Erste Szene


[1064] Palast in Granada.

Der Sarazenenkönig. Prinz Zifaldo. Prinzessin Almerine und Maurer an einer Tafel mit Früchten. General Grisaldo, Malvizino, Ballona und die Kastilier an einer Tafel mit Wein. Kastilier schwätzen und trinken.


SARAZENENKÖNIG steigt auf. Mit wilden Gebärden um die Tische herum. Nach dem Fenster; sieht hinaus. Sonne! ich darf nicht nach Mekka sehen! Ich der mutigen Maurer König nicht nach des Propheten Grab sehen! Vom Fenster zurück in sich. Tribut! o den Kastilier will ich sehen, der ihn fordert. Laut. General, Ihr wollt also morgen zu Eurem König reisen?

GRISALDO in Almerinens Blicke verloren, ohne Antwort.

SARAZENENKÖNIG. Hu es ist heiß! – Ich mochte Euch vor allen Christen leiden General! – Almerine, bring mir Früchten! Die Kastilier ersäufen sich im Weine. Wären ihre Schwerter und Lanzen so langsam und träg gewesen wie jetzt ihre Zungen, sie sollten nicht hier schmausen. – O Prophet, Tribut!

ALMERINE einen Teller mit Früchten bringend.

SARAZENENKÖNIG. Reist Ihr morgen General?

GRISALDO. Mit kommendem Tage.


Almerine läßt den Teller fallen.


SARAZENENKÖNIG. Haben sie dir Wein gegeben? – Einen andern Teller!

GRISALDO Almerinen an der Hand fassend. Habe Gnade![1064]

SARAZENENKÖNIG. Diesen Leuten Tribut, großer Prophet! deren Augen alle verkehrt sehen. – General, wären Eurer viel unter den Kastiliern, ich räumte mit meinen Mauren das Land, und zög mich nach Afrika. Gibt dein König viel für dich?

GRISALDO. Keine Feige; besonders im Frieden. Je mehr lieb ich ihn. Dem König ist wohl dabei, mir noch besser.

SARAZENENKÖNIG. Wie Mensch! Hier hast du mein Tigerfell, und hast mich überwunden. Und hier meinen Becher, und hast mich zum Tribut gezwungen. Aber eh du's nimmst, sieh dieses Schwert Kastilier, und fühl diesen Arm!

GRISALDO nimmt ihm Schwert und Lanze, zerbricht's auf dem Knie, und setzt sich.

SARAZENENKÖNIG. Mir das?

GRISALDO. Die Kastilier haben auch Ärme.


Steigt auf.


SARAZENENKÖNIG. Hab den Löwen bezwungen und sein heißes Blut getrunken. Faßt ihn am Hals.


Almerine beiden liebkosend.


GRISALDO. Eure Hand von meinem Hals.

SARAZENENKÖNIG. Mit diesem Aug hast du gewonnen.

MALVIZINO. Nehmt Euch in acht Herr König. Er bricht Euch auf seinem Knie mitten entzwei, und teilt die Sarazenenmajestät in Stücken, daß sie aller Welt Ärzten nicht wieder zusammenflicken.

SARAZENENKÖNIG zum Grisaldo. Schwarzlockigter! Dich hat Gott mit übermenschlicher Stärke gesegnet. Das nenn ich gebrochen! Ich will's doch aufbewahren zum Wunderzeichen, und weil's so viel Christenblut gefressen.

GRISALDO nimmt ihm die Stücke, einem von den Kastiliern reichend.

SARAZENENKÖNIG. Bin ich dein Gefangner?

GRISALDO. Mein Wirt bist du, wenn du freundlich bist. Ich kann keine Prahlerei hören.

SARAZENENKÖNIG. Und magst zu deinem König gehen, der dich nicht liebt?

GRISALDO. Laßt mich! und kein zweideutiges Wort gegen meinen König. Ich lieb ihn, und dien ihm aus Eigennutz, müßte sonst mit den wilden Tieren kämpfen des Bluts halben.

BALLONA der Bucklichte. Trinkt doch eins General!

