Sechste Szene

[1185] Voriger Garten.

Blasius. La Feu, auf einer Rasenbank sitzend.


BLASIUS. Magst du auch hier nicht weg mehr die Nacht, La Feu?

LA FEU. Laß mich nur gehn, die Nacht tut mir so wohl, und mein Herz stimmt sich so neu –

BLASIUS. O unter dem Himmel hier mein Leben verhauchen diese Stunde! – Mir ist gut jetzt, da ich den Gedanken wiederum fest kriegt hab, da er zu Empfindung, zu tiefem Gefühl worden ist. Gesegnet seist du Erde, die du dich uns mütterlich öffnest, uns aufnimmst und schützest! Ach! wenn denn der Mond dämmert, die Sterne flimmern über mir, der ich eingewiegt liege, in tiefem süßen Schlaf. Ich werde noch dieses Gefühl haben. Du wirst mir dasein, ich werde dir dasein. Laß denn den Sturm hinfahren, die Winde heulen über mir, du gibst Ruhe deinem Sohn. Gütigste Mutter, meine Pilgrimschaft ist zu Ende, habe die Dornen betreten, habe auch Freude genossen, hier bin ich wieder!

LA FEU. O Blasius, himmlischer Blasius! hier an deiner Brust, an deinem Herzen, saug ich ein mit dir –

BLASIUS. Liebe, Unglückliche alle die ich verlassen hab, weinet nicht nach mir, vergeßt mich! Ich konnte euch nicht geben, keine Ruhe, keine Hülfe, ich hatte nie. Vergebt mir! Wie tausendmal war mein Herz zerrissen, wie tausendmal bebte meine Seele, wenn ich so unterlag den Menschen, so unterlag dem Grimm des Schicksals, und ich hier nicht wegkonnte, da nicht[1185] wegkonnte. Die Berge zu übersteigen hatt ich Mut genug, aber früh schnitten sie mir die Schwingkraft entzwei. O wer des Herzens, des Gefühls zu viel hat hier! O weh! – liebliche Lüfte gebt mir Liebe noch! La Feu! ich fühl diesen Augenblick nichts von Unbehaglichkeit. Ich fühl eine Stunde, wie sie die fühlen müssen, die eben die Erde verlassen wollen, und die ich immer als die herrlichste dachte. Mein Herz ist so bebend – aber die vorübergehende Fieberhitze – ach die Krankheit der Seele! – Gute Nacht Bruder! Gute Nacht Bruder Wild! und alle gute Seelen, die hier und dort seufzen! – Dank für diesen Augenblick! – Gute Nacht!

LA FEU. Blasius! Blasius!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1185-1186.
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