Zweite Szene


[1136] Zimmer im Palast.

Bastiano im prächtigen Schmuck. Curio im Schmuck und Truffaldino.


BASTIANO. Freunde und Lieben! Die wichtige Stunde ist nun da, nach welcher wir so lange mit heißen, peinigenden Wünschen strebten. Unsere Herzen sind frei, und niemand legt ferner unsern Geist gefangen. Es ist nun an uns, andere in Ketten zu schlagen, und den Wechsel der Dinge zu belachen. In diesem Augenblick sinkt der größte und mächtigste Mensch des Reichs in ewige Nacht. Wir werden ihn sehen sich an den Wänden halten, schreien nach Licht, und wandlen mit tötender Bitterkeit und Grimm durch den elenden Rest seiner ihm von uns noch geschenkten Tage. Den König belagern, meine Dons, und[1136] nach Endigung dieses unsers Hauptgeschäfts wollen wir auch ihm seinen neuen Platz anweisen. Ich kann mich verlassen auf meine Dons.

CURIO. Eure Dons?

BASTIANO. Ja meine Dons, und warum nicht meine Dons, zarter Mensch! – Die Krone von Kastilien hat lang genug geschlafen, ich bin da, sie zu wecken, ich bin da, Feuer und Leben in dieses Land zurückzubringen.

CURIO. Und ich nicht weniger.

TRUFFALDINO. Und ich nicht weniger.

BASTIANO. Jeder folge seinem Bescheid von euch, und nehme von mir an, was ich ihm zuweise und zufließen laß.

CURIO. Ha! Alexander Magnus könnte nicht hochtrabender reden. Ha! hi!

BASTIANO. Lache nicht, Rat Curio, oder mein fürchterlicher Zorn, der mit einer Krone noch fürchterlicher wird, möchte dir schwerfallen. Schlägt auf seinen Degen. Wer arbeitet, erwirbt. Du hast bei dieser großen Sache nichts getan. Ich mußte wachen und vorbereiten. Arbeiten mit Worten und Werken. Mich erniedrigen sogar, und mich nach andern bequemen, mittlerweile du zarter Mensch einem Weibe nachzogst, dich zum Schatten aufzehrtest, daß dir keine Kraft zu einem verwegenen und kühnen Gedanken übrigblieb. Deine Schläfe sind hohl, dein Gesicht verfallen, dein Körper zerstübt. Die Totengerippen tragen weder Krone, noch sonst was davon. Deswegen ich mir einfallen ließ –

CURIO. Wie? Du siehst eher dem Totengeripp gleich –

BASTIANO. Um vollwangicht zu werden, um blühend zu werden. Don Curio, mein Geist wuchs bei der Abnahme und dem Hinfallen meines Körpers, bei Euch war's umgewandt. Ihr sankt tiefer, je blässer Ihr wurdet. Wer fähigen Geist hat, und lebende Tätigkeit, überlangt die, welche in Untätigkeit dahinleben. Ich bin der Erste in Kastilien, schon mein Vater hatte die Krone, und das brauch ich nicht anzuführen – um's Euch zu beweisen – Truffaldino, öffne den Schrank, und bring die Reichsinsignia her.

CURIO. Er frißt uns auf. Wir haben seine Klauen geschärft. Wir haben seine Stärke mit der unsrigen mächtiger gemacht. Er frißt uns auf.

BASTIANO. Das ist der Gang der Welt, Curio! Macht keine Glossen jetzt, und lernt was hier, denn es ist einmal Zeit.[1137]

TRUFFALDINO am Schrank. Ist's denn auch Euer rechter Ernst, Bastiano?

BASTIANO. Nimm einen bessern Ton an. Vertraulichkeit ziemt nicht mehr. Schließ auf!

TRUFFALDINO legt die königliche Insignia auf den Tisch.

BASTIANO. Daß diese Krone mein seie, sei Euch hiermit gesagt, salutiert mich!

CURIO. Und daß sie mein sei, sei dir gesagt, salutiert mich!

BASTIANO. Soll ich sie mit deinem Blut versiegeln, Mensch! Entferne deine matten Augen, und laß dich nicht lüsten –

CURIO. Du sollst mir Gift fressen, Bastiano! Und wenn ich mit dir krepieren müßte. Sieh in mir deinen Teufel!

