Fünfte Scene.

[77] THUSNELDA mit zwei Hauptleuten. Verzeih, Brenno, daß ich zum Altar komme, da nicht geopfert wird. Ein gefangner Römer hat uns mit der Nachricht geschreckt, daß Hermann verwundet sey. Der Ruf breitet sich immer weiter aus. Ich will von mir nicht reden; aber, wenn ihn nun die Cherusker hörten, die Siegmar zur Schlacht hinunter geführt hat!

BRENNO. Todesrache, Thusnelda, wie die wegen Hermann wäre, machte ihnen den eisernen Arm schwerer, stärker, die Lanze blutiger!

THUSNELDA. Ach, Brenno, Brenno! ist er denn wirklich verwundet?

BRENNO. Wann wurde der Gefangne gebracht?

THUSNELDA. Eben jetzt. Ich komme aus der nahen Bardenburg.

BRENNO. Es ist nicht lang' her, da Hermann zu Siegmar sandte. Der Hauptmann sprach von der Schlacht mit Siegmar.

THUSNELDA. Also ist er nicht verwundet?

BRENNO. Der Hauptmann sprach nur von der Schlacht. Du weißt, daß Hermann und unsre Hauptleute von der Wunde nicht reden, die nur blutet, und die ihnen ihre Stärke läßt.

THUSNELDA. Ich kenne dieß fürchterliche Aushalten. Wie oft wurde es tödtlich! Ach, Brenno, du verschweigst mir doch nichts?

BRENNO. Ich habe gesagt, was ich weiß. Aber warum glaubt ihr denn diesem Römer? Entweder kennt er Hermann nicht, oder er will uns zaghaft machen. Hermann[78] ist in nicht kleiner Gefahr, allein Das ist er, seitdem er bei Mana schwur. Und damals zittertest du ja nicht. Ich erinnere mich's sehr wohl, wie du in seine Arme liefst, die vom Schwur' heruntersanken.

THUSNELDA. Und ich erinnre mich, wie Die denken müsse, die Hermann gewählt hat! Sein Schicksal sey Wodan überlassen!

EIN BARDE. Ich seh' einen römischen Priester durch die Felsspalten heraufsteigen.

BRENNO. Du triffst sehr sicher, Werdomar. Nimm deine schnellste Lanze. Wenn der Priester still steht und herauf sieht und dann umkehrt, so tödt' ihn.

WERDOMAR nach einigem Stillschweigen. Jetzt scheint er mich zu sehn. Er arbeitet seitdem noch lebhafter durch das Gesträuch, um herauf zu kommen.

THUSNELDA. Schreckt ihn deine Lanze nicht?

WERDOMAR. So nachlässig, wie ich sie halte, kann sie ihn nicht schrecken. Er hat kein Römergesicht.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Sämmtliche Werke. Band 6, Leipzig 1844, S. 77-79.
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Hermanns Schlacht
Die Hermanns Schlacht
Klopstocks Sämmtliche Werke: Bd. Der Tod Adams. Hermanns Schlacht (German Edition)