO. Nichts weiter, als daß Sie's auf der unrechten Seite ansehen.

SOLINA. Verlassen Sie mich!

DRULLO. O daß du tot bist Astolphi! Nicht wahr das ist Ihr Genius gewesen? Lebtest du noch, ich wollte die Welt durchreisen dich aufzufinden. Donna, ich zog ihn aus dem Staub, und er verrät mich. Was die Menschen undankbar sind! Sehn Sie nur Donna, wie undankbar die Menschen sind.

SOLINA. Erschrecklicher Mensch!

DRULLO. Sie sind die erste Person, durch welche ich etwas von Graf Drullos Geschichte erfahr. Ich hoff Sie sind die einzige. Und hörn Sie ein leises Wort. – Ich bitt Sie Donna, wenn Sie einen Feind haben, vertrauen Sie ihm Drullos Geschichte,[1043] und Sie haben einen Feind weniger. Haben Sie einen Freund, dem verschweigen Sie's, denn ich wollte Ihnen nicht gern weh tun. Glauben Sie daraus nicht, als fürchtete ich jemand, Drullo fürchtet keinen Menschen. Ich hab so meine Grillen, wie sie jeder hat.

SOLINA. Verlassen Sie mich! – Geist meiner Brunella!

DRULLO. So geschwind kann ich nicht gehn. Sie haben mir vergangne Dinge aus meiner Hand gesagt, die ich längst vergessen hatte. Und wer wird vergeßne Geschichten widerlegen? – Nehmen Sie an, ich verstünd die Kunst, aus des Menschen Gesicht, sein künftiges Geschick zu lesen. – Donna, diesen Blick nicht. Bei dem Schatten meiner Brunella! ich wollte eher in die Mittagssonne schauen, als in diese Augen wenn sie so blitzen – Mein weissagender Genius ruft: Donna Solina ist in diesem Lande Herzogin, sobald sie will!

SOLINA. Mensch!

DRULLO. Und daß ich den Ton wandle. Der Prinz wird sich Ihnen heute nach der Tafel erklären. Er wünschte Sie möchten, da seine Gemahlin nur mit langsamen Schritten dem Grabe zugeht, und seine Liebe kein Harren kennt, Sie möchten, sage ich, ihm bis dahin sein, was die gelobte Marquisin de la Valiere dem Vice Roi war – seine Freundin mein ich.

SOLINA. Soll ich Sie ersticken? Staub von Mensch! Ich kann deinen Otem und Schatten nicht in meinem Zimmer leiden. – Fast meine Lebensgeister! Hinaus denn!

DRULLO. Donna!

SOLINA. Hinaus! oder ich laß mein Kammermädchen kommen, und Ihnen mit Fächerschlägen diesen Lästermund zerplatzen, bis Sie vor Weiber weinen, wie ein wimmerndes Kind. Ich Mätresse! legten mir alle Könige der Erde ihre Kronen zu Füßen, ihnen meine Keuschheit preiszugeben, sie erhielten nichts. Staunen Sie?

DRULLO. Spricht eine Italienerin, eine Donna Solina? Ehrgeiz Donna!

SOLINA. Das ist Solina, und das ist Italienerin. Ich bin Solina, bin ehrgeizig, und hier liegt der größte Ehrgeiz. Mich so zu erniedrigen! Für eure Schmuckwelt nicht!

DRULLO. Donna Vergebung! Ich bewundre Sie! Vergebung! Hätt ich Ihre große Seele gekannt! – Und wenn Sie nicht wollen, wie Sie nicht dörfen, nehmen Sie des Prinzen Hand an. Sie sind Herzogin sobald Sie wollen.[1044]

SOLINA. Und die treue Dulderin vergiftet! Aus meinen Augen!

DRULLO. Ich sprach für den Prinzen, und so wird er reden. Sie müssen mir verzeihen. Gezwungen hab ich Sie beleidigt. Vermögen wir alle nichts, nun Donna, Poet und Julio, wir erwarten's.

SOLINA. Ich bitte gehn Sie, und sagen Sie dem Prinzen, ich würde kommen, sagen Sie ihm mehr –

DRULLO. Nichts sag ich weiter. Noch einmal verzeihen Sie.

SOLINA. Kommt die Herzogin zur Tafel?

