Fragen

[113] Veracht ihn, Leyer, welcher den Genius

In sich verkennet! und zu des Albion,

Zu jedem edlern Stolz unfähig,

Fern, es zu werden, noch immer nachahmt!


Soll Hermanns Sohn, und, Leibniz, dein Zeitgenoss,

(Des Denkers Leben lebet noch unter uns!)

Soll der in Ketten denen nachgehn,

Welchen er, kühner, vorüber flöge?


Und doch die Wange niemals mit glühender

Schamvoller Röthe färben? nie feuriger,

Sieht er des Griechen Flug, ausrufen:

Wurde zum Dichter nur er geboren?
[114]

Nicht zürnend weinen, weinen vor Ehrbegier,

Wenn ers nicht ausrief? gehen, um Mitternacht

Auffahren? nicht, an seiner Kleinmuth,

Sich, durch unsterbliche Werke, rächen?


Zwar, werther Hermanns, hat die bestäubte Schlacht

Uns oft gekrönet! hat sich des Jünglings Blick

Entflamt! hat laut sein Herz geschlagen,

Brennend nach kühnerer That gedurstet!


Dess Zeug' ist Höchsted, dort, wo die dunkle Schlacht

Noch donnert, wo, mit edlen Britanniern,

Gleich würdig ihrer grossen Väter,

Deutsche dem Gallier Flucht geboten!


Das Werk des Meisters, welches von hohem Geist

Geflügelt hinschwebt, ist, wie des Helden That,

Unsterblich! wird, gleich ihr, den Lorber

Männlich verdienen, und niedersehen!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 113-115.
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