Zehende Scene.


[183] Colombine und Pedrilla.


COLOMBINE wirft sich mit Pedrilla zu Füssen. Ach Prinz Seiden-Wurm, was Sie jezt nun für ein ganz andrer Herr sind! So voll Majestät und Gnaden! Sie sind um einen ganzen Kopf gewachsen, seitdem Sie König sind! Und sind auch viel hübscher, viel schöner! denn ich kenne Sie schon sehr lange. Ja mir träumt alle Nacht, was für ein großer König Sie sind, und in Zukunft noch werden – Gewiß und wahrhaftig, all die großen Könige, die mein seeliger Mann Hanswurst als Minister bediente, sind Narren gegen Sie! Was ist der römische Cäsar gegen Sie, von dem mein seeliger Herr in der Solo- Rede sagte, er habe die Welt erobert? Und was der Pinsel von Scipio, der mich nicht leiden mochte, als[183] ich die Prinzeßin spielte, und mich dem Prinz Hanswurst aus Africa wiedergab? Und der König, der immer schrie: Ich bin der Herr der Welt! Gewiß und wahrhaftig, der wäre nicht werth, Ihren Pantoffel zu küssen! Und was will der Hanibal? Der Attilla? Der Antonius der mich als Königin Kleopatra liebte? Gewiß und wahrhaftig, ich hatte die Gnade mit vielen hohen Characteren und Könige zu conversiren, aber gegen Sie Prinz Seiden-Wurm, waren sie dalkigte Wichte. Der eine war klein. Der andre roch übel, weil er Merredig gegessen hatte. Ein andrer hatte die Krone auf, und ein lumpigtes Hemd an, oder zerrissene Schuh, oder gar keine Haare auf dem Kopf. Da sind Sie ein andrer Monarch. Gewiß und wahrhaftig, Sie riechen wie eine Bisam-Kaze; haben Haare wie Absalon, und sind schön wie die Venus, die ich im Liebes-Garten vorstellte. Ihren Schlaf-Rok hat Jupiter nicht.

PRINZ SEIDEN-WURM. Die Frau hat Verstand, und ein schönes Mädchen, Bim, noch schöner wie Liziline.

COLOMBINE. So wollt ich nun sagen, daß ich Madame Colombine bin. Mein Herr ist Harlequin, des hochseeligen Königs Kammerheizer. Gewiß und wahrhaftig, Ew. Majestät belieben den Bengel zu kennen. So möcht ich nun gern das hohe Aemtchen für meinen Gemahl erflehen, und etwan weitere Beförderung. Der Harlequin ist ein Tölpel. Weiß sich nicht politisch und wichtig zu machen. Hat in Hof- Tratschereyen nicht viel gethan. Versteht das Interesse nicht. Ist nicht auf der politischen Wagschaalen gewogen worden, wie[184] unser eins. Ich versteh alle Pfiffe, und will mich recommendirt wissen. Hab manchen königl. Kuß auf meinen Lippen. Hab manche Staats-Action heruntertragirt. Manchen Prinzen verzweiflen lassen. So wollen Sie nun die hohe Gnade haben, auf eine so verdiente Familie zu sehen!

PRINZ SEIDEN-WURM. Was sagst du Bim? Sie hat Verstand.

MINISTER BIM. Der Harlequin ist ein gefährlicher Mann. In Staats-Actionen groß geworden, & consuetudo altera Natura.

COLOMBINE. Ich merk dich diker Bim! – Und sehen Sie Prinz Seiden-Wurm, dies Kind ist meine Tochter, heißt Pedrilla ich will nichts reden. Geben Sie dem philosophischen Bengel immer die Charge! Ein König der nichts giebt, wird nicht viel ästimirt. Ich werd in allen Gevatter-Stuben, in allen Staats-Actionen rühmen, was Prinz Seiden-Wurm für ein großes Licht ist.

PRINZ SEIDEN-WURM. Die Frau hat Verstand Bim. Dein Mann ist Kammerheizer, werden seiner ferner gedenken. Wir fragen wie dieses Mädchen heißt?

PEDRILLA. Pedrilla, heiß ich, schönster König!

PRINZ SEIDEN-WURM. Schön Bim, und hat unvergleichlichen Verstand. Wenn wir gekrönt sind, und mehr Courage haben, wollen wir mehr mit ihr reden. Fort bien mein Kind!

COLOMBINE. Ich danke für die allerhöchste Gnade. Küßt den Rok. Freylich verdients der Bengel nicht, und[185] ich weiß, daß Sie's bloß in Rüksicht meiner thun. Denn er hat heimliche Spizbübereyen gegen Sie im Sinn mit einem Bettler. Jezt will ich ihm zeigen, ob ers meiner Zunge, oder seinem Verstand zu danken hat, daß er in der hohen Charge verbleibt. Mit Reverenzen ab.


Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913, S. 183-186.
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