Zweite Szene


[1129] Garten am Palast.


ALMERINE in Rittersrüstung. Irr wie ein Geist herum an allen Enden und Orten. Umflattere ihn, umgeb ihn, umlisple ihn, und er merkt mich nicht. Merkt seine Almerine nicht so nah um ihn. O Liebe, schütze mich, und leite mich sicher. Jeder Schritt! den ich tu, Er! – Überall Er!

BALLONA tritt auf. Alm –

ALMERINE. Pst!

BALLONA. Ritterchen! Euer Name hat so viel Reiz für mich.

ALMERINE. Pst!

BALLONA. Ja, ja doch mein süßer Prinz. Aber Ihr müßt Euch allein nicht zu weit wagen. Ihr lauft Gefahr, Händel zu kriegen, Ihr geht so keck, merkt Ihr, und wenn Ihr allein seid –

ALMERINE. Hab einen Degen, einen maurischen Degen, eine Lanze und Herz voll Liebe. Ich habe mit meinem Bruder gesprochen, von Grisaldo gesprochen.

BALLONA. Ihr werdet uns noch alles verderben. Seht mich nicht so scharf an, Ihr habt mir schon in Granada einmal einen Ducks gegeben, daß ich kaum heil werden konnte. Nu Euer Prinz Bruder nichts gemerkt?

ALMERINE. Der Helm deckte mein Gesicht und ich redete im rauhen Tone. Er hat den Kopf voll Infantin, und fragte mich, wo er sie suchen sollte. Ballona, jedes Mädchengesicht, das ich sehe, jagt mir Schrecken ein, und doch seh ich auf keinem die Treue, das Herz für ihn.

BALLONA. Alles nichts gegen Euch.

ALMERINE. Und diese traurige Isabelle auch seine Geliebte?

BALLONA. Hab Euch alles haarklein erzählt, warum und wie?

ALMERINE. Wo ich hinseh, eine Geliebte Grisaldos. Ich verzweifle fast, und doch wenn ich diesem Gefühl nachfolg – Aber warum so lange warten? O Ballona, wenn du liebtest –

BALLONA. Verzeih Euch Gott! Ich hab ja kein Mädchen, und kann keins kriegen. – Habt Ihr denn schon wieder vergessen die Abrede mit Malvizino, daß es nicht eher sein kann? Erwartet nur den glücklichen Augenblick. Ihr seid das einzige Weib auf Erden für unsern General. Er weiß es wohl. Und wieviel hundertmal sprachen wir von Euch. Meine Zunge war denn nicht zum Stillschweigen zu bringen, und des Generals Ohren nie müd zu hören.[1129]

ALMERINE. Grisaldo!

BALLONA. Pst! Freilich! Freilich! Das ist all nur so zum Spielen, was weiß ich. Er hat so seine Ursachen dabei, seine große Ursachen, Malvizino sagte Euch ja –

ALMERINE. Ach er darf noch nichts merken! Wann's mein Bruder erführe, der Wilde packte mich auf, und schleppte mich davon.

BALLONA. So geduldet Euch dann!

ALMERINE. O Ballona!

BALLONA. Gut! Gut! Aber wie in aller Welt! Ich kann mich noch nicht genug freuen, daß Ihr da seid. Ich jubele und springe den ganzen Tag, denn ich bin Euch immer gar gut gewesen. Und weiß wohl noch, wie ich verschmolz vor Euren Augen, und mit meiner Gestalt haderte – ja – es tut einem das so den Verstand verrücken, ich glaub, ich würde gar ein Narr, wenn ich einmal recht ins Liebesfeuer hineinkäme. Wie Ihr aber nur so Vertrauen auf mich hattet, just auf mich, den Schlechtesten in Kastilien?

ALMERINE. Tu dir kein Unrecht, gute Seele! Ich redete einmal in Granada mit dir, und du erwarbst mein Vertrauen für allen. Und an dich dachte ich, als ich den gefährlichen Entschluß wagte.

BALLONA. Gott segne Euch dafür. Ihr müßt nun, denk ich, den Mahomet fahrenlassen, und hübsch eine Christin werden, und unsre Frau Generalin dazu. Da wollen wir einen Himmel um uns herum anlegen, und auch ich muß ein Stühlchen in einem Eckchen haben, um in Eurer Freude zu leben. Seht mit dem Heidentum ist denn doch nichts, das will ich Euch einmal zu Haus erklären. Die Nacht wollen wir wieder herumziehen, und ihn verfolgen, aber in acht genommen, Ritterchen!

ALMERINE. Wenn ich die Nacht zurückdenk, und wie er bei uns vorbeiging, und ich ihm im Irrgang rief mit kenntlicher Stimme, »Grisaldo«!

BALLONA. Es war gefehlt, junges Herz!

