26.

[105] Unter Blutsfreunden stiftet der Eigennutz oft unversöhnliche Feindschaft, so wie er auch verstellte, falsche Freundschaft, Aufmerksamkeit und Pflege heuchelt, wenn er seine Rechnung dabey findet. Wenn eine Erbschaft zu erschleichen, einer alten Muhme oder einem kränkelnden Oheime ein Legat abzulocken, wenn eine Verlassenschaft unter lachende Erben zu theilen, wenn ein gutmüthiger Vetter zu einem für ihn nachtheiligen Vergleiche zu bereden ist; dann zeigt sich der Eigennutz, mit den glatten Waffen der[105] Schmeicheley, Gutmüthigkeit und zärtlichen Sorgfalt, oder, nach den Umständen, mit der Wuth der Habsucht, der Arglist und der Chikane ausgerüstet, in seiner ganzen Stärke.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 105-106.
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