DRULLO. Der Prinz hat sie gebeten.


Ab.


SOLINA allein. Pirro! Pirro! – Wie mich das ergriff! Still meine tief gekränkte Seele! Kälte und Ruhe! O daß ich ihn nicht erwürgen durfte! daß ich so an mich halten mußte! Mörder meiner Brunella! und mir das? – Ich will euch kommen, und eure kleine Seelen sollen zittern. Ha! ich will die Sklaven zertreten! – Heute oder nie! Was will das in mir? Und ich kann nicht zu mir kommen? – Julio! daß ich dies all leide wegen deiner! Pirro! Pirro!

PIRRO kommt.

SOLINA. Was zögerst du? Nimm die Laute! spiel mir die Melodie! Sieh mich an! und diese Melodie! Verstehst du mich?

PIRRO. Gewiß Donna! ich seh's Ihnen an der Stirne an was für Musik Sie wollen.

SOLINA. Brav Junge! Mach's gut! und schnell zu dieser Passage, wobei meine Seele eins wird. Klimper nicht lange! – Wir wollen dich erkennen lehren! – Pirro! – O was ein Mensch! und wenn ich nicht wäre, gewacht und getan hätte! – Pirro!

PIRRO spielt eine Melodie.

SOLINA. Das tat gut. Geh nun! Wie alles weg ist, und wie's fest in mir wird, und wie ich ihrer aller lache. Gott du hast mir diesen Mut gegeben, hast mir dieses Herz gegeben, daß ich keinen leiden sehen kann, hilf mir aus! – Julio! was will er! o mich so verkennen! – Schlägt in die Hände. daß ich noch Solina bin! Daß mir alles sagt, du bist Solina! Ruft Pirro. Laß anspannen! Ich will dich einsetzen große Liebe! laß sie lästern, ich will aus dem Gedränge heraustreten, rein hervorblitzen wie der flimmende Stern durch schwarze dünstige Wolken. Dich einsetzen, und denn ins Kloster! – Julio! – drängt sich eine Träne? Verberg dich! Liebe! ha, ha, ha!

JULIO tritt auf. Ha, ha, ha! ich hörte ein starkes Lachen wie ich[1045] in die Türe trat – Nicht Donna, es galt mir? – Ich wollte nur fragen, ob ich die Donna würde an Hof begleiten?

SOLINA. Zerstörter Mensch, ohne Augen, Gefühl und Herz.

JULIO. Er ist mir begegnet. Wir hetzten uns herum, und mir tat's wohl. Ha wie er lachte Donna, und mir ins Ohr lisperte – ich schreib die Worte ohne Aufhören in meine Schreibtafel – Zieht eine Schreibtafel heraus. Donna! wie lustig das ist, wütig sein, und weinen wie ein Kind. – Ich wollte dich's lesen lassen, und sieh da meine Tränen noch naß! Getilgt! Getilgt! und hier steht's! Die Hand auf die Brust, und hier steht's, und hier wirrt's. Schlägt sich vor die Stirne. Wenn ich keine Sinnen hätte. Taub, unempfindlich gegen alles wäre – Teufel! Teufel! Teufel!

SOLINA. Ras mein Lieber! ras! Ich will mir ein Liedchen spielen, und wir wollen sehen wer siegt.


Spielt auf der Laute.


JULIO. Donna, Sie machten es gut, beim Teufel vortrefflich! Noch so ein Streich, ich bin hin oder er. Nicht wahr, es geht doch über mich hinaus, wenn ich mir nicht die Augen zubind, und hinter mir her lachen laß?

SOLINA. Was er Zeug schwätzt!

JULIO. Laß mich deine Hand sehen, nicht küssen! Behüte! – eines andern Eigentum. Ha! siehst du! bei meiner Seele! ein roter Flecken auf dieser runden, weißen Hand, die mir kein Kaiser küssen dürfte. Ein roter Flecken, wo er seine gelben, matten, wollüstigen Lippen hingedrückt hat. Er hat's gebissen für Wollust, nicht anders! Will ich den Flecken auf meinem Todbett noch sehen, daß einer Donna Solina so küßte. Und die schöne blaue Ader! und wie sich diese Hand um die Laute schmiegt! Laß diese Töne ruhen, ich muß ausreden. Es soll mich nicht zaubern! Es soll nicht!

