Vierte Szene


[1118] Kastell in Aragonien.

Saal.

Saluzzo und Aragonier.


SALUZZO. Er ist da, mit einem einzigen bucklichten Begleiter. Nun wollen wir unsere Ohren rächen. Wollen sie in Flammen sieden, in Feuer braten.

1. ARAGONIER. Ist's Eure Braut zufrieden?

SALUZZO. Freilich! Freilich! Sie ist eifersüchtig über ihn. Sie ist verliebt in mich. Und sagt, sie wolle mir ihre Unschuld beweisen.

1. ARAGONIER. Das ist eine gefährliche Brücke zu passieren.

SALUZZO. Wenn sie das Heil von Aragonien und unsre Privatrache nicht vorzieht, und auf das Zeichen mit dem Horn nicht herauskommt, mag sie mit ihm reisen.

1. ARAGONIER. Es wäre schad drum. Das Feuer führ zurück für ihrem Reiz, verlösche und ließ sie unversehrt durch.

SALUZZO. Wollen sehen. Wieviel sind unsrer?

1. ARAGONIER. Hundert Mann beinah. Es ist fast Schande gegen einen.

SALUZZO. Ich sag euch, er hat mehr starke, riesenmäßige Teufel in sich, als wir Blutstropfen in den Adern. Ins Wäldchen! Stellt euch auf eure Posten, jeder seinen Geschäften nach. Wir wollen uns eilen, daß wir in die Better kommen. Wir haben die Nacht durch geritten und nicht geschlafen. Es muß ein[1118] hübsch Feuer geben. Schon hör ich den Zyklop in den Flammen brüllen.

1. ARAGONIER. Verkauft des Bären Haut nicht, Herr!

SALUZZO. Halt 's Maul! Dort gehn sie im Garten, und lenken jetzt ein heraufzu. Ich möchte ihn mit den Augen totschmeißen, wie die Hexe an seiner Seite klebt.


Ab.


1. ARAGONIER. Ich wollt es wäre geschehen, mit dem Grisaldo spaßt sich's nicht. Ab.


Grisaldo und Isabella.


ISABELLA an seinem Hals. Ich kann, kann noch nicht reden für Liebe, für Trost in deiner Gegenwart.

GRISALDO. Liebe! Dem Fenster hinunter in den Hof rufend. Führt 's Roß vor.

ISABELLA. So gut! So lieb!

GRISALDO. Siehst du den Maurer?

ISABELLA. Ist dies mein Maurer? O ich will dich verfolgen, ich will dir nachjagen – er scheint schnellfüßig.

GRISALDO. O ein Pferd von der trefflichsten Gemütsart. Ein edles, melancholisches Roß! Die weiche Seele! Es weint oft dicke Tränen aus dem großen, stieren Auge. Als es seinen vaterländischen Boden verließ, schlug es mit dem Huf in die Erde, daß der Staub zurückfuhr. Bog in der möglichst traurigen Linie seinen krummen Hals zurück, sah so verlassen, sagte seinem Vaterland und erschlagenen Ritter ein so gepreßtes Lebewohl, daß ich und mein Stallknecht zum Himmel aufsahen, ihm zuwinkten, wir verstünden es, und wollten's gut halten. Demohngeachtet senkte es sein stolzes Haupt, und kaum war's in zwei Tagen dahin zu bringen, daß es Haber nahm.

ISABELLA. Armes Tier, ich will dir Guts tun.

GRISALDO. Mit Liebe und Schmeichlen bracht ich's endlich dahin, daß es aus meiner Hand nahm. Und sieh, Isabella! Hörst du ihn wiehern? He mein trauriger Brigliador, fühlst du deine Bestimmung? So! Heraufgesehen mit deinem Wälzaug! Gebogen das Knie! Den Nacken vor, und dann gescharrt! Fühlst du's, was soll ich tun? Ich könnte das Pferd umarmen, wie es dolmetscht, wie es zu erkennen gibt, daß wir da sind, wie es in deiner Gegenwart alles vergißt. Und wie ich vergeß, nur weiß, daß ich da bin.

ISABELLA. Da! Du da! Lieber, lieber Wildfang! Flattergeist! Du bist mir entwischt. Jetzt hab ich dich. Und ich will dich[1119] halten, will dich fest in meinen Armen halten, dich lieber erdrücken, als daß du mir entwischen solltest. Wie hast du mich gepeinigt? Warum ließ mich deine Gestalt nicht, da du mich ließest? Lieber! Ich hab dir schon verziehen, hab dir schon alles vergeben.

GRISALDO. Eh ich bat? Laß mich fühlen, daß ich an deiner warmen, heißen Brust liege, an deinen Wangen liege, an deinem Hals bin.

ISABELLA. Immer noch so! Immer noch so zauberhaft, so wandelbar und lieb. Tausend Untreue begangen, und doch so lieb. Wievielmal pochte es wild in meinem Busen, und ich wollte mich aufmachen mit Dolchen bewaffnet, und deiner Geliebten Herz durchbohren.

GRISALDO. Es ist dein Ernst nicht, dein Herz ist nicht so.

ISABELLA. Warum nicht? Ich wollte dich fangen, dich wegführen, ich Ohnmächtige! Auf meinem Kastell mit einer Brust voll Liebesfeuer allein – was flößt uns das nicht ein! – Wie lang ist's, daß du weg bist? Ich weiß die Stunde noch, den Augenblick noch, denn alle Zeit vorher war Freude, und seit du weg bist – wie lang ist's?

