Der 1. Absatz.

[1] Von GOtt.


Ajove Principium, von dem Obristen der Göttern solle man den Anfang machen / sagte ein gewöhnliches Sprichwort bey der alten Heydenschafft. Aber mit besserm Fug und Recht sollen wir Christen sagen: A Creatore Principium, von dem Erschaffer aller Dingen sollen wir anfangen / wann wir recht und ordentlich von denen Geschöpffen reden oder schreiben wollen. Dann wie ein H. Vatter anmercket / so erfordert die rechte Ordnung / daß man ein Red oder Geschäfft mit GOtt anfange und mit GOtt endige. Optimus ordo incepti sermonis & negotii est à DEO incipere, & in DEum desinere.1 Aber was soll ich sagen von demjenigen / dessen bloser Nahm auch so wunderbahrlich und unaussprechlich ist? Quàm admirabile est nomen tuum! Wie herrlich und wunderbarlich ist dein Nahm? schreyet David auf. Sein Weesenheit aber ist auf alle Weiß gantz unbegreifflich und unendlich. Incomprehensibilis cogitatu.2 Es sagt zwar der Weltweise Socrates, GOtt seye der Beste und Glückseeligiste: Es sagt auch der weise Thales, GOtt seye was kein Anfang und kein End hat: es sagt widerum ein andrer / was der Steurmann in dem Schiff / der Fuhrmann bey dem Wagen / was der Oberste Feld-Herr bey dem Kriegs-Heer / das seye GOTT in der gantzen Welt. Aber am allerbesten hat es meines Erachtens getroffen jener Philosophus,[1] welcher / als er von einem gewisen König befragt wurde /was GOtt eigentlich seye / da hat er zu antworten 15. Täg Denck-Zeit begehrt: als aber dise verflossen waren / begehrte er noch andere 30. und als auch dise vorbey / hielt er auf ein neues um zwey Monath Bedenck-Zeit an.3 Als nun der König wegen dem langwierigen Aufschub verdrüßig wurde / und auf die Antwortt getrungen hatte / da bekennete der Philosophus aufrichtig / daß je mehr und je länger er nachsinne / was GOTT seye / je weniger könne er es sagen und begreiffen. Ja eben dises hat vor längsten der Job bezeuget / sprechend: Ecce DEus magnus vincens scientiam nostram:4 Sihe! GOtt ist groß und übertrifft all unser Wissen.


Alls einstens der Heil. und hocherleuchte Augustinus an dem Ufer des Meers spatzierte / und in den Gedancken von dem hohen Geheimnuß der allerheiligisten Dreyfaltigkeit gantz vertiefft ware / da ersahe er ein kleines Knäblein / welches mit einem Löffelein in der Hand sich gantz emsig bemühete das weit und tieffe Meer in ein kleines Grüblein heraus zu schöpffen.5 Augustinus lächelte darzu / und sagte / O mein Kind stehe ab von diser vergeblichen Mühe und Arbeit / es ist ein gantz unmögliche Sach / dero du dich unterfangest. Ja widersetzte das Kind (so ein verstellter Engel ware) vilmehr stehe du ab von Erforschung deß unergründlichen Geheimnuß / deme du nach sinnest: dann gewiß wurd ich vil leichter und bälder das gantze Meer in dises kleine Grüblein heraus schöpffen / als du das allerhöchste Geheimnuß der Heiligsten Dreyfaltigkeit mit deinem Menschlichen Verstand fassen und ergründen. Eine scharpffe Betrohung ist dißfalls ergangen durch jene Wort in Heiliger Schrifft: Qui Scrutator est Majestatis, opprimetur à gloria.6 Ein Erforscher der Majestät wird von ihrer Herrlichkeit untertrucket werden.

So soll uns dann genug seyn / was hiervon der Glauben lehret: daß nehmlich GOTT seye ein pur lauterer Geist / von aller Materi u. Unvollkommenheit unendlich weit entfernet / einfach in der Wesenheit und dreyfach in den Persohnen / ein Urheber der Natur und der Gnad / ein höchster Verweser und Ober-Herr / ein Belohner des Guten und Abstraffer des Bösen / der Anfang und das End aller Dingen /Ewig / und von sich selber / unendlich in der Weißheit / in der Allmacht / Fürsichtig- und Gerechtigkeit /Güte und Freygebigkeit: Ja ein lautere Versammlung oder Zusammen-Fluß aller unendlichen Vollkommenheiten / wegen welchen er höchstens würdig ist / von uns auf alle mögliche Weiß geliebt / geforchten / geehret / und gepriesen zu werden.

Als einstens / wie man sagt / Aristoteles auf dem Meer schiffete / und die vilfältige grosse Wunder der Natur betrachtend scharffsinnig nachdenckte / wer oder was doch der Ursprung oder Haupt-Ursach aller Geschöpffen seye / wo der 24 stündige An- und Ablauff des Meers / der Lauff der Sternen etc. herkomme / von wem alles so weißlich angeordnet und regiert werde: dises aber als ein Heyd durch das blose Liecht der Natur nicht ergründen konnte / da hat er sich ergeben / sich selber in das Meer gestürtzt / und aufgeschrien: Ens entium miserere mei! O du Ding aller Dingen erbarm dich meiner! als wolt er sagen /weil ich dich nicht fassen kan / so fasse du gleich wohl mich.7

Wir aber als mit dem Liecht des Glaubens begabt /und wohl wissend / daß GOtt es seye / von welchem alles natürliche und über-natürliche Weesen herkommt / wollen von Hertzens-Grund zu ihme ruffen: O du Erschaffer aller Dingen erbarm dich unser! und weilen wir dich / als auf alle Weiß unendlich nicht fassen können / so fasse du gleichwol uns / wir wollen uns in das unergründliche Meer deiner Güte und Barmhertzigkeit gantz und gar versencken.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 1-2.
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