GRISALDO. Plagt mich nicht! Ich bin in einen Strauß verwickelt der meine Sinnen so eingenommen hat, daß ich keinen übrig hab mit Wein zu ertränken. Faßt Almerinens Hand. Höher[1065] mein Herz! Brenne meine anmutige, liebeduftende Almerine! Zehr mich nicht auf süßes Herz!

ALMERINE ihre Augen verbergend. Schöner Kastilier, und gehst morgen?

PRINZ ZIFALDO der Zeit über Gesichter geschnitten hat. Zokniti Vater! Zokniti!

SARAZENENKÖNIG fällt in wilde Verzuckungen. Zokniti! o Zokniti, dein Schädel!

GRISALDO. Was ist's?

SARAZENENKÖNIG. Weg!


Nimmt eines Mauren Schwert; steht alles auf.


GRISALDO winkt seinen Kastiliern, die sich alle auf seinen Wink niedersetzen. König! probe meine Geduld nicht weiter!

SARAZENENKÖNIG zum Prinzen Zifaldo. Komm hinaus! Wollen's den Winden heulen, und soll in den Eingeweiden der Erde zittern. Sarazenen ab.

EIN KASTILIER. General seid auf Eurer Hut!

GRISALDO. Trinkt Freunde, und stört euch an nichts. Ich hab mich auf mich verlassen, und das Heer in Granadens Plänen gelagert. Wendet sich zu Almerinen, in die Höhe sehend. Zu jenem Berg, meine süße Almerine, und wir sind in Xeneralifens buschichter Grotte. Die Sonne sinkt und geht in meinem Herzen heißer auf. Oben rieselt die Quelle und surret Liebe. Ich will dich hinauftragen durchs dickichte, heimliche Dunkel! Reizende Last von Felsen zu Felsen mit dir hüpfen, und von ihr verguldet dich an mich drücken. Was sagst du Liebe?

ALMERINE. Allgewaltiger! Ich möchte dir reden, und hab dir alles gesagt. Möchte dir geben, und hab dir alles gegeben. Wie nun? Versiegen nicht meine Tränen wenn du sprichst? Und sag ich nicht ja, wenn du winkst?

GRISALDO. Freunde, lebt wohl!

MALVIZINO. Grisaldo, Ihr bleibt die Nacht merk ich.

EIN KASTILIER. Bittet ihn mit uns zu gehn.

MALVIZINO. Es hilft nichts.

GRISALDO. Reitet zum Heer, und sorget meine brave Rosse. Morgen früh bin ich bei euch. Gute Nacht! laßt euch wohl sein. Bleibt ihr noch lange?

BALLONA. Wenn Ihr geht, lohnt's einem hier nicht.

MALVIZINO zum Grisaldo heimlich. Ein Wort Freund! der Ort ist einsam und abgelegen, Ihr allein. Ihr kennt meine Angst für Euch.[1066]

GRISALDO. Mein Name Schatz! Leb wohl! Allen meinen Gruß!


Mit Almerine ab.


MALVIZINO. Trinkt Freunde!

BALLONA. Der Maurer ist wild und heiß, wir müssen uns schonen.

EIN KASTILIER. Es ist aber doch wahrlich wunderlich vom General, sich so der Gefahr aussetzen.

MALVIZINO. Was will's? Er trägt den Berg, Grotte und Schloß in die Pläne, und wirft sie mit Felsenstücken tot, wenn sie ihm zu Leibe kommen wollen. Zu dem ist's dem Maurer recht, und sind Freunde zusammen. Er muß seine Sach mit den Maidels haben, ihm entspricht kein Männerherz des Neids und dergleichen wegen.