ALMERINE. Aber da faßt ich Hoffnung, als er seinen Arm ausstreckte, und rief: »Meine Almerine! Geist meiner Almerine!« O ich hörte ihn seufzen und schluchzen, und schwör dir, du hättest mich nicht gehalten –

BALLONA. Ja ich kenn Euch schon. Es war Zeit, daß ich Euch erwischte, und just noch Zeit die Männer zu belauschen, die aus Bastianos Haus vermummt gingen, sie sagten hübsche[1130] Dinge. Armes Herz! Du magst viel in deinem einsamen Xeneralifa gelitten haben.

ALMERINE. Vergessen, Ballona, alles haarklein vergessen, keine Rückerinnerung mehr. Ich hab ihn ja gesehen.


Infantin und Lilla kommen gesprungen.


BALLONA. Platz unsrer Infantin, Ritter!

LILLA. In Irrgang, Kind! Ha! Ha! Ich hab fast keinen Atem mehr. He! he!

INFANTIN. Wir wollen ihm durch die Gänge piepsen. Aus den Büschen hervorpiepsen. Und wenn er meint, er wär uns nah, ihm Zitronen und Pomeranzen auf seine Adlersnase werfen. Aus jedem Ort piepsen, lieber, süßer Zifaldo!

LILLA. Er kommt, Kind! lustig!


Ab.


ALMERINE. Mein Bruder jagt nach. Sieh! sieh!

PRINZ ZIFALDO. Die Zauberinnen fliegen wie Pfeile durch die Luft. Leute, habt ihr die Infantin nicht gesehen?

ALMERINE. Ins Gebüsch, Prinz, sie warten auf Euch.

PRINZ ZIFALDO. Halt 's Maul, Junge. Hätt ich nur meine Hunde.

BALLONA. Kommt, es ist genug hier.

ALMERINE. Habt Ihr gehört, Ballona! Nun hab ich Mut, da mich der wilde Zifaldo für einen Jungen hält.

BALLONA. Ja schon recht. Euer Bruder fängt des Teufels Sache hier an. Sie zerren ihn aber auch brav herum, wie Ihr seht. Es ist lustig, ihn zu hören. Seine einzige Beschwerde ist über die Sitten des Landes, die wahrlich nicht besser sein können, das versichre ich Euch. Alle Augenblick machet er einen Bock, und das kommt all vom blinden Heidentum.

ALMERINE. Mir ist bange, sie möchten ihn reizen. Er ist grimmig wie der Tiger, und fürchterlich. Ersticht einen um ein zweideutiges Wort. Erst kurz kommt er aus Afrika, wo er im Streit bei einer Löwenjagd ein grausames Blutbad angerichtet hat. Ich kann ihn allein zwingen mit guten Worten.

BALLONA. Wen solltest du Engel nicht –

ALMERINE. Komm doch!

BALLONA. Armes Herz!

PRINZ ZIFALDO um die Büsche herumjagend. O meine Hunde – Infantin! Infantin! einen Laut nur!

LILLA. Pih!

PRINZ ZIFALDO nach dem Laut laufend, kriegt eine Pomeranze auf die Nase. Hexe, wenn ich dich krieg, erdroßle ich dich für Liebe.[1131]

INFANTIN UND LILLA zugleich aus einem andern Busche. Schöner Zifaldo! Lieblicher Prinz! Ei so komm doch, und trag uns über den Bach.

PRINZ ZIFALDO schießt hinüber. Wo? Wo? Seh kein Wasser! Streckt doch eure weiße Hände heraus, ihr Huris!


Kommen Zitronen und Pomeranzen geflogen.


PRINZ ZIFALDO. Werft ihr? Nach mir? Nach dem Prinz der Mauren?


Aus den Büschen von verschiedenen Orten.


Pih! Pih! Zifaldo! Hülfe! Hülfe!

LILLA. Wir werden entführt, Prinz.

PRINZ ZIFALDO auf allen Seiten laufend und keichend. Werfen aus den Büschen. Ich will euch erwischen, und wenn ihr in Kaninchen verwandelt würdet. Springt ins Gebüsch.

ISABELLA tritt auf. Schmerz! Schmerz! Wo flieh ich? Wie end ich? O empfangt mich, melancholische Büsche, decket mich! Decket mich vor mir! Nehmt auf die Verlaßne! Und seid mein verborgenes Grab! – O Gedanken, mich zu rächen! Wilde, peinigende Gedanken, ihr gewinnt's nicht über mein Herz! Liebliche Sänger, erweichet mein Herz, singt mich in traurige Melancholie, und besänftigt mein schlagendes Herz, mildert den wilden Gedanken! Wie verworfen! Wie verlassen! Glaubte hier mein Leben zu verleben, kam mit den Hoffnungen der Liebe, und nun – nehmt mich auf, dunkle Büsche, ich bin elend.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1129-1132.
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