[1056] Palast.
Prinz Galbino. Graf Drullo.
GALBINO. Dieser Palast ist die Hölle! Ich sitz in dunklen Gräbern, mich deucht die Würme fressen mich lebendig. Was will die Schattengestalt? – Der Teufel treibt sein Spiel mit mir, mir alles so schwarz vor die Augen zu stellen. Verflucht! Verflucht und abermal verflucht! – Wie sitzen Sie da? Ist Ihnen wohl? Schämen Sie sich so blühend und vollwangigt zu sein, mir Schattengestalt zum Ärger. Zehren Sie ab, und beißen Sie die Zähne zusammen, laß deine Lippen gelb werden, und ich will dir ein Gehalt geben.
DRULLO. Sein Sie ruhig. Erhaltne Rache macht Körper, Sie blühen bald wieder. Einer muß wachen, wenn der andre in Grimm herumrast.
GALBINO. Was werd ich erhalten? Ist die Herzogin nicht auf dem Weg mit Tausenden, und der König hat sich nach ihrem Vorteil gewendt, und vergessen was ich ihm tat? Drullo wie ist das Weib durchgekommen? Habt ihr sie nicht mit Fleiß entwischen lassen? Ha ich will's von euch fordern.
DRULLO. Fordern ha! Ist das der Dank dafür, daß ich Sie errettete? Saßen Sie nicht wo Julio sitzt? Ich will gehen, man macht's keinem Menschen zum Dank. Ich ließ mir's angelegen sein, und Sie taumelten dahin betrunken von Armidas Zaubertrank. Was nutzt mir's? Wer rettete Sie? Er allein stund da mit seinem Degen gegen den Haufen, und jede andre hätten seinen Anblick, seinen Angriff nicht ertragen, nur Drullos Leute achteten das nicht. Seine Donna um ihn mit gezücktem Dolch, daß man ganz verging. Er stach meinen Carlo auf den Tod, ruinierte mir fünf der besten Kerls. Wer gibt mir sie wieder?[1056] Wer schickte das eindringende Volk mit einem Märchen in seine Häuser? Wessen Leute ziehen in Stadt und Dorf herum und verbreiten die ihnen von Drullo in Mund gelegten Geschichtchen? Wer stellte Puppenspiel, Komödie, Seiltänzer und Musik dem Volk vor? Ziehen nicht all meine ausländische Tier im Land herum? Wer brachte die Geistliche dahin daß sie gegen Aufruhr predigen? Daß es nicht mehr so gehen will dafür kann ich nichts. Ich kann die Herzogin nicht zurückhalten – und wir wollten doch gesehen haben –
GALBINO. Haben Sie Geduld mit mir! O Drullo! wenn du sähest, wenn du fühltest, wie's mit mir ist – Hölle und Teufel ist um mich – So helf dann! Und sieh sie sitzen zusammen, hier ist's öd und tot.
DRULLO. So schicken Sie einen hin, und lassen ihm den Kopf abschlagen. Aufruhr ist da, die Herzogin ist auf dem Weg und das Volk betet ihn an. Lassen Sie ihm den Kopf abschlagen, wie ich sage.
GALBINO. Ist das Rache? Ist das Rache? und ich möchte ihn eine Ewigkeit quälen.
DRULLO. So überlassen Sie mir's, und ich will ihn diese Nacht noch fortschaffen. Ich sagte Ihnen immer, Julio ist ein Mensch der sich nichts aus dem Verlust des Lebens macht. Diese Leute haben den altrömischen Geist – was ist ihm das? Auf ein Schiff ist mein Rat. Da mag er sich die große Empfindungen mit tausendfacher Qual ausrudern. Wenn Sie das nun wollen, so machen Sie schnell. Ich hab Nachricht von einem Schiff das bald nach Amerika auslauft. Anders kann ich Ihnen nicht helfen.
GALBINO. So schaff ihn diese Nacht noch fort, und gelobe mir ihn unablässig zu peinigen, bis er in später Zeit seinen großen Geist mit blutiger Angst hergebe. Und ich will die Donna aufs Pferd nehmen, mit ihr davonreiten, wiederkommen, und das Land in Brand stecken bis mich's erkenne. – Der Aufruhr zieht durch Stadt und Dorf, ich will flüchten um desto schneller über sie herzufallen.
DRULLO. Nur einen Anschlag fest und gewiß gefaßt. Es findet sich all noch am Ende.
GALBINO. Die Donna hat um diesen einzigen Tag noch bitten lassen, und denn will sie sich geben. Drullo, räche! räche mich! Wenn ich dir den schrecklichen Durst nach langsamer Marter ins Herz gießen könnte, der in mir brennt, daß du ihm einen Tropfen Blut nach dem andern mit unbeschreiblicher Qual vom[1057] Herzen drücktest – ich bitt dich laß ihn für zwanzig arbeiten. Nur laß ihn nicht sterben. Ich bitt dich Drullo, sieh dafür, daß sie bei ihm sitzt, und sie zusammen lachen und höhnen, und ich zusehen muß, wenn ich sie willig haben will. Hätte sie mir die Spitze des Dolchs nicht gezeigt, ich wollte sie längst davongetragen haben. Ich bitt dich, quäl ihn dafür! Nur halt ihn lange am Leben. Geb ihm Stärktränke, und Leckerbissen, nur martre ihn. Füttre ihn daß sich sein Leben verlängre, nur quäle!
STALLMEISTER tritt auf. G.H. der Neapolitaner ist gefallen.
GALBINO. So fall du – Sieht sich nach Gewehr um.
STALLMEISTER entflieht.
GALBINO. Wart, ich will das Pferd von deinem Leben fordern.
DRULLO. Es war ja krank.
GALBINO. Gift habt ihr ihm gegeben um mich zu quälen. Ihr seht alle, daß ich mich nur an einem schwachen Brettchen halt. Wenn ich euch reich und zu Ministers machen könnte, da solltet ihr vor mir kriechen, den Staub anbeten auf den ich tret.
DRULLO. Sie reden doch nicht von mir mein Prinz? Das wäre mir –
GALBINO. Wievielmal sagte ich nicht Sie sollen nichts auf sich ziehen? Ich bitt dich Drullo, hab Geduld!
KAMMERDIENER. Gnädiger Herr! Ihre Gemahlin bittet Sie noch einen Augenblick zu ihr zu kommen. Der Arzt versichert, sie könnte keine Stunde mehr leben.
GALBINO. Ich kann nicht, ich kann nicht.
DRULLO. So gehn Sie doch. Ich will alles besorgen.
GALBINO. Ich will kommen. Drullo wie kann ich an das Bett dieser armen Gekränkten treten? Wie kann ich jetzt? – soll sie erblassen sehen, hören wie sie weich und sanft mit mir spricht? Fluchte sie mir, ich folgt ihr in die Hölle. Und doch wollte ich sie diese Stunde noch ermorden, wenn sie mir im Weg stünde –
DRULLO. Gehn Sie nur!
GALBINO. Laß es ihm sagen, und sie soll weg. Ich will sie mit meinem Wagen holen lassen. Drullo, ich kann nicht zu ihr, mich faßt's mit glühender Hand an der Brust – Daß du's ihn fühlen läßt Drullo, was ich leide!
Ab.
DRULLO. Nun wollen wir Anstalten machen, und ganz höflich unsern Abschied nehmen und euch's alle zusammen fühlen lassen. Adieu mein schöner Prinz![1058]
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