Dritte Scene

[62] HORST. Siegmar, sie kommen! Eine Cohorte rückt kühn vor. Er und Hermanns Hauptmann geben sich die Hand. Wie geht's uns?

DER HAUPTMANN. Wie es kaum den Parthern gegangen ist![62]

SIEGMAR zu dem Hauptmann. Jüngling, ja bein Quell! geh! Nun, so kommen sie denn endlich! – Kühn, sagtest du? Taumelt's in ihren Seiten nicht?

HORST. Ja, die Seiten schwanken, und der Helme sinken dort viele ins Blut; aber der Lebenden seyn nach den Todten nicht hin.

SIEGMAR. Bald sollen sie noch mehr vorwärts sehn! Die erflehte Stund' ist gekommen, Wodan. Jüngling, Jüngling, du sangst mir ein Walhallalied! Sie kommen! Gehab dich wohl, mein alter Freund.

BRENNO. So muß ich denn den bitteren Abschied nehmen.

SIEGMAR. Du scherzest, alter Mann. Abschied? ein Greis von einem Greise? Laß mir die Opferknaben ... Kommen noch mehr Cohorten, Horst?

HORST. Noch eine kömmt sehr blutig und sehr langsam.

SIEGMAR. Brenno, laß mir die Opferknaben das Lanzenspiel tanzen! Ich muß es noch einmal sehn. Es könnte ja wohl seyn, daß ich es nicht wieder säh'.

DER ÄLTSTE OPFERKNABE. Es ist Niemand hier, der die Lanzen werfen kann.

SIEGMAR. Tanzt nur ohne Wurf.


Sie legen die Schilde und die Lanzen weg.


EIN BARDE.

Blinkt, Lanzen, ihr schreckt sie nicht!

Die Väter lächeln sie an, und schneller tanzen sie durch!

So seht ihr, o Väter, sie einst

Im ernsteren Reihn der Schlacht!

SIEGMAR. Es ist genug. Brenno, sag meinem Sohn' Hermann, daß mich Wodan endlich auch der Schlacht gewürdigt hat!

BRENNO. Ich soll es ihm sagen?[63]

SIEGMAR. Nun, vielleicht sage ich es ihm selbst. Kommen noch mehr Cohorten, Horst?

HORST. Die beiden Cohorten halten und richten Manipeln gegen den Wald.

SIEGMAR. Stehst du den Adler schon?

HORST. Ich seh' ihn noch nicht.

SIEGMAR. Brenno, du erlebst eine schöne Nacht!

BRENNO. Erleb', erlebe sie auch, du Freund meiner Jugend und meines Alters! Ach, Siegmar, etwas Trübes, eine Ahnung schwebt vor mir. Mich dünkt, ich werde dich nicht wiedersehn.

SIEGMAR. Und mich ahnet's, daß du mich wiedersehn wirst.

BRENNO. Wiedersehn denn, aber nicht lang! Wo willst du, daß ich dich begrabe?

SIEGMAR. Drei Grabstätten wären.

BRENNO. Warum siehst du deine Lanze mit diesem besondern Lächeln an?

SIEGMAR. Weil sie blutig besser aussehn wird! und Das bald! und weil ich mehr an Varus Tod denke, als an meinen. – Drei Grabstätten wären mir lieb. – Ich kann jetzt darunter nicht wählen. Entweder hier bei Wodans Altar – oder da, wo ein Adler vor den Cheruskern sinken wird oder auf dem Felsen, wo mir Bercennis meinen Sohn Hermann geboren hat.

BRENNO. Wo gebar sie dir den edeln Jüngling?

SIEGMAR. Auf dem hohen Berge Cheruska's entspringt ein Bach. Der stürzt durch den Bergwald herunter. Der zweite Fels des Thalwaldes, bei dem der Bach vorbeifließt, ist der Geburtsfels meines Sohns.

HORST. Drei Cohorten rücken schneller vorwärts![64]

SIEGMAR. Siehst du den Adler noch nicht?