BALLONA. Recht Malvizino! Ha! wißt Ihr noch mit den Aragoniern! das war lustig, bei meinem Höcker! lustig. Wie wir die zu Kehr getrieben hatten nach rechter Herzenslust; dann in die Stadt hineinzogen, und nun scharmierend um die Frauens herumschmunzelten, daß es einem baß wohltät. Wie's einem denn so ist auf einen heißen gefährlichen Tag – Und nun doch keiner Mut genug hatte über Nacht in der Stadt zu bleiben, sondern jeder sich lieber aufs Feld zu Haufen zog – Ich denk mein Leben dran, wie mich's noch in Träumen ärgerlich verfolgte in meinem Zelt. Aber der General, wie der Euch nun ist, der blieb mit dem Knaben allein bei der schönen, blendenden Isabelle, mit den mächtigen Augen, der er's auch gleich ans Herz geworfen hatte, nach Gewohnheit. Und wie nun das aragonische Bräutiamchen paßte mit dreißigen hinter der Stadtmauer, meinend er sollt es ihm gedeihn. Und wie sich nun das Blatt wandte, daß mein lieber Grisaldo sie zusammen durch die Ohren kuppelte des Spaß halben, sie dem Knaben gab, und der auf seinem Gaul vorjagte, und sie nachlaufen mußten, daß ihre schöne Ohren nicht rissen, die ihnen lieb waren – Ha! ha! das Ding war doch spaßicht für die Aragonier!

EIN KASTILIER. Und waren lauter Edlen! ha! ha! und mußten noch den Knaben hinausgleiten – ha! ha! – Ja wer die Schnurren alle berechnen wollte!

EIN KASTILIER. Einer weiß dies, einer das. Es ist unmöglich daß einer Gedächtnis allein zu habe. Es ist doch grausam, wie er der Weiber Herz an sich zu ziehen weiß. Aber ein Held, ist eben überall ein Held, setzt ihn hin wohin ihr wollt.[1067]

EIN KASTILIER. Gut gesagt! Er ist der Mann darnach, und wer nahm dem Herkules was verkehrt?

EIN KASTILIER. Am Ende dauern mich doch immer die Maidels. Er ist ihnen mein Seel! nicht mehr, als was ein warmer Sommertag der knospenden Blume ist. Er bringt sie zu lieblicher Blüte, das ist wahr, aber er brütet auch zugleich den Wurm aus, der ihr das Herz abfrißt. Die Prinzessin da! – man möchte sie gleich auffressen, so ist alles an ihr gemacht vom Scheitel bis zur Sohle. Und da hat er nun mit ihr gespielt, und spielt sie dahin im berauschten Liebestänzchen, daß es einem jammert, wenn man denkt –

EIN KASTILIER. Daß man nicht an seiner Stelle ist. Nicht wahr, Vetter, 's ist doch garstig!

MALVIZINO. Fangt ihr wieder an zu moralisieren und zu denken, daß man gleich über Tisch und Stühl dem Fenster hinausspringen möchte? Kann er ihnen mehr sein, wenn er euer Retter sein will? Und bitten demohngeachtet nicht tausend verbuhlte Augen um so einen Tag? Und war's noch je so? Die Maidels wissen sich wahrhaftig besser zu helfen, als ihr Narrn glaubt. Ist nicht jede stolz darauf, seinen Blick gefesselt zu haben?

BALLONA. Er hat recht, halt 's Maul. Ihr seid ihm doch alle von Herzen gut, und wär einer unter euch der sein Feind wäre, oder nur halb übelgesinnt, ich schmiß ihm den Handschuh in die Freß, und hieb mich herum bis der Don Ballona zu Boden läge, der freilich ein kleines Plätzchen einnimmt. He! ihr seid ihm alle von Herzen gut, und so hab ich keinen Hader. Trinkt auf sein Leben! Trinken alle. Malvizino, nicht so ernst!

MALVIZINO. Mich kann so was verdrießen – Der Mensch wird von Menschen die er in ihrem Eigentum schützt, geplagt und geschoren, daß einem die Augen manchmal übergehn. Und er trägt bei seinem großen Sinn wie ein Engel. Ihr Kastilier wißt nicht was ihr an ihm habt. Seiner Stärke, Tapferkeit und Edelmut, habt ihr Gut und Haut zu danken. Freilich ist das immer die verbrauchte Saite die ihr greift, daß ihr ihn wegen den Weibsleuten anklagt. Denkt vorerst was er euch ist, den Leuten ist, die ihn quälen, und was dazu gehört nicht mißmütig werden, und so immer der Heiland des Landes. –

BALLONA. Recht brav Malvizino! O die Cholera sich nicht zu Kopf steigen zu lassen! da kann ich nicht halten. Hört der[1068] Sebastiano mit dem reißenden Feueraug und der dunkeln Stirne, und der gelehrte Curio, und die Affen im Nachtrab, das sind mir die Rechten.