GRISALDO. Zwei Jahr. Was geht uns Vergangenheit an? Ich mag keine Minute so bei dir verlieren.

ISABELLA. Zwei Jahr? Und nicht einmal in dein Gedächtnis gekommen? Nicht einmal vor dein Herz gekommen. So kalt zwei Jahr.

GRISALDO. Wie bezweifelst du dies? Hab ein Pferd für dich gefangen, es war meine tägliche Sorge. Ich sah dich reiten, ich sah dich um mich. –

ISABELLA. Das hilft dir aus. O was ich bat, flehte, es möchte Krieg werden, der dich allein herbringen konnte. Es geschah. Und jetzt kann ich dir sagen, daß ich schuld bin. Sobald ich erfuhr, daß du von den Mauren zurückkamst, bracht ich's dahin. Dem Ritter Alvarez, der mich liebt, und alles tut, dem blies ich's ein, und er dem König. Es gab Krieg, du bist da.

GRISALDO. Unglückliche! Konntest du?

ISABELLA. Wie du dankst mir's nicht? Man stößt ins Horn. Schon jetzt! Schon jetzt! Stärke Himmel!

GRISALDO. Was bedeutet dies?

ISABELLA. Der Wächter! Der Schloßwächter! Umfaßt ihn. Gib deinen Augen das vorige freundliche Licht wieder. Laß mich! Laß mich an deinem Hals sterben! – Zur Untreue noch Undankbarkeit![1120] Grisaldo! Noch einmal das Zauberlicht deiner Augen! O so! All das Finstre weg!

GRISALDO. Ich will denken, du belogst mich.

ISABELLA. Wie du willst.


Man stößt abermals ins Horn. Sie erblaßt.


GRISALDO. Was ängstigt dich, Weib? Was geht vor?

ISABELLA. Nichts! Nichts! Der Laut erinnert mich an meine traurige Stunden, die ich ohne dich zubrachte.

GRISALDO. Sei's was willst, ich gläube.


Nach seinem Degen sehend.


ISABELLA immer ängstlicher. Grisaldo! Du bleibst doch!

GRISALDO. Wer von dir wegkann?

ISABELLA. Vermag ich noch was? Wunder ist's. O den Kummer der Liebe! Himmel! Gütiger Himmel! Man stößt ins Horn. Nimm mich in deinen Arm, Grisaldo! Mich, die Unglückliche! – Grisaldo!

GRISALDO. Was geht vor hier? Weib!

ISABELLA. Nichts! Bin standhaft in meiner Liebe, bin standhaft. Nimm mich in deinen Arm! Laß mich sterben an deinem Herzen! Mit dir sterben Grisaldo!


Die Flamme bricht aus.


GRISALDO. Isabella!

ISABELLA. Sollte dich verraten, hab dich verraten – Ich sterbe mit – Grisaldo! Tod! und Liebe.

BALLONA schreit unten. Tumult und Lärmen. General! Feuer und Mordbrenner! Springt herunter! Ich streite mit Mordbrennern.


Isabella zu Grisaldos Füßen empfindungslos.


GRISALDO. Weib! Was hast du gemacht? Komm ich will sie braten, und dich Treulose, durch die Flamme schleppen. Sie sollen sehen, wie ich Mordbrenner züchtige. Wütet nur Flammen, ihr schadet mir nichts. Packt Isabellen auf. Ich sollte dich wohl liegen lassen – Komm nur! Springt herunter durch die Flamme.


Die Szene wandelt sich in Vorhof.

Feuer und Tumult.

Grisaldo. Ballona. Die Aragonier, die auf ihn eindringen.


GRISALDO. Seid ihr Aragonier? Seid ihr Ritter und Soldaten? Mordbrenner!


Haut in sie und sprengt sie in die Flamme.


BALLONA. Ich hab schon manchem den Balg versengt.

GRISALDO. Du blutst.

BALLONA. Ist nur ein Streifhieb.[1121]

GRISALDO. Hast du die Pferde herausgezogen? Treib die Aragonier nur aus den Büschen. Ha Schurken! Ich will euch wie wilde Schweine gesengt und gebrennt zu eurem König schicken, daß er erkenne, was ihr Kerls seid. Bind einige zusammen, dem Malvizino einen Spaß zu machen. Jene dort, die sich eben die verbrannte Haare vom Kopf wischen.


Saluzzo mit einigen kommt zitternd aus einem Winkel gekrochen, und will sich davonschleichen.


BALLONA. Der Bräutigam, General.

GRISALDO. Jag ihn nur durch!

BALLONA. Ich will die Hasen im Bach jagen zum Abkühl.

GRISALDO. Nur keinen tot, Ballona. Man muß nur scheuchen, haben sonst keine Ehr. Es ist ein großer Haufen.

BALLONA. He! He! Wie sie gebraten davonreiten, mögen wohl übel sitzen auf dem Gaul.

GRISALDO. Wo ist Isabella?

BALLONA. Unter dem Baum dort! Ich versteh den Handel nicht. Sie ist außer sich, und kann's ohnmöglich so gemeint haben.

GRISALDO. Ich will sie aufs Pferd nehmen. Das war ein sauberer Spaß, doch kühlt er 's Blut und freut.

BALLONA. Ist auch der erste nicht. Ich schrie und lärmte, daß mir fast der Buckel zerplatzte. Sie wollten mich knebeln, und die Steg abreißen. Aber ich schluppte ihnen aus den Händen, und hieb garstig zu. Es löscht schon wieder. Das wird den Malvizino gaudieren.

Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1118-1122.
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