HORST. O Siegmar, Siegmar, eben seh' ich ihn!

SIEGMAR. Nun gehab dich wohl, mein alter Freund! Der Adler schwebt!


Sie geben sich die Hand.


BRENNO nachdem Siegmar weg ist. Ach, mein Freund Siegmar! Nun ist er hingegangen. – Jetzt gilt's Entscheidung. – Kommen die Katten schon aus dem Wald' hervor?

EIN BARDE. Sie ziehn sich, wie ein dicker Nebel, langsam in den Vorderbusch. Ihr kühner Fürst ist vorn. Ich seh' ihn rufen!

BRENNO. Blutig, blutig wird's entschieden werden! Kedmon, in der Bardenburg bist du näher bei den Legionen. Geh' hinab, o, bring' mir oft Botschaft, wie Wodan die Schlacht lenkt. Kedmon geht. Barden, tretet mehr seitwärts, dicht an den Rand des Felsen, daß der Kriegsgesang lauter ins Thal schalle. Wartet noch: bekränzt euch mit dem heiligen Laube, eh' ihr anfangt. Unsre Krieger unten sollen euch bekränzt sehn, wenn sie herauf sehn. Geht, Druiden, schneidet ihnen den Zweig. Mein Herz schlägt mir laut vor Freuden, Druiden! Einen Tag, wie dieser ist, erlebt man nur einmal! Aber, ach, mein alter Freund, Siegmar! Ich hört' ihn oft von der Schlacht des Ariovist erzählen. Er konnte das Blut der Jünglinge nicht vergessen, mit denen er das Lanzenspiel getanzt hatte. Ihr habt's gehört, mit welcher Rache er es rächen will. Die Barden und Druiden kommen nach und nach zurück. Ach, wenn er nur nicht auch von dieser Schlacht heut' in Walhalla erzählt! Nun, ich höre ihn ja bald wieder erzählen! So ist es recht, so ganz vor an den Rand des Felsen. Von daher rufen eure Hörner lauter ins Thal. O Schlacht, Schlacht, blutige schöne Todesschlacht, wie ungestüm klopft mein Herz nach dir hin! Singt, Barden![65]

DIE BARDEN sie bekränzen sich, indem der Gesang anfängt.

ZWEI CHÖRE.

Mit leichten blutigen Spielen begann die Schlacht.

Wenig einsame Wolken zogen herauf,

Bis auf Einmal der ganze Himmel

Bedeckt ward von dem Wetter.


Da stürzte von allen Seiten herab sein Donner!

Und stürzt'! Euch wurde kein Ahnungsblick.

In diese Ankunft!

Wie hat euch des Stolzes Taumel getäuscht!

EIN CHOR.

Ihr schlummertet auf dem Lager der Blumen,

Die wir euch streuten.

Wir streuten sie hin; bei jeder wüthete heißer in uns

Die Flamme des gerechten Zorns!

EIN ANDRES CHOR.

Nun verkennet ihr endlich nicht mehr

Thuiskons kühnes Volk!

Sie wüthet, sie wüthet nun auch an der Spitze der Lanze,

Die Flamme des gerechten Zorns!

DIE BEIDEN CHORE.

Laßt Botschaft leben, ihr Fürsten!

Daß laut es erschall' im Capitol,

Wie über dem furchtbaren Rhein in den heiligen Wäldern

Wüthe die Flamme des gerechten Zorns.

ZWEI BARDEN.

Ihr Töchter der Fürsten, brecht Zweige zu dem Fest'

Im innersten Schatten des Hains!

Nun führen sie euch mit der goldenen Fessel nicht

Vor dem Wagen des Triumphs![66]

EINER.

Tochter Siegmars, tritt du voran!

Tritt, Hermanns Weib, Thusnelda, voran!

Nun führen sie dich mit der goldenen Fessel nicht

Vor dem Wagen des Triumphs!

ALLE.