MALVIZINO. Beim Himmel! ich bin zu sprudelnd und bellend dazu. Ich hätte längst meinen Degen im Fluß versenkt, hätt's gehen mögen, wie's wollte. Der Mann der sich aufopfert wie euer Grisaldo, darf sich keines Danks gewärtigen. Er, der ganz Güte, ganz Liebe für jeden ist, muß auf Erwiderung Verzicht tun. Muß sein Herz der Beleidigung und Kränkung jedes Schurkens und Böswichts aussetzen, und demohngeachtet immer das Rad herumdrehen bis die Maschine steht, wie sie soll. Ist einer unter euch der so ein Herz hat? Kennt ihr einen? Der General macht ihm Platz.

ALLE KASTILIER. Sein Wohl! Sein Leben!

BALLONA. Die Neider die! Die Kränker die!

MALVIZINO. Daran gedenkt er nicht in übervoller Liebe für sie und euch.

EIN KASTILIER. Da gehört viel zu.

EIN KASTILIER. Ihm soll's wohl sein in Almerinens Arme. Der Teufel! so mit der Nachtigall der Lerche entgegenzuliebelen.

BALLONA. Pst! Mir verdreht's die Sinne, und fahr herum wie ein Wetterhahn auf dem Turm beim Sturm. Ich hatt euch vergessen daß ich ein unscheinbarer Kerl sei, so war's in ihrem Dasein um mich getan. Es war mir so – so – daß ich euch just auf einmal, ohne zu wissen wie, aufwatschlen wollte, und zu ihr sagen, es hieß mich's ordentlich innerlich: Schöne Prinzessin, Ihr seid schön und fein, und ein Kuß auf diese wunderschöne Lippen wäre wahrlich mein zeitliches Leben wert. Ich weiß nicht wie sie's machte daß es nicht ging, aber es zeichnete sich etwas so Wundersames in ihren Mienen, daß ich konfus ward, so ließ ich's. Ich mein, ich wär ganz ein andrer Mensch nach dieser Krisis.

EIN KASTILIER. Fühl dich an, Schnecke!

BALLONA. He! he! Ja ihr! meint ihr nicht gesehn – Wie mancher unter euch hatte das Glas am Mund, und guckte, guckte, und das Glas hing unbeweglich an schwellender, brennender Lippe. Da verzieh ich mir's endlich auch. Ja wenn ich seine Stärke hätte, und so mehreres was an ihm ist, das ich unbenannt lasse. Es muß einem doch artig und gut sein so um die Mädchens herum, mein ich.[1069]

EIN KASTILIER. Es müßte Euch gut stehn, ohne Anstand. Habt Ihr ein Weib da? War sie verliebt in Euch?

BALLONA. Was weiß ich von Weibern. Die haben mir so viel buntes Zeug im Kopf, und sind herrisch, begehrend, schnippisch, voller Falten. Und die verdammte Gewohnheit die sie haben zu vergleichen, und gegeneinander zu halten. Aber so eine Almerine! Greift auf seinen Buckel. Ja, ja. Nach seiner Lanze reichend. Sei du mein Bescheid!

MALVIZINO. Wollen wir abreiten, Ihr trinkt doch nicht, und haben eine Stunde.

EIN KASTILIER. Meint Ihr nicht, wir wollen verstärkt zurückkehren hier in der Näh?

MALVIZINO. Die Toten begraben die etwa dem Berg herunterrollen, Hals und Bein brechen obendrein!


Ab.


EIN KASTILIER. Ein trotziger, braver Kerl. Trinken wir noch eins. Trinken. Was war's denn mit dem Maurer auf einmal?

EIN KASTILIER. Der Prinz rief ihm den Namen Zokniti zu, das empörte ihn. Zokniti war des Königs Bruder, und er fand ihn erschlagen auf dem Schlachtfeld, abgerissen das Haupt, und unser voriger General ließ einen Becher aus dem Hirn machen.

