Dritte Szene


[1113] Valladolid.

Palast.


CURIO tritt auf. Ich hab dich erraten, Infantin! Niemand als du, und die kleine Hexe von Lilla mit euren Fräulein wart's, die mich pfetzten, bissen, kneipten und strichen. An eurem Lächlen – Ha wie sie lächelte – ich vergab's ja gleich. Wenn du mir ja Glied vor Glied vom Leibe rissest – Du hast mich verstümmelt,[1113] schöne Infantin! Und ich klage nicht. Ich bin hin, ganz verbrannt, und bald kann man mich wegblasen, wie Asche. – Das verfluchte Gaffen, Fragen und Lachen um mich! Wie lüg ich mich allenthalben durch? Die verdammte Ohnmacht, die mich niederdrückte! Wie ich die Schlinke gefaßt hatte, und das sprudelnde, südheiße Blut mir vor die Augen trat, daß mir's finster ward. Zittern, Wagen, Bangen, Unternehmen zwängten mich zusammen – dunkel und schwarz! Mit Ruten gestrichen, jämmerlich zerhauen, seufzt ich die Nacht durch. Und doch sollst du mir nicht entwischen, Inbegriff der Welt! Und wenn ich dich einmal hab, will ich mich rächen. Will dich pfetzen, beißen, kneipen in Liebeswut. Bastiano! Merk nur, daß ich König dieses Landes werden muß, daß dies der Weg zur Infantin, zum Himmel ist, und daß er über tausend Bastianos geht. Ich will diese Miene behalten, mein Gesicht verstattet zwar jetzt keine –

TRUFFALDINO schleicht herbei, und schlägt ihm auf die Schultern.

CURIO. Infantin!

TRUFFALDINO. He Don! Meine Faust und der Infantin Fäustchen – Ihr seht gelehrt heut! Habt Ihr mit Euren Büchern gekriegt? Wie ist's, tiefe, tiefsinnige Untiefe, die du weder Grund noch Licht hast!

CURIO. O im Abgrund, im jähen Abgrund. Im Tiefsinn, im reizenden Tiefsinn. Meine Seele zerrissen und zerkratzt, am Felsen hängend, an der Klippe blutend. An der Erde kriechend, am Himmel schwebend. Wonne! Wonne! In diesen Augen! in diesem Busen!

TRUFFALDINO. Ach Don Curio! Ach tiefsinniger Don Curio! Die Katzen, die Katzen haben Euer hübsches, jungfräuliches Angesicht, Eure zarte Hände gar gewaltig zerhackt. Die verfluchte Katzen, Don! Teufel! Was für eine Art Jagd ist denn die Eure?

CURIO. Eine liebliche Jagd, Truffaldino! Eine gar liebliche Jagd.

TRUFFALDINO. Diese Rutenhiebe, und diese Mädchenpfötchen mit aller Anmut in Euer schönes Gesicht gegraben, sind hübsche Signa. Bedeutungsvolle Signa, Don. Ja, Don! Signa der Liebe. Ihr seid diese Nacht zum Ritter geschlagen, zum Liebesritter! Wenn die Mädchen beißen und kratzen, sind sie einem gut, es sind empfindsame Signa. Gott Cypripor wahre und versorge Euch ferner.

CURIO. Ach! Wenn es von ihrer Hand wäre, ich wollte mein[1114] blutrünstiges Gesicht im Spiegel küssen, und an mich drücken.

TRUFFALDINO. O nur eine Liebeshand, nur eine verliebte Hand, Don, konnte auf Eurer Stirne dem Auge hinunter, diese blutige Rose so mutig graben. Gewiß die Liebesblume blüht im schönsten Flor. Eine Rose, Don, ist Symbol der Liebe, das wißt Ihr längst, sie sticht und erfreut durch ihren anmutigen Geruch. Aia, Don! Aber hier unterm Mund! Dieses gabelförmige Signum scheint wenigstens von den knollichten Fingern und Adlershaken eines tölpischen Küchenjungs herzurühren. Die Spur ist gar tief, Don!

CURIO. Ich ermorde dich.