Dumpf tönt durch das Graun der Nacht daher der Wagen des Todes;

Vor ihm geht Varus; der Wagen rasselt

Walhalla vorbei, kracht hinab

Zu dem Strom Kocytus!

BRENNO. Wo säumt Kedmon? Sieht Keiner von euch dort, die am Anhange stehn, wie sich die Schlacht wendet?

ZWEI BARDEN fast zugleich. Ueberall blutig! Blut überall! nichts entschieden!

BRENNO. Warne sie, Werdomar!

ZWEI CHORE.

Stolz auf Feldherrnweisheit,

Rufet der heilige Bardengesang euch zu:

Haltet es nicht Sieg,

Daß ringsumher sie Wasser und Wald, und ihr sie einschließt!


So lauge noch eine der Legionen

Mit ausgebreiteten Armen hertritt

Oder blutig schwankt,

So streite dort das Hundert, das Heer,


Wie mit den ersten Waffen der Jüngling,

Schnell, mit gehaltnem Ungestüm,

Mit wählendem Blick' und gemess'nem Sprung,

Kalt und kühn, des heiligen Laubes werth![67]

DREI CHÖRE.

Es schwebe vor euch der Tag der Schmach

Und des weiseren Siegmars Thräne,

Da, den ihr liebtet und verfluchtet,

Drusus euch entrann!


In tieferem Thal' und vor jedem Tritt' umringt,

Stand des Römers schweigendes Heer.

Mit Stolz, der verachtete,

Spieltet ihr gegen ihn hin; er schlug und entrann!


Er hat Denkmale der Schmach gebaut,

Die vom fernen Gebirge der Wanderer Galliens sieht.

Am Zusammenfluß der Ströme steht Aliso

Gleich der Eiche, die andern wie Tannen am Rhein' hinab.

ALLE.

Dann erst habt ihr gesiegt,

Wenn langgestreckt und stumm in dem Thale liegt

Roms Heer, der Riese, mit keiner Cohorte mehr zuckt,

Und den Mond verdunkelt in Fliehn sein Schatten!

BRENNO. Noch immer kommt Kedmon nicht! Werdomar, sing nun dem Heere von den Thaten seiner Väter.

EIN CHOR.

Höret Thaten der vorigen Zeit!

Zwar braucht ihr, euch zu entflammen, die Thaten der vorigen Zeit nicht;

Doch tönen sie eurem horchenden Ohr,

Wie der Jägerin Geschrei, die triefen das Blut des Wildes sieht.

ZWEI CHORE.

Von Römerrossen bebte die Erde!

Funfzig waren der kommenden Hunderte![68]

Wir waren acht der Hunderte nur

Und hörten ihn wohl, den dumpfen Todeston!


Lauter wie der Schlag des Hufs

Ward auf Einmal unser Kriegsgeschrei!

Wir flogen daher

Gegen die Tausende!


Wie weheten die Mähnen! wie wölkte sich der Staub!

Wie schäumten die kleinen Heerden des Felsenwalds!

Ueber dem Strome wieherten die andern und weideten

An des Ufers Schilfgeräusch.


Noch wurde kein Römerrücken gesehn!

Noch sprengten sie hoch gegen uns her!

Zum Tode trafen die fliegenden Lanzen.

Auch Deutsche sanken blutend ins Gefild!

DREI CHÖRE.

Da sprangen wir herab von den Rossen!

So stürzt aus der Höh sich der Geier herab!

Auf Einmal wütheten wir unter ihnen!

Von schwarzem Blut troff ihr sinkend Roß.


Die stolzen Turmen flohn!

Nach uns her flatterten die Mähnen!

Nach uns her wölkte sich der Staub

Der stolzen Turmen!


Schon hatten wir auf die Heerden des Felsenwalds

Uns wieder geschwungen!