SOLINA hört auf zu spielen. Daß du siehst!

JULIO. O gefällig Donna! – – Dieses Götterplätzchen! in der weiten Schöpfung seinesgleichen nicht. So ein Kerl! Ein Kuß der zwölf Stunden – was sag ich? Drei Tage steht. Der noch steht, und vorige Woche auf diese Hand gedrückt.

SOLINA. Ein Monat! ha! ha! ha!

JULIO. Ha? ha! ha! Ich kann auch lachen, den nämlichen Schall. Hörst du? Wir wollen in die Wette lachen! ha, ha, ha! wie grimmig es von den Wänden herabschallt! Donna! die schwarze Feder spielt auf seinem Hut, weht seinen Triumph und meinen Tod! und so willig gelassen! Solina! ihm ein Siegeszeichen[1046] so willig gelassen ... Ich wollte dich wieder lieben, hättest du die Feder noch auf dem Hut, und dieser Flecken wäre weg, der so anklagend ist, der Rache und Wut ruft!

SOLINA. Du bist wahnsinnig Närrchen!

JULIO. Ich kann auch lächlen. Donna! sieh wie lieblich ich lächle, und so wollt ich lächlen, wenn ich dich –

SOLINA hebt ihre Hand auf.

JULIO. Ich wollte über mich lachen daß ich so ein Schurk war. Ein so dummer Savoyard. O ich möchte dich erwürgen, und ihn, und die ganze Welt. Tu dir was zu guts auf den Tanz. Lach über meinen Unsinn! ha! ha! ha! kluges Weib! heiliges Weib!

SOLINA. Immer fort Julio! Solinas Seele über dir! – Morgen kommt die Reihe an mich. Ich setz mich aufs Kanapee, und so agierst du mir die Eifersucht vor. Was hast du denn gesehen?

JULIO. Nichts, gar nichts. Ich weiß nicht, es ging so und so. Erzähl's doch! Nein! wart! ich will mein Gedächtnis martern, und es soll erzählen. Ihr tanztet englisch. Nicht wahr?

SOLINA. So war's.

JULIO. Du versprachst das Paar mit mir zu machen. Aber ich hörte: ein heilig Weib, ein keusches Weib, hielte ihr Versprechen nicht, und so gabst du vor meinen Augen dem Prinzen die Hand. Und ich tanzte die Bäume im Garten aus der Wurzel. Weg mit dem Galimathias! – also englisch! Da mußt ich nun just zurückkommen wie er mit dir hinunterflog. Es ging so herrlich! so schnell! oben war der Federbusch der Donna Solina gefallen. Keiner nahm's wahr. Nur er hatte seine Tänzerin so fest in den Augen – der Federbusch fiel, und er wie ein Pfeil durch alle die Tänzer, den Federbusch auf den Hut, dir die Hand gereicht, den Triumph, den Kuß, und hier der Flecken den Ewigkeit nicht tilgt.

SOLINA. Du bist nicht wert daß dich mein Otem anhaucht – Mensch und sieh! wegen deiner werd ich gedrängt, wegen deiner wird meine Seele beleidigt. Und von allen Beleidigungen ist deine die bitterste. Ha dieser Kampf! und sieh ich siege! siege über dich und sie alle. Wegen deiner kam ich in all diese Verhältnisse, Gott wird mir Weib aushelfen. Und denn Julio! wirst du erkennen, wirst sehen daß dieser Augenblick, wo ich das all von dir dulde, der größte meines Lebens war. Ich bin nicht weich, so sanft ich rede. Ich war nie so stark. Soll[1047] ich dir den Star stechen? Ich darf, ich kann nicht. Tu die Augen auf, und sieh! Was Männer! was Männer läßt du geboren werden? Die Beschimpfung seiner Lieben, und er mich kränken und quälen!

JULIO. Werd ich nicht gehetzt und mir Dinge vor die Augen gestellt, die mich hinrichten müssen? Und wie verhält sich's?

SOLINA. Rede nicht weiter, ich halte meinen Zorn, reize ihn nicht. Heute sollst du sehen, und deine Seele wird schwinden.

JULIO. Donna! ich wollte, ich könnte sagen, ich bin betrogen. Mich dir zu Füßen werfen – Donna! wie's in meinem Herzen ist! Reiß mich heraus aus Zweifel und Ungewißheit!