EIN KASTILIER. Der General übertrieb's in allem, und doch schalten wir sie Barbaren und Unmenschen.

BALLONA. Zu Roß!


Alle ab.

Sarazenenkönig und Prinz Zifaldo treten auf.


SARAZENENKÖNIG. O die Trunkenbolde!

PRINZ ZIFALDO. Dafür seht sie nicht an. Saht Ihr nicht wie mutig sie sich aufs Pferd schwungen?

SARAZENENKÖNIG. Wir wollen jagen die helle Nacht durch. Ich wollt, du hättest geschwiegen, und mir Zoknitis Geist nicht im Augenblick vor die Stirne gebracht, da mein Blut ohndies so heiß brannte. O Zokniti! Zokniti! begegne mir die Nacht an der Waldspitze, und wir wollen tanzen um die Eiche; nehme meine Hand, und ich will dir versprechen Rache! will deinen Schädel zurückbringen, und kastilische Köpfe sollen dein Grab überdecken. Wie Junge! so gelben Angesichts und so feurig? Ich weiß was du mit all dem willst. Laß uns auf den Rossen tummlen daß wir kühl werden. Wo ist der General?

PRINZ ZIFALDO. Ich sah ihn in der Ferne wie einen wilden Geist über die Felsen springen, ein Mädchen in den Armen zur[1070] Beute; an den wehenden Federbüschen erkannte ich Almerinen.

SARAZENENKÖNIG. Nun dann! Läßt er mir einen Knaben zurück mit solchem Mut und riesenmäßiger Stärke, will ich's ihm danken. Hätt ich der Mädchen mehr, er sollte sie nach der Reihe liebhaben, und ich weiß er tät's. Ein maurisch Mädchen, meine Tochter, und solch ein Mensch! – Eine Geisel der Kastilier! Er soll mir nichts kennen und fühlen als Rache und Grimm.

PRINZ ZIFALDO. Was dann? Zokniti hätte dem Grisaldo gestanden! Und keiner mehr da unter dem maurischen, tapfren Volk? Erwürgen möcht ich ihn in Almerinens Umarmung. Er hat uns untergejocht, hat uns zum Tribut gebracht. Wir Sklaven? Du Sklav? Ein König Sklav! – Sein Blut riesele über Xeneralifens Felsen zum Lockruf der Maurer! Wart auf einen Knaben Vater! Wie König du! Daß mein Vater so spricht! Bin ich denn anders worden, und du anders worden, seitdem uns dieser Kastilier überwand? Sieh mich an König! Hab ich aufgehört? Ist die Veränderung so sichtbar! An dir seh ich nichts. Du bist der Schreckende wie vor, der die Augen wälzt, die Stirne verfinstert, und wild umhersieht.

SARAZENENKÖNIG. Rache und Tod!


Auf und ab laufend. Prinz ihn fassend.


PRINZ ZIFALDO. Ist dieses nicht ein Schwert? Dieses keine Lanze? Dieses nicht Pfeil und Bogen? Vater, wir sind wie wir waren. Mich deucht es war noch diesen Morgen daß ich den Stier auf mich reizte, ihn am starken Horn faßte und niederriß. Grisaldo selbst wunderte sich, berechnete meine Stärke nach meinen Jahren, und schien sich äußerlich zu freuen. König! laß sich die Blicke so durchschießen, mich hängen an deinem Aug, und so Aug in Aug! Glut in Glut! fragen und versichern. – He! sehen Sklaven so? Fühlen Sklaven so? Steigt's so auf und ab, wird's so fest in sklavischen Herzen? Ich sah dich nie herrlicher als in diesem Grimm.

SARAZENENKÖNIG. Rache und Tod! Was? Und warum nicht? Grisaldo hat mir das Herz mit Liebe aus der Brust gezaubert, ich kann nicht. Ich will nicht. Ich kann dem edlen Menschen kein Haar vom Haupt brechen zu seinem Verdruß. Wo endet das all? Wie? hat sich die Welt ganz verkehrt, daß in eines Königs Brust die Liebe den Durst nach Rache überlistet? – Rache und Tod! Meine Hand kann nicht zum Schwert. Laß[1071] uns weg! ich bin unvermögend vor dem Menschen, und ich denk das setzt mich nicht herunter.