Wir trieben die Geschreckten vor uns her,

Auf langen Gefilden, durch Bach und Strauch vor uns her,
[69]

Bis dicht an die Lanzen der Legionen,

Bis hin, wo der Adler Flügel schatteten,

Nah' hin vor den verwunderten finstern Blick

Des Stolzesten unter Romulus Söhnen!

EIN BARDE er ruft. Wir helfen siegen! Ich seh es! ich seh's!

EIN ANDERER BARDE. Bei Wodan und Braga, Das thun wir!

EIN CHOR.

Höret Thaten der vorigen Zeit!

Zwar braucht ihr, euch zu entflammen, die Thaten der vorigen Zeit nicht,

Doch tönen sie eurem horchenden Ohr,

Wie das Säuseln im Laube, wenn die Mondennacht glänzt.

ZWEI CHÖRE.

Mit dem Frühlingssturm schwamm über den Rhein

Der Deutschen Heer,

Der Jüngling auf dem Ross' und ohn Roß, der Greis im Kahn,

Nach des Stromes hohem Ufer hin!


Die fliehende Legion

War uns nicht schnell genug!

Wir kamen dicht an ihren Rücken heran

Und verstreuten und tödteten sie!


Er hatte des Windes Eil,

Der Adlerträger!

Doch der Lanzen eine stürzt' ihn hin, und der Adler schwebte

Unter dem schimmernden Flugel des Nachtgefährten!
[70]

Roß und Mann sendete Roms Feldherr

Gegen uns her. Es waren der hohen Turmen viel!

In dem ganzen Lager wieherte kein Roß,

Als nur das Lasten trug.


Still war der Hinterhalt,

Wie es unter den Espen der Gräber ist.

So war nicht das Kriegsgeschrei,

Da von allen Seiten das Heer auf die Turmen fiel!


Wir rötheten weit umher den Sand!

Wenige nur entrannen in des Feldherrn Lager!

Schnell sahn wir das Lager vor uns, doch schreckt' es uns nicht!

Der Feldherr entfloh mit den Legionen!

EIN CHOR.

Höret Thaten der vorigen Zeit!

Zwar braucht ihr, euch zu entflammen, diese Thaten nicht,

Doch tönen sie eurem horchenden Ohr,

Wie die Stimme der Braut, wenn sie Blumen euch bringt.

ALLE.

Der Donnerer des Capitols

Legt' in dem Gefilde Pharsalia

Auf seine furchtbare Wage

Cäsars Schicksal und Pompejus Schicksal und wog.

DREI CHÖRE.

Die Ritter Pompejus und des Senats saßen im hohen Zelt'.

In dem durch Epheu die Kühlung und durch Myrthen wehte!

Sie saßen und siegten und tranken aus Golde

Falernergift!
[71]

Da rufte die Trompete zu der Schlacht!

Die Ritter schwangen sich schnell auf die brausenden Rosse

Und zogen sich dicht an den linken Arm der Legionen,

Gleich einem finstern Walde.


Da suchte der fliegende Blick

Des künftigen Dictators

Die Blumenschild' in dem Heer,

Die leichten Lanzen in dem Heer.


Wir folgten mit freudigem Tanz' ihm nach:

Denn wir sahen's, er dachte groß von uns!

Ihm nach, mit lautem freudigem Tanz, sechs deutsche Cohorten:

Denn gegen die Edelsten Roms stellt' er uns hin!


Die Ritter kamen, und Pharsalia scholl!

Wir stürzten in den Wald hinein!

Kein Schonen war! kein Schonen war!

Sie starben oder entflohn in das ferne Gebirg!

ALLE.

Der Donnerer des Capitols

Legt' in dem Gefilde Pharsalia

Auf seine furchtbare Wage

Cäsars Schicksal und Pompejus Schicksal und wog.


Die Söhne Romulus stritten, und gleich schwebten die Schalen.

Da eilten die Söhne Thuiskons herzu:

Da sank, mit schnellem Uebergewicht,

Die Schale Cäsars!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Sämmtliche Werke. Band 6, Leipzig 1844, S. 62-72.
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