SOLINA. Nein! Nein! Sagt ich dir nicht, als ich dir meine Liebe gab, du hälst die Probe nicht aus! Und ist's nicht vorlängst am Tag? Ich gab mir so viel weg, dich noch zu dulden und das Ende zu erwarten.

JULIO. Laß dir's sagen –

SOLINA. Still! Es klopft an. Herein!

GALANTERIEKRÄMERIN tritt auf. Ew. Gnaden befahlen mir auf heute zu kommen.

SOLINA. Was hat Sie? Sucht im Korbe. Zieht einen Dolch heraus. Warum versteckt Sie diese Ware so?

GALANTERIEKRÄMERIN. Sie ist nicht jedermanns Kauf.

SOLINA. Es ist ein närrisch Ding drum. Mir fällt so allerlei dabei ein – Was will Sie dafür haben?

GALANTERIEKRÄMERIN. Einen Louisdor wegen des Stiels.

SOLINA. Da hat Sie's. Geh Sie und komm Sie bald wieder. Jetzt kann ich mich mit Putzsachen nicht aufhalten.

GALANTERIEKRÄMERIN ab.

SOLINA. Ha! ich denk ein Freund wie dieser kann nichts schaden. Wir brauchen in gewissen Fällen Freunde auf die man sich verlassen kann. Du Närrchen! ich kaufte dich weit über den Wert, so lieb bist du mir. Wohl will ich dich wahren, wie man seinen Herzensfreund wahrt. Verbirgt ihn in der Brust. Bist du eifersüchtig Julio, auf diesen Busenfreund? Er geht allenthalben mit, und bei seinem Schutz will mir nicht bange werden.

JULIO. Donna!

SOLINA. Komm, es ist Zeit. Es wird angespannt sein, und Julio, heut ist der Tag nicht, daß man auf sich warten lasse.

JULIO. Ich kann noch nicht. – Faßt ihre Hand. Donna reiß mir ganz die Hülle vor den Augen weg, und befreie mich von[1048] nagendem Zweifel! Ich will dir dann eröffnen, will dir zeigen, daß ich gewacht habe, und gearbeitet in all dem Sturm. Liebst du mich? Es wird Licht um mich. Ich bitt dich, Liebe, sieh meine Lage an, wie alles suchte mich zu bestürmen und zu schwächen. Wenn ich dir sagen sollte, wie sie's trieben mich dahin zu bringen – Du würdest deinem Julio vergeben.

SOLINA. Es hätte nie geschehen sollen. Wer ist Solina?

JULIO. O nur einen von den Blicken, daß meine Seele von neuem die deine ganz fasse.

SOLINA. Julio!

JULIO. Engel ein Wort! Dann Liebe und Vergebung. Ich will sagen, ich bin betrogen, will sagen, ich war schwach. Schaff mich um, mach mich deiner wert.

SOLINA. Deine garstige Wirtschaft hätte alles zernichten können: daß dich Lauras Schicksal hinriß, vergab ich dir. Aber Julio, das letzte! und darüber die Edle vergehn lassen!

JULIO. Nein Solina. Ich und Pasquino brachten's dahin, daß wir diesen Abend ausführen können. Ich verbot's ihm, dich's nicht wissen zu lassen, um dich nach der Vollendung zu überzeugen.

SOLINA. Ha alter Pasquino, du machtest es gut. Das nämliche tat ich, und so arbeiteten wir auf eins. Und doch sahst du nicht daß ich sie einschläfern mußte durch mein Betragen?

JULIO. Donna, wie meine Seele litte!

SOLINA. Weine nicht! Komm in meine Arme Lieber!

JULIO. Laß mich weinen! Meine Solina!

SOLINA. Ich bin ewig dein. Dein, dich zur Ruhe zu leiten mitten durchs Gebraus der Welt. Schwacher! Schwacher Mensch, daß ich dein bin!

JULIO sinkt in ihre Arme. Mein! wie mir dieses Wort alle Kraft und Vermögen mit zwiefachem Mut einflößt.

SOLINA. Komm! und wir vollenden. Spiel die Rolle verstellt, die du bisher würklich spieltest, daß er sicher werde. Dieser Tag muß dich meiner wert machen! –


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1041-1049.
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