PRINZ ZIFALDO. Steige auf Zokniti, und all ihr erschlagene Tapfern! Erscheinet! Erscheinet diesem Mann!

SARAZENENKÖNIG. Willst du mich verkehren?

PRINZ ZIFALDO. Komm mit, und trabe mit deinem Roß über die Gräber deiner Maurer. Dein Roß wird aufsteigen, sich nach Kastilien wenden, und mit schnaufender, aufgeblasener Nase hinüberwiehern, scharrend und schlagend mit dem Hufe. Tausend schneidende, flehende Zungen, Röchlen der Sterbenden, Gegrinz, Gewirr, Gebad im Blut, und letztes Aufstemmen zu rächen, tobt über den Gräbern. Oben über brütet die Rache, gehüllt in Blutgewand, ihr Aug wild fressend, daß sich zurückziehe Licht und Himmel. Tod und Verderben winden sich um ihre Ärme. Gewinsel der Erschlagenen peitschet die Lüften, daß sie in Kreisen wirblen, zerbrochen an den Bergen es zurückgeben. Das schallende Freuden- und Hohnlachen ihrer geschwollnen Lippen überbrüllt's. Dort wohn ich um Mitternacht, und hör ihr Gekreisch hervorlocken die Toten, seh wie sie lecken mit gieriger Zunge das Blut von ihren Händen. Komm mit Vater, und sieh den Nachttanz deiner Tapfren! Hör sie heulen Rache! Rache! daß wir schlafen und ruhn. – Kein Laut hier! Leben die Toten und ruhn die Lebenden? Kein Laut und ziehst dich in dich und frißt in dir!

SARAZENENKÖNIG. Die Nacht, als ich dich zeugte, kehrt ich aus der heißen Schlacht. Deine Mutter reinigte mich vom Blut, noch lechzte ich, und gnügte mir nicht. In diesem Tumult ging ich zu Bette. Der Nachtsturm zog über die Bergen, die Bergen rissen, das Meer trat über, verheerte das Land, der Säugling erstarrte an der Mutterbrust. Ha!

PRINZ ZIFALDO. Ich dank dir's und der Natur. Der Stoff ist gut, aus dem ich gemacht bin. Überlaß mir's ihn zu bearbeiten. Mußt du nun auf Grisaldos Brut warten?

SARAZENENKÖNIG. Nein! das mußt ich nie. Kannte mich und kannte dich. Aber Grisaldo soll ruhig hinziehen.

PRINZ ZIFALDO. Er, der uns hier zum Spott alleine bleibt, fern von seinen Leuten und uns zu verstehen gibt, daß er uns all verschlingen könne.

SARAZENENKÖNIG. Vertrauen auf mich ist's. Ich hab nie einen demütigern und größern Menschen gesehen. In seinem Wesen ist kein Stolz und Übermut; Liebe, Güte und Einfachheit.[1072] Ich wollte, du lerntest ihn schätzen. – Er soll nun hinziehen, und denn laß sehen was du kannst.

PRINZ ZIFALDO. Fühlst du nicht, daß alle Macht der Kastilier in ihm allein begriffen ist? Und nimm dazu, daß die ihn hassen, welchen er dient. Ich will hinauf, in seinem Leben ist der Kastilische Thron enthalten. Und noch eine Krone auf dein Haupt – Soll ich sie allein verdienen? Schädel für Schädel! Und ich lerne Wein trinken, um die Wollust zu genießen.

SARAZENENKÖNIG. Ich stoß ins Horn, wenn du den Berg berührst. Ich find seinen Tod notwendig, und such mich's zu überreden, und doch soll er hinziehen. Hab ich Gewalt über dich, und kennst du deinen Vater?

PRINZ ZIFALDO. In dieser Stunde nicht. Dort oben schläft ein Königreich und mein Vater ist so schwach. –

SARAZENENKÖNIG. Nicht von meiner Seite, Junge! – Auf die Jagd und tob aus!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1064-1073.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Horribilicribrifax

Horribilicribrifax

Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon