Zweite Scene.

[149] COLOMBINE ruft zur Hausthüre heraus. Herr Gemahl! Herr Gemahl! wo treibst du wieder herum Herr Gemahl!

HARLEQUIN. Ich hör nicht, wenn du mich nicht bey meinem rechten Namen nennst!

COLOMBINE. Du Esel – Harlequin!

HARLEQUIN. Hier!

COLOMBINE. Du Tölpel! warum hörst du nicht, wenn ich dir Herr Gemahl rufe? Bist du nicht Kammerheizer des Hochseligen Königs Caromasko gewesen? Hast Generals, Ministers gemacht; Pensionen ausgetheilt; Radbrechen lassen; Hängen lassen; Begnadigen lassen, wie's dir gefiel. Hm – Giltst du nichts bey Prinz Seiden-Wurm, dem Muster der Dummheit, der jezt oben dran ist? Bist du nicht sogenannter Hofmeister des Prinzen Zed? Hm – Hast du nicht eine Tochter, die eine königliche Prinzeßin ist – Hm –

HARLEQUIN. Und hab ich nicht Hörner, die über ganz Trilinik reichen? Hm –

COLOMBINE. Destomehr Raison, Dumbart, dich Herr Gemahl zu nennen! Wer weiß was du noch werden kannst, wenn du mit meinen Beinen, und meinem Verstand gehst. Umsonst träum ich nicht alle Nacht von goldnen Aepfeln, und purpurnen Strahlen am Himmel. Da sehn Sie Herr Gemahl ins Traumbuch! Purpur bedeutet große Ehrenstellen! – Unser eins hat Ansprüche. Mein erster Mann war Hans-Wurst. Mein[150] Vater auch. Meine Mutter hieß Kretel. Als die deutsche Nation noch gern lachte, und lachen durfte. Die Fürsten noch zwölf Monate im Jahr gelten Hessen, und nicht vier und zwanzig der Steuren wegen schufen; kurz da wir noch keine griesgramigte, ernsthafte Gesichter, keine geschundne Rüken, keine tiefgebeugte Naken sahen, da galt Hans-Wurst was Rechts. Mit Jubel und Freuden ward er empfangen, alle Welt klatschte und lachte, riß das Maul bis an die Ohren auf, ließ sich wohl seyn, und keuchte die Sorgen vom Mus weg. Da war noch eine Zeit! Ich kann Ahnen zehlen und probiren vom vierzehen hunderten Jahr her. Lies alle große Staats-Actionen, Tragödien und Schwenke, wirst immer finden, daß Hans-Wurst der einzige Mann ist, der die Welt erleuchtete und amüssirte – Hm – Ja freilich, man hat das Ding veredlen wollen und Harlequin, einen politischen, cultivirten Kopf draus gemacht, wie du zu meinem Ekel einer bist! Aber kannst du Lachen machen du rafinirter Bengel! Darfst du unter der Maske der Dummheit solche Streiche spielen, die dir große Summen eintragen, und dir doch aus der Patsche geholfen wird. Es ist ja zum Gähnen, wenn man dich anhört, so vernünftig bist du! Eil dich, daß du zu etwas kommst, sie werden alle Tage ernsthafter die Mukser, sie küssen die Ketten, und du wirst verbannt. Mach deinen Coup in Trilinik, geh nach Teutschland und werd denn ein Critikus. Sind Leute die jezt etwas gelten, ob sie gleich meinen seeligen Mann ermordet haben. Ansprüche hast du also, wie gesagt. Meine[151] Ahnen hab ich dir bewiesen, Wie ich Kretel hieß, wars was anders, da hieß ich Kretel, und trug keine Schlepp-Kleider. Jezt heiß ich Madame Colombine, merk dirs! Drum ballen sich die Sorgen in ihren Nieren zu Hypochondrie – O Jemine, wer hat zu meines Mannes Zeit so viel von Hemeroiden, faulen Fiebern gehört – alle Uebel lachten sie weg – Hm –

HARLEQUIN. Gottlob Frau Gemahlin, daß du keinen Othem mehr hast. Meine Ohren zweifelten an meinen Hörnern, ich hielt dich für eine Schneid- Mühle.

COLOMBINE. Die Hörner machen dir Ehre Herr Bengel! Ja wenn ichs mit einem Läufer, Kammerdiener, oder solch einem Kerl gethan hätte. Wenn ich meine Ehre weggebe, so geb ich sie so hin, daß mirs noch Ehre macht.

HARLEQUIN. Gott behüte dich und die Delicatesse unsers Jahrhunderts!

COLOMBINE. Jezt fängt der Stokfisch wieder an zu philosophiren! Wer Teufel hat dir den gelehrten, steifen, dalkigten Duks gegeben? Kein vernünftiger Mensch kann nicht mehr mit dir reden! Was hast du nun vor? Willst du um deine Charge kommen? Ist der hochseelige König nicht mause todt? Sizest du still? Pak Prinz Seiden-Wurm an! Verlier ihn nicht aus dem Gesicht! dreh dich, wie sich sein Aug bewegt! Sey sein Schatten! Sein Gedanken! Sein Mephistopheles! Sieh ihm ab, was er denkt, und eh ers gedacht hat, vollziehe seinen Gedanken! Wisse! neue Besen kehren gut. Wenn einer steigt, so giebt er mit vollen Händen. Thu[152] in Zeiten dazu, daß dir kein Schmaruzer zuvorkommt. Es ist ein eignes Ding um die Gnad der Großen. Versprich nur viel! Red von deinem Eifer, deiner Treu, und bestehl ihn unter Verschwörungen! Mach Büklinge bis auf die Nase! Sag Prinz Seiden-Wurm, Ihr Drek riecht gut, bey meiner Six! besser als Jupiters Tafelzimmer. Sie sind ein Wunder der Welt! Gleich stürb ich, wenn Sie nicht lebten. Haß was er haßt, lieb was er liebt, sey sein Echo! – Wart ich will dich produziren. Dann sollst du sehen – ich will mich in meines Mannes Rolle sezen – Hm –

HARLEQUIN. Sieh Frau, ich habe einen großen Plan, und den verdirb mir nicht!

COLOMBINE. O du Bengel! ohne meinen Verstand wirds nie gehen! Ich weiß die politischen Verbindungen zu stiften –

HARLEQUIN. Deine Schürze ist nichts mehr nuz. Es ist vorbey, leg dich auf was anders.

COLOMBINE. Du Schlingel! Wem kneipen die Hofjunkers in die Baken? Wen heißen sie süsses Madamchen?

HARLEQUIN. Deiner Tochter wegen.

COLOMBINE. Politische Gans! – du bist ein Grobian!

HARLEQUIN. Leg dich ins Bett! Meine Gedanken brauchen Einsamkeit und kein Mühl-Rad.

COLOMBINE. Du wirst an Galgen kommen mit deiner Ernsthaftigkeit. Weißt du nicht, daß die kalte, trukne Gesichter nichts gelten am Hof? Weißt du[153] nicht was Cunser von Cassius Angesicht sagt? Hast du nichts in der Welt profitirt? Siehst du nicht, daß Prinz Seiden-Wurm immer die Zähne zeigt?

HARLEQUIN. Laß meine kühne Gedanken allein!

COLOMBINE. Sie brauchen Umschläge, sie sind frostig.

HARLEQUIN. Wart ich will dir einen übers Maul schlagen. – Cospetto di Bacco! Er tritt nach ihr.

COLOMBINE. O Wurstel! Wurstel! Du Seel und Schmerzenheiler! warum haben dich trokne Autoren verwiesen.2


Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913, S. 149-154.
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