Dritte Scene.

[154] HARLEQUIN allein. Wenn ein Mann anfängt einen großen Gedanken zu denken, so ists ihm, als wenn er einer hohen Leiter hinauf steigen wollte. Er fragt, wird sie auch nicht brechen? Werd ich keinen Schwindel bekommen? Dann fängt er an über die innre Würkung, und die äußre Gegenwürkung zu philosophiren. Da kommt aber nun nicht viel heraus. Ich muß das Ding an einem andern Zipfel anfassen.

Ein großer Mann möcht' ich einmal werden. Meiner Pedrilla möcht' ich die Krone aufsezen. Kanns geschehen? Ja! Warum kanns geschehen? Weils möglich ist. Warum ists möglich? Weil gescheidten Köpfen alles möglich ist. Eine andre Frage. Bin ich ein gescheidter[154] Kopf? Wer zweifelt daran? Also gescheidt bin ich. Die moralische Grundsäze hab ich durchs Hofleben so ziemlich ausgeschwizt. Scrupel macht mir demnach auch nichts, wie eine Sache geschähe, wenn sie nur geschieht. Noch eine Frage – ich muß mich durchbuchstabiren, und logice zu Werk gehen. Gehts nicht, was risquir ich? Kleiner als ich bin, kann ich nicht werden; aber größer. Und der Durst nach Größe ist löblich am Menschen, also geh ich dem löblichen nach. Dann hab ich noch den Prinz Zed, der ohne meine Philosophie nicht leben kann. Was für eine Philosophie führ ich aber? Eine eigne, die die Gewissens-Scrupel heilt, die Vorurtheile wegjagt. Also bin ich ein philosophischer Kammer- Jäger. Bis dato ist mir das Ratten- und Mäuse-Pulver gut bezahlt worden. Aber Zed soll seine Schwester heurathen! Denn Pedrilla ist seine Schwester. Ist sie denn nicht von meinem Weibe? Und ist er nicht von der Königin, und wer weiß, wies mit dem König Caromasko gegangen ist. Ausserdem wird bey politischen Interessen nach dergleichen Kleinigkeiten nicht gefragt. Ich ignorir's. Laß weiter sehen –

Also einen kühnen Gedanken auszudenken und auszuführen, muß mans machen, wie ich. Man muß hinein springen. Da hab ich ihn! Sez dich fest in meinen Gebeinen, du allerhöchster, schönster Gedanke, den mir der Trieb der Ehre eingegeben hat! Ich will dich pflegen und warten, bis du zur Reife kommst!


Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913, S. 154-155.
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