BASTIANO. Ich will dich hängen lassen, Curio!

TRUFFALDINO. Daß diese Krone mein sei, sei Euch gesagt; salutiert mich!

BASTIANO. Wie, Mensch, bist du rasend? Staub und Bastard König von Kastilien. Beleidige mein königliches Aug nicht weiter!

TRUFFALDINO. Das Schicksal ist eisern.

BASTIANO. So bin ich das, es zu zertrümmern. Nach seinem Degen. Du bist zu niedrig, mich mit dir zu vermengen.

TRUFFALDINO. Du schmeicheltest mir, und ich war dir alles.

BASTIANO. Solang ich dich brauchte, das war Weisheit, und auch dies tat ich dir nicht und keinem.

TRUFFALDINO. Ich geh zum König.

BASTIANO. Zerfall in Stücken unter meinem Degen, und tritt vor die Tür. Ich hab königliche Wache, salutiert mich!

CURIO. Und die Infantin?

BASTIANO. Salutiert mich!

CURIO. Und die Infantin!

BASTIANO. Ich brauch eine Königin.

CURIO fällt ihn an. Nicht die Infantin mein! Nicht die Infantin, mein häßliches Ungeheuer! Ha brüste dich nur, ich bin schwach, aber stark genug, dir 's Leben auszublasen. Nicht die Infantin mein!

BASTIANO. Mensch, kehr zu deinen Büchern! salutiert mich, ich will großmütig sein.

CURIO. Teufel und Bastiano! Ich muß die Infantin haben. Leben gegen Leben! He werf die Lippen immer auf, und beiße die Zähne zusammen. Die Infantin!


Zieht den Degen.


BASTIANO. Gegen deinen König?[1138]

CURIO. Wo ist mein König? Und wo bist du König? Meinst du, weil du Dons und Bettler auf deine Seite gebracht hast! Ich bin da, dich zunichte zu machen. Zittre!

BASTIANO. Die Eiche steht fest.

CURIO. Und wird doch gefällt. Bebe! Nicht die Infantin mein!

BASTIANO. Steck deinen Degen ein, zarter Mensch! Du weißt nicht mit umzugehn.

CURIO. Die Infantin!

BASTIANO. Geh, und wirb um sie, Truffaldino!

TRUFFALDINO. He!

PRINZ ZIFALDO tritt auf. Pah was machen die Leute da? Was soll die Maskerade, Bastiano?

BASTIANO. Erkennt in mir den König von Kastilien.

PRINZ ZIFALDO. Diesen Degen weg.


Wirft ihn vom Tisch.


BASTIANO. Prinz!

PRINZ ZIFALDO. Ihr! Und erkennt in mir den Mann, der Euch mit Krieg heimsucht, daß kein Stein auf dem andern bleibt, oder Tribut noch eins soviel, als ich Euch geben mußte. Pah!

BASTIANO. Mein Prinz, ist das unsere Abrede!

PRINZ ZIFALDO. Glaubt Ihr, die Maurer seien Narren? He Unsinnige! Ihr habt mit des Generals Verderben eure Seiten entblößt. Kastilien ist gefallen. Und was für ein Mensch seid denn Ihr mit dieser Frechheit? Meint denn Ihr, es wär genug, sich einer Krone zu bemächtigen? Sei König wer da will, wenn Grisaldo weg ist. Aber den Tribut! Den Tribut! Bastiano! Oder du sollst bei deiner Krone nicht schlafen. Legt den Degen auf den Tisch. Rühre diese Krone nicht an! Ich hab Euren König gesprochen, und in ihm einen edlen, guten Menschen gefunden. Ihr habt ihn vergiftet, habt seinen Geist unterdrückt, er war eben nah, sich unter der Last hervorzuheben. Und wenn Ihr Eure Maßregeln nicht gut genommen habt –

BASTIANO. Dafür sorgt nicht!

PRINZ ZIFALDO. Tribut, Bastiano! Und noch einige Städte, die mir gefallen.

TRUFFALDINO. Seht einen König Angstschweiß schwitzen!

CURIO. Ha Bastiano, der du alles frißt.

BASTIANO. Ich bin König, und will als König handlen.

PRINZ ZIFALDO. So erschrickt man keinen Maurer, mit ernsten Mienen, die viel versprechen, und wenig halten. Ich bin der Maurer Prinz, und will als Maurerprinz handlen, und zieh dir[1139] hiermit den Purpur aus. Klingt's? Und sieh! Dies ist ein Schwert, das andre Leute in Staub gestreckt hat, als dich! Hu!

BASTIANO. Laßt Euch behandlen –

GRISALDO tritt auf.

BASTIANO. Ha! So ist nichts übrig, als daß ich mich aufhänge.

TRUFFALDINO. Hi! hi! Bastiano, werde Bastianchen, und bau dein Gärtchen.

CURIO. Den Kopf aus der Schlinge! Nicht die Infantin mein!

GRISALDO. Ich war zu dieser Königskrönung nicht gebeten. Königliche Dons, wer unter euch hatte Lust zu dieser Krone?

TRUFFALDINO. Der! Der! Im Purpur dort!

BASTIANO. Ja ich! Grisaldo! Weil ich Mut hatte. Schlecht ist's ohne meine Schuld gegangen.

GRISALDO. Ich seh viel edle Leute, die all dieser Krönung beiwohnten, wie ich merk. Ein wahrhafter König! Szepter und Krone! Wer gab's Euch?

BASTIANO. Ich! Immer ich! Ich hab mich mit Schurken geplackt, das seh ich. Verdammt seid alle. Und weiter kein Wort!

GRISALDO ruft hinaus. Bindet sie zu den übrigen, und führt sie zum König, er richte über sie. Und Ihr Curio?

CURIO. Mir war's um keine Krone, mir war's um die Infantin.

GRISALDO. Euch, mein Prinz, glaubt ich nicht hier zu finden.

PRINZ ZIFALDO. Nah sich mir keiner! Grisaldo, für was würdet Ihr mich gehalten haben, wenn ich nicht die Zeit angewendet hätte, Euren Staat zu untergraben? Ich bin Prinz Zifaldo, und wenn die Leute in Eurem Lande schlecht sein wollen, so liegt mir's nicht auf, sie davon abzuhalten. Ihr wart uns fürchterlich, und das war der Weg, von Euch loszukommen. Hier ist ein Beweis, was ihr für Menschen seid, die ihre Begierden nicht halten können, in ihrer Blindheit den Besten des Landes aufopfern, sich mit liefern, und immer gegen ihr eignes Eingeweid wüten. Mich ekelt hier alles an, und ich zieh nach Granada. Mich freut übrigens, Euch näher gesehen zu haben. Ihr seid wirklich, was man einen Menschen heißt. Ich hätte ihnen den Hals zerbrochen beim Hereintreten. Mich ärgert nichts, als daß ich eure Weiber nicht beschlafen hab. – Ich hieß sie's beim Propheten nicht! Aber kaum war ich in Valladolid, so hingen sie sich an wie Pech. Und dieser verfluchte Kerl von Bastiano schwätzt wie ein Dämon, und hat Euch das Weib herumgedreht, eh man sich's versah. Aber so ist's, ihr drescht auf[1140] leerem Stroh hier, da werden solche Menschen, Treu und Glauben ist euch nichts.

GRISALDO. Ihr seid mit Leuten umgegangen, die Euch Mißfallen erwecken mußten. Und von Treu und Glauben zu reden, ich kenne Maurer, die einen allein mit Haufen im Schlaf überfielen. Auf Xeneralifa geschah so was.

PRINZ ZIFALDO. Dumm war's, daß es nicht ging. Als Ihr rieft, stürzten sie zurück, ich stieß nieder in Grimm, wen ich ertappte. Ich seufze nach Luft und Leben. Ich will die Isabella aufsuchen, und mit in mein Harem nehmen.

GRISALDO. Zum König, Dons! Und Ihr, Prinz, bleibt noch einige Tage, ich hab Euch viel zu eröffnen. Eure Schwester ist da.

PRINZ ZIFALDO. Meinetwegen.

GRISALDO nimmt die Krone und Szepter. Komm und sei ewig geschützt vor Mißbrauch!

TRUFFALDINO. Bastiano! Baue dein Gärtchen!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1136-1141.
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