TRUFFALDINO. Aber Don Curio! Wie ich Euch sage – in Spiegel gesehen, liebes Angesicht! Dies muß die Infantin getan haben; wessen Hand in der Welt kann so kühne Züge ausdrücken, als ihre götterkühne Liebeshand!

CURIO. Du hebst mich über die Erde.


Unverwandt in Spiegel sehend.


TRUFFALDINO. O nur ihr Händchen, süßer Don, ihr liebes, seidnes Händchen konnte Floren so übertreffen. Siehst du nicht, Don, eben da sie noch einmal ihre köstliche Hand nach deinen Wangen bewegte, um auch der Rose nach rechter Weise einen Stiel und Knospen, der zum neuen Symbol werden sollte, zu geben – sieh da! Da! gab's ihr einen Stich ins Herz, die Liebe siegte, sie zog die Hand zurück –

CURIO. Truffaldino!

TRUFFALDINO. Und biß sich in den Finger. Und der Palast tönte von süßen Lachen der Liebesgötter, alles bis auf den Stallknecht fuhr aus den Betten, die flatternde Lacher zu sehen.

CURIO. Biß sich in den Finger! Woher weißt du das? Ich wollte es nicht, so viele Güte tötet mich.

TRUFFALDINO. Ihr seid schön, Curio, es hat Eure Reize noch erhöht. Tragt es nur als Liebes-Signa, als Signa des liebenden Verdienstes. Sie sieht Euch schon holder an und sanft. Sieht Euch als einen Märtyrer der Liebe an, der viel dulden und tragen kann. Ihr wißt aus Euren Büchern, daß jede Donna von ihrem Liebhaber ein Zeichen seiner Standhaftigkeit verlangt. Denkt, Curio, wenn Ihr mit Riesen, Drachen und Meerungeheuern hättet streiten müssen! Und eine Warnung mußte sie Euch geben. Es war doch verflucht keck von Euch, alle Nacht an dem Schlafzimmer zu lauschen, und durchs Schlüsselloch[1115] zu gucken. – Ich hätt Euch längst den Pißbott über den Kopf gegossen, als eine Liebessalve!

CURIO sieht immer in Spiegel. Du hast recht, Freund! – Ach hier ihre Hand, auf meiner Stirne ihre Hand.

TRUFFALDINO. Just da, wo die Hörner hin gehören, die dir nicht ausbleiben werden, Don!

CURIO. Was meinst du?

TRUFFALDINO. Ich bewundere Eure Schönheit, und reihte eben diese Figuren zusammen, um ein bedeutendes Ganze daraus zu machen. Wahrhaftig glückliche Prognostika! Eine herrliche vielsagende Stellation! Eine wahre Astrologie läßt sich anwenden. Es könnte nicht glücklicher stehen. Ei! Ei! Himmel und Welt! Die glückliche Prognostika! Was das eine Kühnheit ist, aus Curios Gesicht dem Astrologo einen Himmel hinzustellen! Wie das ineinanderblinkt, -arbeitet und -fließt! – Und hier die Venus, just über der Pocke! Glücklicher Curio!

CURIO. Wo? Wann?

TRUFFALDINO. In eine Königskrone, in eine schöne blutige Königskrone, die sich wohl in eine goldene verwandeln wird, fließt das Ganze zusammen. Wunderbar! Höchst wunderbar! Das allmächtige Schicksal hat sich erklärt. Ein Szepter! Ein Königsmantel! Öffne meine Augen, teure Himmelskönigin! Teurer Blick in die Zukunft, erleuchte mich!

CURIO. Truffaldino, kannst du glauben – Sprich! Sprich!

TRUFFALDINO. Euer Gestirn, mit dem ich mich zeither beschäftige, sagt noch mehr.

CURIO. Und mein Herz noch mehr.

TRUFFALDINO. Hab ich dich! – Das muß es, ein edles Herz wie das Eure strebt nur nach edlen Dingen, Don! Und einen gelehrten König braucht Kastilien, und der Sternen Bestimmung ist eisern, Don!

CURIO. Truffaldino, wenn du mein Freund bist –

TRUFFALDINO. War's von je. Mich band das Schicksal an Euch.

CURIO. Traust du dem Bastiano! Ich versichre dich, der wirft uns in die Ecke, sobald er hat, was er will.

TRUFFALDINO. Versteht mich nur, ich bin Euer Don! Euer allein. Nichts vom Bastiano, lieber Curio, der ist das Tier, das auf die Letzt alle verschlingt, und nicht einmal Bauchweh vom Fraß kriegt. Ich sag Euch, er digeriert nicht einmal, er gönnt niemand nichts, der guten, fruchtbaren Erde nichts.

CURIO. Wir sind die ersten, die er aufzehrt.[1116]

TRUFFALDINO. Da ich Euch kenn, ist's schon gut. Starke Lavements schwächen den Magen, und verderben den Appetit. Man muß ihm zum voraus etwelche beibringen.

CURIO. Du hast mich!

TRUFFALDINO. Da kommt Bastiano, der große Bastiano.

BASTIANO tritt auf. Hi! Hi! Wenn ich nur lachen könnte, Curio, wenn die verfluchte Musklen nicht in Ernsthaftigkeit gebannt wären. Hi! Hi! Was könnte ich mir jetzt zuguts tun.

CURIO. Es kleidet Euch übel.

BASTIANO. Was geht auch mich dein Gesicht an, Curio. – Was macht der König?

TRUFFALDINO. Er weiß es nicht.

BASTIANO. Wie befindt sich der König?

TRUFFALDINO. Er weiß es nicht.

BASTIANO. Was treibt der König?

TRUFFALDINO. Er weiß es nicht.

BASTIANO. Wie ist er gesinnt?

TRUFFALDINO. Wie wir wollen, Don.

BASTIANO. Der General hat die Aragonier hinter Siguenca aufs Haupt geschlagen.

TRUFFALDINO. Gewiß. Und gestern saßen wir bei der Landkarte von Aragonien, und schrieben dem General Schritt vor Schritt vor, wie er marschieren sollte. Wenn er schlagen sollte, wenn er nicht schlagen sollte, und so fort. Es ist doch hübsch von einer Sache nichts verstehen, und sich Miene geben, nicht wahr, liebe Dons? Wollt Ihr nicht selbst zum König, und sehen, daß er selbst nicht weiß, was er tut.

BASTIANO. Ich trieb mich da eben lang mit meinem Vater herum, bis sich Gift und Grimm einigermaßen zufriedengab. Es ist doch erschrecklich, wie wenig Sinn der Mann hat. Hat der König nach mir gefragt?

TRUFFALDINO. Er fragt nach keinem, und ich war bei ihm, Don!

BASTIANO. Curio! Was sucht Ihr im Spiegel? Werdet Ihr selbst zum Weib? Was haltet Ihr von den Weibern jetzt?

CURIO. Keine Blasphemie, Bastiano! Kommt zum König!

BASTIANO. Dich wird der Teufel im Weiberrock holen.

TRUFFALDINO. Schöner Prophet, herrliches Prognostikon!

CURIO UND BASTIANO ab.

TRUFFALDINO. Hab ich dich gefangen, Curio? Ich merk ja wohl, Dons, wo ihr zusammen hinauswollt! Aber, Dons! Meine Sterne haben immer gut gestanden, und ich bin im glücklichen[1117] Zeichen geboren. Nicht zu vergessen die Weissagung meiner Mutter, die's in der Zauberei weit gebracht hatte. Sie schlief bei einem Don, und sammelte mich da auf. Es war eine schöne Hexe, und Don war fast ihrer Prophezeiung zu gering. So wachet ihr Sterne! Vollendet euer angefangenes Werk zu eurem Ruhm! Und wenn denn nun einmal dieser König von der Bühne abtreten soll, warum sollt ich nicht ebensogut König werden können, der ich am Himmel lesen und weissagen kann? Überlang sie in Wissenschaften. Hab Fleisch und Blut wie sie. Bin so gut gebildet wie sie. Und kann mich allenfalls auch in die Infantin verlieben. Ich quäle die Leute gern, und das ist schon eine königliche Eigenschaft, die ich zum voraus hab. Wachet ihr Sterne! Truffaldino gebiet's.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1113-1118.
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