Zweite Szene


[1049] Palast.

Graf Drullo. Carlo in Hofkleidung.


CARLO. Herr Graf!

DRULLO. Was stellst du vor Kerl?[1049]

CARLO. Zu dieser Zeit ein reisender Baron, der Ihnen Cour machen will.

DRULLO. Schäker! Geschwind Carlo!

CARLO. Baron von – Gefall ich Ihnen? – Nur nicht ungeduldig! Sie sind weg. Ha, ha, ha! Der alte Pasquino und Julio. Alle weg. Ich muß weit ausholen um alles zu erzählen.

DRULLO. Sag nur wie's jetzo ist. Du weißt daß ich mich um die Schliche nicht eher kümmre, bis nach der Ausführung. Dann, denk ich, ist's Zeit zum Lachen. Nu!

CARLO. All unsre Leute haben sich unter die Verschworne gegen den Prinzen und seine Partie aufnehmen lassen. Sie sitzen zusammen, und lügen ihnen Welten voll Treue und Tapferkeit vor. Pasquinos Zeichen zum Angriff ist Julios Petschaft. Der Kerl soll's bringen, und wir lassen uns anführen. Merken Sie, Pasquinos Leute, kommen spät nach. Das erste Zeichen von Ihnen, und wir brechen ein.

DRULLO. Recht gut! brav!

CARLO. Wer soll bezahlen? Wie sollen wir die Leutchen empfangen?

DRULLO. Donna Solina kennt ihr?

CARLO. Kennen? Unsre Leute schwören bei ihr.

DRULLO. Sie passiert. Denn auf sie wird gespielt. Carlo, sie sollte uns warm gemacht haben! Nach der Farce wollen wir sie mit unsern sechs Hengsten davonführen, daß es ihr schwindlen soll. Und dann nach der Kolonie. Die Herzogin laßt ihr reisen.

CARLO. Aber –

DRULLO. Was ist's? Was kümmert sie mich? Der Prinz soll durch sie in die Patsche fallen, wie er's um uns verdient.

CARLO. Soll die Donna gleich weg?

DRULLO. Gab ich dir Ordre? Julios Ende soll sie sehen. Kennt ihr alle den Ludovico?

CARLO. Den Rotkopf? Wer sollte den nicht kennen!

DRULLO. Den schenk ich euch zum Bratenwender. Der Schurke verdient's.

CARLO. Großen Dank! Großen Dank!

DRULLO. Schafft ihn nur aufs Schiff! Carlo! noch was. Vielleicht daß ihr euch an der Tür stillhalten könnt. Du weißt meine Art zu handlen, daß ich immer lieber untätig schein, und daß mir das doppelte Freude ist. Kleid dich um. Herrlich! – Ludovico soll der Herzogin, ein, in einem Monat aufreibendes Gift geben. Sieh daß du vor der Tafel den Julio zu packen kriegst,[1050] und lispere ihm leise und mit weinenden Augen ins Ohr: « Retten Sie die Herzogin.« Derjenige welcher ihr mit diesen Worten »Gemahlin des großen Ämilius« den Becher darbietet reicht ihr Gift dar. Du wirst das andre schon zu machen wissen. Nur vor der Tafel! Sein rasches Blut wird das übrige vor uns tun, und sollte er träge sein, so will ich euch schon winken.

CARLO. Lassen Sie mich sorgen!

DRULLO. Diese Nacht kommt zu mir. Ihr müßt an die Höfe herum. Es sind wichtige Dinge von mir ausgeplaudert worden, und ihr werdet zu tun kriegen. Carlo ein Strick, wer einen Bock macht.

CARLO. Der müßte ein schlechter Kerl sein. Ich denk, wir haben gezeigt, daß auch wir was können. Heute nüchtern, aber morgen wollen wir schmausen.


Prinz Galbino tritt auf.


DRULLO umarmt Carlo. Leben Sie wohl Herr Baron! Ich beklag, daß ich Sie nicht länger genießen konnte. Glückliche Reis mein Lieber!


Carlo ab.


GALBINO. Sie ist da, Herr Graf! Sie ist da!

DRULLO. Und Sie nicht um sie? Ich sag immer, zu siegen wissen Sie, aber den Vorteil des Siegs –

GALBINO. Ging sie nicht gradezu zur Herzogin? Sah sich nicht um, und nichts konnte sie aufhalten. Graf, ich füttre mein Herz mit Liebe, Gall und Gift. Es streitet gegeneinander in mir, sieh, es pocht und will los: und bricht's heraus – ich weiß nicht was überwindet.

DRULLO. Prinz, ich hab Ihnen viel zu sagen, aber Sie sollen erst sehen, und denn bin ich des Danks gewiß.


Ludovico tritt auf.


GALBINO zu Ludovico. Was lachst du den langen Tag mit dir selbst, und scheinst trotz uns die Zufriedenheit zu sein?

LUDOVICO. Ein weises Volk weinte, wenn einer zur Welt kam, und lachte, wenn einer hinausging.

GALBINO. Weisheit! wer widersteht dir, wenn du Ludovicos Larve trägst.

DRULLO sieht durchs Fenster. Haben Sie je einen Menschen solche Schritte machen sehn?

GALBINO. Wer ist's?

DRULLO. Julio! was ist dem Menschen?

LUDOVICO. Mondsüchtig! Mondsüchtig! Armer Vetter, lach meiner[1051] Philosophie! – Hm! er macht große Dinge mit sich selbst aus. – Des Menschen Gang beleidigt. Ich bitt dich Vetter, trag den Kopf anders – – Was dann? Was soll das Augenrollen? – Sehn Sie nur! sehn Sie nur Prinz! hat er nicht die Miene als wollte er verstören und schaffen? Armer Vetter! lach meiner Philosophie!

GALBINO. Ich hab dich nie so viel reden hören.

DRULLO. Ha! ha! ha! man möchte sich wälzen. Ha! ha! ha!

LUDOVICO. Bravo Herr Graf! ich hör heute gern lachen. Ha, ha, ha! o was reizbare Nerven zum Lachen hab ich heute nicht! Prinz! Prinz! was Lustiges! Wenn mir nur einer was recht Lustiges erzählte. Ich wollte ihm lachen, ich wollte lachen, lachen – hi! hi! hi!

DRULLO. Geduld Herr Hofmarschall, ich will Ihnen zu lachen geben, daß Sie bersten sollen.

LUDOVICO. Dank! Dank! Dank! Aber jetzt eins gelacht! Ich halt's für die größte Glückseligkeit des Menschen, rechtschaffen lachen zu können. Hi! hi! Mein Prinz, nicht so ernsthaft!

GALBINO. Was du mir Freude machst – Ha! ha! ha!

LUDOVICO. Das war gnädig! Das weise Volk! Das weise Volk!


Ab.


GALBINO. Kommen Sie Graf! Sie verstehn ihn doch! Mich deucht, er braucht Mut.


Ab.


DRULLO. Ich will euch einen Harlekinsstreich machen, und ihr sollt euch alle zu Tod lachen. Reizbare Nerven! Zindbares Blut! Ab.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1049-1052.
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