Fünfter Akt.


[202] Markt.

Die Competenten sizen auf einem Gerüste. Voran die Prinzen, als: Prinz Seiden-Wurm. Prinz Zed. Prinz Aster. Hinter ihnen steht Minister Bim. Im zweiten Rang befinden sich die übrige Competenten, als: Harlequin. Gleba. Forsak. Stumpf. Kräz. Philosoph. Auf dem rechten Flügel sizen die Damen, als: Prinzeßin Purperine. Colombine und Pedrilla. Viele von Hof. Das Volk steht vorm Gerüst und ruft.


Wir wählen den Würdigsten von Euch! Laßen uns nicht mit glatten Worten bestechen. Also nicht viel Redens, produzirt Euch!

PRINZ SEIDEN-WURM. Der Würdigste, meine liebe Trilinikiner, sind wir. Wir, die wir wollen die Welt reformiren, daß sie wieder in ihr altes Gleiß trete. Arg ist die Welt, und braucht einen weisen König.

VOLK. Die Welt ist gut. Etwas beßer! – Er hat keinen Respect für uns, er steht nicht einmal auf!

DAS GESINDEL. Weg mit ihm!

PRINZ SEIDEN-WURM verliert viel Contenance. Ihr werdet uns nicht die Krone versagen, da sie uns von den Göttern her gehört! Wir wollen Euch beherrschen nach der Weise unsers hochseeligen Vaters Caromaskos. Wir sind Prinz Seiden-Wurm, der Erstgebohrne vom königlichen Geblüt.

VOLK. Dich wollen wir nicht! Dein Vater gefiel uns[203] nickt. Deine Erstgeburt hilft dir nichts. Produzir sich einer, der uns beßer gefalle.6

PRINZ SEIDENWURM weint und klagts Bim.

MINISTER BIM zum Volk. Rühren Euch des rechtmäßigen Prinzen Thränen nicht! Seht wie die Liebe zu Euch ihm das Herz bricht! O verstokte Seelen, Felsen würden bey diesem Anblik zergehen! und ihr –

VOLK. Halts Maul Bim! Du hast uns lange genug gebißen, möchtest uns gerne noch ferner beißen. Einen beßern!

PRINZ ZED steigt auf.

VOLK. Der ist schon höflicher!

PRINZ ZED. Der bin ich! Meine ganze Substanz ist Liebe, würdige Trilinikiner! Also regiert Euch Liebe. Wie wohl muß es Euch alsdenn gehn! Ich bin Prinz Zed, auch vom königlichen Geblüt, nach Prinz Seiden-Wurm gebohren. Ich hab Euch schon eine schöne Königin gewählt, die auch lauter Liebe ist.

VOLK. Vorsteher merkt Prinz Zed auf! Sollten wir keinen beßern finden, so hat er unsre Stimme. Ein beßrer!

PRINZ ASTER aus Surisur. Wollt Ihr den Stärksten wählen? Der bin ich. Tausend Seelen hab ich mit meinem Schwerdt zum Orcus gejagt. Niemand kann Euch also beßer vertheidigen als Ich. Reißt die Brust auf. Dies sind die Wunden die ich im Streit empfieng![204] Mein Schild wird Euch alle deken! Meine Seele sucht nichts als Ruhm!

VOLK. Wer seyd Ihr?

PRINZ ASTER. Ich bin Prinz Aster aus Surisur.

VOLK. Ein Erstgebohrner!

PRINZ ASTER. Nein, den erstgebohrnen Bruder hab ich zum Orcus geschikt.

VOLK. Merkt ihn auf Vorsteher! Er hat viel vor sich. Ein andrer!

HARLEQUIN ganz demüthig. Geliebte Trilinikiner! Ich bin des Volks Freund, erwieß Euch Wohlthaten, als ich noch Kammerheizer war, wie viel Gutes werd ich Euch nun thun, wenn ich Euer König werden sollte. In der Politik such ich meines gleichen. Das könnt Ihr daraus sehen, daß ich durch Eingebung Jupiters den ganzen Handel anzettelte, und Euch gegen das königliche Haus aufwieglen ließ. Ich mein's gut mit Euch, und die Götter lieben mich. Tapfer bin ich auch, das habt Ihr heute gesehen. Daß ich ein Patriot bin, habt Ihr daraus gesehen, daß man mich in Thurm warf.

VOLK. Merkt den Harlequin Vorsteher! er ist ein braver Mann, und hat Jupiters Druk in der Hüfte. Ein andrer!

GLEBA. Ich bin Gleba!

VOLK. Er lebe!

GLEBA. Ich danke Euch geliebteste Trilinikiner für den gütigen Zuruf. Ich bin ein unbekandter Prinz, und habe Zeugen hier, daß ich ganze Völker erwürgte im Krieg. Daß ich das Akerwesen erfunden habe. Daß[205] in meinem Reich alle Bauern tanzen und nicht arbeiten. Daß ich den Weinbau erfinden kann. Wie gut ich mit den Göttern stehe, wißt Ihr schon!

VOLK. Das wär der Beste! Laß die Zeugen vortreten!

GLEBA zu den Zeugen. Betheuret dieses!

FORSAK. STUMPF. GRÄZ. PHILOSOPH. Liebe Trilinikiner, wir wissen nichts! Wir glaubens nicht!

VOLK. So zerreißt ihn! Er ist ein Betrüger!

HARLEQUIN. Das ist er!

GLEBA. Ich bin der Wundermann von Rotonier.

VOLK. Verschont ihn um deßwillen! Wir wollen's genauer untersuchen. Ein beßrer!

HARLEQUIN. Nu, lausigter Kerl! fühlst du dein Nichts. Ich werd König. Warte Frau Colombine, will deinem Verstand den Scheide-Brief geben.

GLEBA. Ich will's dir schon eintränken, du kennst mich noch nicht.

FORSAK tritt als Competent hervor. Liebe Trilinikiner! Ich bin Forsak, der Euch vor zwanzig Jahren gegen die Helliner vertheidigte. Sie saßen vor Euren Mauren, und wollten Euch über die Klinge springen laßen. Ich that einen Ausfall, und trieb sie in ihr Land. Meine Tapferkeit ward übel belohnt. Jezt such ich Eure Hülfe und meine Belohnung.

VOLK. Ist das wahr?

DIE ALTEN. Ja! ja!

VOLK. Du bist zu alt und unansehnlich. Doch wollen wir für dich sorgen. Ein andrer![206]

POET STUMPF tritt auf, will anfangen zu reden.

VOLK. Weg mit diesem! Werft ihn herunter! Er sieht nichts gleich!

MINISTER BIM stößt ihn herab.

GRÄZ der Bauer. Meine liebe Landsleute, ich bin der Bauer Gräz, Euer Bruder, und will Euch brüderlich regieren.

VOLK. Herunter! Wir brauchen einen König.

PHILOSOPH tritt vor. Ich bin der Mann der alles glüklich machen kann. Ich will Trilinik in die glükliche Insul verwandlen. Die Gemeinschaft der Güter einführen. Einer soll so reich seyn, wie der andre.

DAS LUMPENGESINDEL. Der sey unser König für allen andern!

DIE REICHEN. Weg mit ihm!

DAS LUMPENGESINDEL. Er sey unser König!


Sie gerathen einander in die Haare. Tumult. Nachdem sich einige todgeschlagen, wirds stille.7


VORSTEHER DES VOLKS. Wählt nun meine Kinder! Ich habe angemerkt nach Eurem Willen: Prinz Zed. Prinz Aster. Harlequin.


Die Partien fangen sich an zu zertheilen. Die eine ruft Zed zum König aus. Die andere Aster. Eine andre Harlequin. Noch andre den Philosophen. Wieder welche rufen Gleba. Allgemeiner Aufstand und Schlägereyen. Jede Partie soutenirt Ihre Wahl.


DER SYNDICUS ruft. Soll Trilinik untergehn? Wählt einstimmig, und wenn Ihr nicht einig werden könnt, so wählt sie alle drey, die Ihr aufgemerkt habt, und probirts mit ihnen![207]

VOLK. Der Syndicus hat Recht. Sie seyen alle drey Könige. Aber welche drey?

ZED, ASTER UND HARLEQUIN treten mit Verbeugung hervor.

COLOMBINE sinkt in Ohnmacht für Freude.

EINER AUS DEM PARTERRE. Der große König, dessen Weisheit die Teininaer beglükt, beglüke auch Trilinik! Er sey König von Trilinik und lebe!8


Alles schrie nach und wählte den großen König.

Seine Freude war außerordentlich. Er bedankte sich gnädig, und sagte großmüthig: Er wolle die Krone Prinz Seiden-Wurm schenken. Das Volk von Trilinik wollte ihn aber nicht anders

annehmen, als mit Beybehaltung des Zeds, Asters und Harlequins.


So seyen denn vier Könige in Trilinik! Rief der große König. Und Ali, dieses ganze Drama häng an meine Geschichte zum Unterricht der Völker an; ich bin außerordentlich zufrieden damit, und mein Kämmerer soll dir für deine Mühe geben, was du verlangst.

HARLEQUIN als Epilog. Wer ist hier, der an der philosophischen Kammer-Jägerey noch zweifele? Bin ich nicht durch sie Mit Regent von Trilinik geworden! Es lebe ein Genie wie das meinige! Bey der nächsten Gelegenheit sollt Ihr sehen, wie wir zusammen die Krone verwalten, und sollt sehen was die philosophische Kammer-Jägerey vor Springe machen wird. Ich will sie düpiren, daß Ihr Eure Freude haben sollt. – Morgen[208] also wird vorgestellt: Die Regenten von Trilinik samt allen Conspirationen, oder der philosophische Kammer-Jäger, ein König, ist eine Tragödia in fünf Acten, von Ali, dem Weisen. – Plaudite!


Ende des moralischen Dramas von Prinz Seiden-Wurm dem Reformator.
[209]

Fußnoten

1 Die Dekorationen dieses Stüks sind des schwarzen Prinzen wegen so kindisch und phantastisch als nur möglich ist.


2 Der große König gab dem Ende dieser Scene großen Beyfall, und das Parterre klatschte unsinnig.


3 Großer König. Ali, das ist ein gescheidter Prinz, und gefällt mir wohl. Mach mich mit dem Menschen bekandt. Er kennt den Werth der Dinge. Die Lumpenhunde laß ich hängen. Seiden-Wurm soll König seyn, ich will es.


4 Salmarez wollte bersten.


5 Großer König. Dumme Frage vom Esel!


6 Der große König wollte hier seine Garde einbauen laßen, hätte ihn Ali nicht zurük gehalten, mit der Versicherung, alles würde noch gut gehen.


7 Dieses gefiel dem großen König über alle Maase.


8 Dies ist nicht zu verwundern. Denn die Königin und Riza regierten so, daß sich das Volk gut befand, und dieses schrieb der große Haufen dem großen König zu.


Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913.
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