Erste Szene


[1134] Ein Lusthaus.

Grisaldo in Isabellens Armen eingeschlafen. Sie sieht ihn bald mit starren, bald mit weichen Blicken an. Windt sich hervor, und unterstützt sein Haupt mit einem Kissen.
[1134]

ISABELLA. Nun wärst du eingeschlafen! Nun in meiner Gewalt! Ich hätte dich zu rächen. Was seine Miene? Meine Augen weg! oder meine Seele löst sich! An meinem Hals, an meinem Herz in süßer Sicherheit eingeschlafen! Und fühltest nichts? Nicht das schwarze Beginnen, das in dieser Nacht reif ward? Gott! Allmächtiger Gott! in welchen Taumel haben sie mich gebracht, und all meine schon schwache Sinne verkehrt. O Nacht! wie mich in Abgrund geschleudert – Zifaldo! rasender Zifaldo! Was müßtest du an und in diesem Herzen wüten – Grisaldo! so schön! so lieb! Ach so lieb und falsch! Konntest du Isabellen, den Stolz von Aragonien, so grausam hingeben? Und bist du es wirklich, Grisaldo? – Noch einen Kuß von diesen Lippen, Zauberer! – Erwache nicht! Du sollst sie verlieren, diese allgewaltige Augen, die mich bestrickt haben, und ich will kalt bei dir vorübergehen. Einen Kuß auf diese Lippen, die mir Liebe stammelten, von denen ich Leben und Entzücken in mich trank. Und jetzt dich küssen mit dem Gedanken, daß du mir entwendet bist, und Gift von Liebeslippen – Küßt ihn. So! und noch einen! Deine Augen zu! Du sollst das Licht nicht mehr sehen. Und noch einen! Ist dieser Atem Liebe, und neigst dich – Ha! Sinkt zurück. Gräßlich! Gräßlich! Wie schwarz! Wie finster! in meinem Herzen entzünden sich neue Flammen, mächtiger wie vor. Diese Augen blenden? Diese Augen? – Du siegst! – Bastiano. Der Weg zu ihm geht durch mein Herz. Ich kann nicht. Du lächelst? – Ich kann, kann nicht. Nach der Tür. Schlaf, ich will die Dons aus dem Hause jagen, und dich, an deinem Hals hängend, wecken. Noch einen Kuß, und es schwindet, Mächtiger! Nach der Tür. Treten Männer herein, die sie fassen, ihr den Mund zuhalten, und sie wegschleppen. Die Männer kehren teils wieder.

EIN MANN. Leise! Gebt mir die Nadel. Das große Aug soll in ewige Nacht sinken.


Nahen sich furchtsam. Zwei halten Nadeln in den Händen, und wollen ihn blenden.


ALMERINE am Fenster herauf, es einstoßend. Grisaldo! Grisaldo! Grisaldo!

GRISALDO fährt auf. Geist meiner Almerine!

ALMERINE. Sieh deine Mörder!

GRISALDO zieht sein Schwert, die Männer fallen nieder.

ALMERINE. Helf mir in deine Arme!

GRISALDO. Meine Almerine!


Malvizino und Ballona treten auf.
[1135]

BALLONA. Ermorden Euch!

MALVIZINO. Das verfluchte Weib! Und ihr –


Auf die Männer los.


GRISALDO. Laß sie, Malvizino, und haltet sie nur fest.

ALMERINE an seinem Hals. O Grisaldo! Grisaldo!

GRISALDO. Du! Und so!

ALMERINE. O kein Wort, kein einzig Wort, und wenn es mein Leben kostete.

GRISALDO. Wo ist Isabella? Wo sie, die mich zweimal –

EINER VON DEN MÄNNERN. Fortgeschleppt! Wir hörten, daß sie's reute –

GRISALDO. Wer brachte sie und euch dazu?

MALVIZINO. Heraus, oder ich ermorde euch.

EIN MANN. Bastiano, der sich in dieser Stunde zum König macht, mit Curio.

GRISALDO. Ich habe geschlafen wie der Löwe, und die Tiere spotteten seiner, und tanzten auf seinem Rücken. Nun will ich mich aufmachen, wie der Löwe, mich schüttlen und brüllen, daß sie sich wieder in ihren Höhlen verstecken, und weh dem, der sich nicht zurückzieht! Komm, süße Almerine! und bleib bei Malvizino und Ballona, ich will das Ding zerbrechen, und alles wieder ins vorige stellen, und denn Almerine – Ich will gehen und die Könige krönen. Und Ihr zum König verkündigt! Schleppt die Kerls mit!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1134-1136.
Lizenz:
Kategorien: