Der 3. Absatz.

Von denen Englen.

[4] Das Wort Angelus oder Engel betreffend / so ist dasselbige der Nahm eines Amts / und nicht der Natur /wie der Heil. Pabst Gregogorius anmercket / und heißt so viel als Nuntius, ein Bott; weilen nemlich die HH. Engel Himmlische Bottschaffter seynd / durch welche uns der Willen des Allerhöchsten angedeutet wird.15 Die Natur aber oder die Weesenheit der Engeln belangend / so seynd sie die edliste und fürtrefflichste unter allen Creaturen: Sie seynd die Erstgebohrne der Göttlichen Allmacht / und gleichsam reine Spiegel / in welchen die unerschaffene Sonn der Gottheit klärer als in andern Geschöpffen leuchtet. Dann ein Engel ist ein pur lauterer Geist / er hat ein verständliches unsterblich- und unzerstörliches Wesen.

Die Zahl oder Menge der Englen ist über die Massen und unaussprechlich groß: Der H. Evangelist Johannes macht eine Meldung davon in seiner heimlichen Offenbahrung / und sagt: er habe um den Thron GOttes herum ein Stimm viler Englen gehört / und ihre Zahl ware vil tausend mal tausend.16 Dise aber seynd alle in neun Chör oder Ordnungen abgetheilt /also / daß allezeit eine vollkommener und fürtrefflicher seynd als die andere.17 In dem untersten Chor seynd die Engel / in dem anderten die Ertz-Engel /hernach die Kräfften / die Potestates, die Fürstenthumer / die Herrschafften / die Throni, die Cherubin /und endlich im obersten Chor die Seraphin. Es geziemt sich nehmlichen / daß der höchste König des Himmels so viel edle Hoff-Herren und Bediente um sich habe / die ihm allzeit aufwarten / und seinen heiligsten Willen zu vollziehen fertig stehen. Bald thun sie durch innerliche Erleuchtung oder Eingebung die Menschen in ihrem Thun und Lassen regieren und leiten / zu dem Guten antreiben / und von dem Bösen abmahnen / bald aus Göttlichem Befehl die Gottlose abstraffen / und die Fromme beschützen oder belohnen / den Gewalt und List des bösen Feinds inhalten und hintertreiben / bald aber in der Krafft GOttes Wunder würcken etc. Indessen aber[4] geniessen sie unveränderlich die vollkommene Glückseeligkeit / vermög der seeligmachenden Anschauung GOttes. Angeli eorum semper vident faciem Patris mei.18

Es werden die Engel gemeiniglich in der Gestalt eines geflügelten Jünglings abgebildet / ihre Lebhaffte und Hurtigkeit dardurch vorzustellen. Sie loben und preisen GOTT unaufhörlich mit dem Lob-Gesang Heilig / Heilig / Heilig ist der HErr GOTT Sabaoth. Diejenige Stellen aber / welche durch den Fall Lucifers und seinen Anhang seynd ledig worden / dise werden durch die Menschen / so zu der himmlischen Glori gelangen / ersetzt und erfüllet.

In sensu morali, das ist / in sittlichem Verstand /können erstlich durch die Engel verstanden / und irrdische Engel genennet werden alle recht tugendsame und vollkommene Menschen / welche annoch in dem sterblichen Leib ein unschuldig und reines / ein gleichsam Englisches Leben führen / und gleichwie die Engel in dem Himmel / also sie auf Erden / stets vor Liebe gegen GOTT und dem Nächsten brennend /die Ehr GOttes / und das Heyl der Menschen zu befördern gantz begierig und beflissen seynd: welche nur dem Leib nach auf der Welt wohnen / mit der Begierd und Gedancken aber / als wie die Engel sich immerdar bey GOtt und in dem Himmlischen Vatterland aufhalten: welche von den fleischlich- und irrdischen Wollüsten sich gäntzlich enthaltend / nur in den geist-und Göttlichen Dingen sich erfreuen und belustigen.19

Es haben die HH. Engel absonderlich dreyerley fürtreffliche Qualitæt- und Eigenschafften: nehmlich ein sehr hohen Verstand / ein unbeschreibliche Schönheit / und Stärcke.20 In dem Verstand seynd sie also hocherleucht / daß die Weißheit aller Gelehrten der gantzen Welt ein lautere Einfalt und Unwissenheit dargegen ist. Die Schönheit der Englen belangend / so hat einstens GOtt selber der Heil. Theresiæ geoffenbahret / daß wann ein Mensch auch nur den mindesten Engel mit leiblichen Augen anschauen könnte /so wurde ihm vor lauter Anmuthig- und Süßigkeit alsobald das Hertz in vil tausend Stück zerspringen. Was aber ihre Stärcke betrifft / so thun sie die Himmel und Sternen bewegen / und werden in Heil. Schrifft einem mächtigen Kriegs-Heer verglichen. Ja es hat ein eintziger aus Befehl GOttes in einer Nacht hundert und fünff und achtzig tausend Mann in dem Kriegs-Heer der Assyrier erschlagen. 4. Reg. c. 19.

Fast eben also ist die Seel eines vollkommenen Menschen (wann er schon ungelehrt und einfältig zu seyn scheinet) in himmlisch und Göttlichen Dingen also verständig und hocherleucht / daß die eitle Wissenschafften ein lautere Thorheit dargegen seynd.21 Ein recht tugendsame Seel ist also schön und zierlich / daß der Himmlische Bräutigam selber sich darein verliebt / und das gröste Wohlgefallen darab schöpffet. Sie ist auch in GOtt also gestärcket / daß wohl von ihr kan gesagt werden: Portæ inferi non prævalebunt adversus eam,22 die Porten der Höllen / das ist / der Gewalt des Teufels / solle nichts wider sie vermögen / und indem die Engel die Himmel bewegen / thun die vollkommene Menschen GOtt selbsten durch das Gebett bewegen. etc.

Zum anderten können in sensu politico durch die Engel verstanden werden / die Ministri und Favoriten, die Räth und Beamte eines Königs oder Fürsten /welche gleichsam Politische Engel seynd / dann gleichwie die HH. Engel stets und zu nächst bey GOtt seynd / bey ihme in grossen Gnaden / und Ehren stehen / auch seiner Geheimnussen / Seiner Güter und Glori theilhafftig werden / also befinden sich die Hoff-Herren und fürnehme Beamte gemeiniglich nahe bey ihrem König / oder Fürsten / und wann sie wohl bey ihme daran seynd / da vertraut er ihnen all sein Vorhaben und Anschläg / Er macht sie auch theilhafftig seiner Wollüst und Reichthumen.23 Aber gleichwie die HH. Engel sich wegen ihres grossen Glücks /und hohen Würde niemahl übernemmen oder hochmüthig[5] werden / sich niemahl wider GOtt auflassen /noch die armseelige Menschen verachten / sonder als ein Eben-Bild GOttes lieben und æstimiren / ihr Bestes und ihre Angelegenheiten bey GOtt beförderen /und beflissen seynd / sie bey dem Himmel in Gnaden zu erhalten / also sollen auch die Politische Engel /ich will sagen / die Ministri, Räth und Beamte eines Königs oder Fürsten / sich wegen ihres Glücks /Reichthum und Ansehen nicht übernemmen / und hochmüthig seyn / wider ihren Fürsten und Herrn sich nicht auflehnen / sie sollen die mindere und schwächere Bediente / die arme Unterthanen nicht verachten / nicht pressen und verfolgen / sonder als ihre Neben-Menschen lieben / sich ihnen freundlich und günstig erweisen: Sie sollen ihre Proceß und billiche Gravamina schleunig und getreulich untersuchen / und zu einer billich-mäßigen Endschafft bringen. Sie sollen sich wegen Administrirung der Gerechtigkeit nicht lassen bestechen / oder selbige biegen: von denen Unterthanen nicht als wie die irrdische Götter verehren /gleichsam anbetten / und auf den Händen tragen lassen / sonder vielmehr gedencken / was jener Engel zu dem Heil. Evangelisten Johannes / da er ihm erschienen ist / und diser ihn anbetten wollte / gesprochen hat / nemlichen: Cave ne feceris, conservus tuus sum.24 Sihe zu / daß du es nicht thust / dann ich bin dein Mit-Knecht / und auch ein Diener unsers allgemeinen Herrns.

Ferners die HH. Engel seynd zwar eyferig die Ehr und Glori GOttes zu beschützen und zu erweitern /aber sie fügen dardurch niemand den geringsten Schaden zu: Eben also sollen zwar die Fürstliche Beamte den Respect, und das Interesse ihres hoher. Principals beobachten / und beschützen / aber sie sollen die Gerechtsame / Jura, und Güter der anderen kleineren Herrschafften und Nachbaren dardurch nicht anfechten / und beschädigen.


Sie sollen auch beflissen seyn die obgemeldte drey Eigenschafften der Engel an sich zu nehmen / nehmlich die Weißheit / die Schönheit und Stärcke. Die Weißheit zwar / damit sie mit klugem und heylsamen Rath ihrem Fürsten und Herrn mögen an die Hand gehen: die Schönheit aber / nicht so viel des Leibs /der prächtigen Kleyder / kostbaren Livreen / Mobilien und Servis / als vielmehr des Gemüths / durch Christlich- und Adeliche Tugenden / auf daß sie dem gemeinen Mann mit gutem Exempel vorgehen: Dies Stärcke endlichen in unverzagter Beschützung der Wahrheit und Gerechtigkeit / von welcher sie keines Weegs durch menschlichen Respect, oder eigenes Interesse sich sollen lassen abwendig machen. Mit einem Wort diese Politische Engel / die Hoff-Leuth und Ministri, sollen die zeitliche Jura und Güter also administriren / daß sie das Recht zu dem Himmel und zu den ewigen Gütern nicht verliehren. Sie sollen ihrem König oder Fürsten also dienen / daß sie nach dem zeitlichen Leben von einem irrdischen in den Himmlischen Hof / in den Dienst und in die Freundschafft des Königs aller Königen aufgenommen werden / alldorten mit den HH. Engeln GOTT zuloben / und zu benedeyen.[6]

Fußnoten

1 S. Greg. Nazian. in Apolog.


2 Jerem. c. 32. v. 19.


3 Ein Weltweiser kan je länger je weniger fassen was GOtt seye.


4 Job. c. 36. v. 26.


5 Der H. Augustinus muß abstehen von Erforschung der H. Dreyfaltigkeit.


6 Prov. c. 25. v. 27.


7 Aristoteles kan causam primam, den Urheber der Natur nicht begreiffen.


8 Unermessenes Lob Mariä in kurtzem Begriff.


9 Luc. c. 1. v. 18.


10 Lib. I. c. 4.


11 Fabel von der guldenen Büchs Pandoræ.


12 Aplicatio auf die Mutter GOttes.


13 Luc. c. 1. v. 18.


14 Psal. 44. v. 10.


15 Hom. 34. in Evan.


16 Apoc. c. 5. v. 11.


17 Die 9. Chör der Englen.


18 Matth. c. 18. v. 10.


19 Vollkommene Menschen seynd irrdische Engel.


20 Die Weißheit / Schönheit und Stärcke der Englen.


21 Wird appliciert auf vollkommene Seelen.


22 Matth. c. 16. v. 18.


23 Fürstliche Beamte und Hoff-Herren seynd Politische Engel. Wie sie sich verhalten sollen gegen die Unterthanen und Nachbarn.


24 Apoc. c. 19. v. 10.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738.
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