Vierte Scene.

[155] GLEBA ein lausigter Bettler mit einer Stroh-Fiddel tritt auf. Harlequin hört ihm zu. Da steh ich wieder auf der Strasse von Trilinik lausigt und zerlumpt, daß mich die Hunde nicht mehr werth halten, anzufallen, weil sie sich an nichts mehr halten können. Nichts als Knochen, dürr und ausgetroknet wie Heu. – Hu! wie kalt blaßt die Luft auf meinen nakenden Bauch! Der Hunger wirthschaftet nicht übel in meinen Eingeweiden. War ich nicht über die Mauren gesprungen, sie hätten mich nicht hereingelassen. –

Zufall! Zufall! in dem ich gebohren ward, aufwuchs, durch den ich crepiren muß! Der wollüstige Esel mein Vater, und die Meze meine Mutter, die aus geiler Begierde sich hinter einen Busch warfen, und da in Ueppigkeit, weil die Säften in ihrem Blut kochten, mich machten, ohne zu bedenken, daß sie mir weiter nichts geben können, als gefräßige Eingeweide. Verdammt sey eure Lust! Mich hungert, daß ich die Sterne anbelle! – Wie die Kerls mit vollen Bäuchen in den Bettern schnarchen, und lüstern nach der Venus bleken! daß alle verdammt wären, die satt sind, und mich hungern lassen! Ich will sie wenigstens aufweken, und ihren Schlaf tourbiren. Er spielt und brüllt. Es rührt sich nichts! –

Wenn bey des neuen Königs Krönung kein Fang zu thun ist, so will ich mein Blut aussaugen, und wie der Bär in meinem eignen Schmalz wühlen.[156]

HARLEQUIN. Hm, der Kerl fulminirt nicht übel. Blikt etwas Philosophie aus seinem Discours. Er flucht noch ziemlich kräftig. Ich glaub, daß er zu meinem Zwek zu brauchen war.

GLEBA. Horch! ich glaub, ich hör jemand sprechen. Einen Bissen Brod dem Hungrigsten der Welt!

HARLEQUIN. Freund!

GLEBA. Daß du verdammt, und überschüttet von Pestbeulen würdest! Der muß noch hungriger seyn als ich, weil er mich so betittelt. Wenn Ihr nichts habt, so kommt und helft mir den Olymp verfluchen. Jupiters Anstalten sind schlecht genug. Seitdem er seinen Vater dethronisirte, ist er besoffen, und scheert sich nichts um uns.

HARLEQUIN. Der Kerl ist von der heutigen Secte. Ein philosophischer Kammer-Jäger. Per Jovem! komm ich will dich sättigen!

GLEBA. Schwör nicht, ich glaubs sonst nicht. Da bin ich.

HARLEQUIN. Ich bin ein Herr von Hofe, von Gewicht. Meine Dame heißt Colombine. Ich kann nun Euer Glük machen.

GLEBA. Nur ein Stük Brod!

HARLEQUIN. Ich will Euch kleiden. Müßt aber morgen eine Rede halten an allen Eken von Trilinik.

GLEBA. Morden, wenns drauf ankommt. Der Hunger bellt! bellt!

HARLEQUIN. Sollst zu fressen haben ein Schwein, und ein Faß Wein zu saufen.[157]

GLEBA. Bin dein Hund.

HARLEQUIN. Lebe mein politischer Kopf! Ab.


Ende des zweiten Akts.


DER GROSSE KÖNIG. Wenns Ding einmal lustig wird, werd ich schon lachen. Indessen ists ein böses Ding um den Hunger; ruft meinen Küchenmeister, er soll die Tafel deken. Zum Intermezzo ward getafelt.

Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913, S. 155-158.
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