Der Kapwein, und der Johannesberger

[224] Alter Vater Johann, zürne mir Deutschen nicht,

Dass ich die Tochter Konstanzia

Lieber (darf ich es auch, darf ich das trunkne Wort

Wagen?) lieber sie trink' als dich.

Du verzeihest vielleicht; doch die Kanoniker,

Deine Säuglinge, diese nicht!

Ohne Schimmer, (du liebst glänzende Eitelkeit,

Liebest Blendung des Auges nicht)

Ruhest du in dem Kristall. Deine Gerüche sind

Stiller Stärke Verkündiger.

Guter, alter Johann, froheres Leben dringt

Mit dir Greisen durch Mark und Bein![225]

Bald ist ihnen nicht mehr Krücke der Rebenstab;

Bald versuchen sie seinen Schwung.

Nun du hast es gehört, wie, dich zu preisen, mir

Meine schlürfende Lippe trof!

Hast verziehen. Allein Wahrheit ist wahr, und bleibt's!

Deine Tochter Konstanzia

Blinkt einladend, wenn sie Farbe des Goldes schmückt;

Doch wenn die des erwachten Tags,

Blinkt sie lockender, glüht, glüht wie die Braut, die sich

Nun doch auch zu gewaltig schämt.

Deiner Konstanzia Duft gleichet des Rbsenöhls,

Nein, gleicht dem der durchwürzten Luft,

Welche trinkt der Pilot, wenn ihm der Wimpel wehr

Nach den Inseln der Seligen.

Dicht mit Eichen bekränzt, wandte sich Tmolus einst,

Mit dem Gotte der Wald, dass hin

Bis ins tiefere Thal rauschten die Blätter, bis

Zu dem fliehenden Reh; so hast,

Alter Vater Johann, du dich nach mir gewandt,

Und zurauschend Konstanzia's

Preis vernommen. Sie hat bräutliche Röthe! sie

Duftet, wie Inseln der Seligen![226]

Und die Süsse, mit der sie auf die Zunge rint,

Rann aus dem Nektarpokale nicht.

Aber wer sitzet dir denn in dem beeichelten

Kranze, zechend mit wildem Schrey,

Dass dein Laub dir erbebt? Ha die Kanoniker

Sind es! Wehe mir! sind's, und ich

Bin verloren! Das Lob deiner Konstanzia

Hat zur Rache sie gegen mich

Angeflammet! Schon schliefst tobend ihr Kreis mich ein!

Schon zerschmettern sie, stümmeln mich,

Und wie vor Alters sein Haupt Orpheus im Hebrus floss,

Fliesset mir in dem Rhein das Haupt!

Aber die Stimm' ist auch mir todt nicht, Konstanzia

Ruft sie, die starrende Zunge ruft

Noch Konstanzia, und, Vater Johann, dein Kranz

Hallet wieder Konstanzia!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 224-227.
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