Der 3. Absatz.

Von den [21] Comet-Sternen.

Der Comet-Stern / Stella , comata ist ein schreckbares Himmels-Zeichen / oder vielmehr ein feuriges Lufft-Gesicht / welches gemeiniglich die Anschauende in Verwunderung und Schrecken setzet.22 Viel /aber unterschidlich haben von dem Comet-Stern geschrieben; dann seine Natur und Eigenschafften seynd schwerlich recht zu ergründen. Dieses ist gewiß / daß der Comet seye ein truckner und hitziger / auch klebiger feister Dampff oder Dunst / welcher in die Höhe aufsteiget /[21] in dem Lufft entzündet wird / und als wie ein Stern scheinet. Dann wann ein schwefelächtige Hartz und Pech in sich habende Erden einen starcken Dampff in grosser Menge von sich gibet / da wird derselbige / weilen er trucken und hitzig / und folgends leicht ist / durch die Sonnen an sich gezogen /und biß in die dritte Region des Luffts / oder in die oberste Abtheilung erhöhet / allwo er leichtlich von den Sonnen-Strahlen oder von dem Element deß Feurs / welches ihm nahe ist / oder von einem aufwerts schlagenden Donner-Strahl entzündet wird / und wahrhafftig zu brennen anfangt: auch durch die Ansichziehung mehrer dergleichen brennenden Materi erhalten wird.

Was die Figur oder Gestalt der Cometen anbelangt / so ist selbe vielfältig und unterschiedlich / die eine scheinen Haarächtig zu seyn / oder gleichsam gebartet: andere kommen uns vor als wie ein feurige Kugel / ein Schwerdt / oder Pfeil etc. nachdeme nehmlich die angezündte Materi beschaffen / dicker oder dinner /rund oder langlächt ist. Deßgleichen seynd sie auch grösser oder kleiner / und dauren länger oder kürtzer /nachdem sie mehr oder weniger von einer brennenden Materi haben. Die kürtzeste dauren siben Täg lang /die längste bey einem halben Jahr / gemeiniglich aber 1. 2. biß 3. Monath lang / zu Zeiten seynd mehr Cometen auf einmahl an unterschiedlichen Orthen gesehen worden.

Die Farb der Cometen betreffend / so ist selbige gleichfalls unterschiedlich: nehmlichen die eine seynd weißlecht oder Silber-Farb / andere roth oder Blut-Farb / und wiederum andere schwartz und finster. Dann wann der aufsteigende Dampff dinn / und völlig entzündet ist / so ist der Comet-Stern weißlecht /gleichwie es ein weißlechtes Feuer gibt / wann man einen Flachs oder Hanff anzündet: wann er aber dick /und nicht gäntzlich entzündet / doch feurig ist, da scheinet er roth / als wie ein glüende Kohlen. Wann endlichen die Materi fett / klebig und dick zugleich ist / da rauchet sie starck / also daß man das Feuer nicht wohl sehen kan / und deßwegen scheinet der Comet dunckel und schwartzlecht.23

Von unseren letzten Zeiten / oder dem letzt verwichenen Jahr-Hundert zu melden / so hat unter anderen Anno 1618. ein erschrecklicher Comet-Stern geschienen / welcher schier in der gantzen Welt gesehen worden / auf welchen gleich der Schwedische Krieg erfolget ist / der dreyßig Jahr lang gedauret / und unzahlbare Ubel nach sich gezogen hat.24 Anno 1652. hat ein Comet 7. gantze Nächt hindurch geleuchtet / der eines sehr schnellen Lauffs ware. Anno 1664. ist ein Comet gesehen worden mit einem sehr glantzenden Schweiff. Wiederum ein anderer grosser und grausamer Comet / mit einem sehr langen Schweiff / welcher Bley-Farb ware / und gedauret hat biß auf den Mertzen des folgenden Jahrs 1665. Anno 1668. hat einer geleuchtet ohne Kopff nur mit dem Schweiff. Hingegen Anno 1675. einer ohne Schweiff. Anno 1680. zu End des Monaths Novembers hat ein erschrecklicher Comet mit einem wunder langen Schweiff geleuchtet. In einem gewisen Bezirck in Franckreich hat er so hell geschienen / daß man bey seinem Liecht / bey sonst finsterer Nacht einen Flecken zwey Meil weit entlegen hat sehen können.

Die Bedeutung der Comet-Sternen betreffend / so ist es der gemeine Wahn / auch die vielfältige Erfahrnuß / daß sie nichts gutes / sonder gemeiniglich (doch nicht allzeit und ohnfehlbar) ein Unglück oder Land-Straff vorbedeuten / als etwann Krieg / Hunger oder Pest / Tod-Fäll grosser Fürsten und Herren / starcke Erdbeben / hefftige Ungewitter etc. wie Cicero bezeuget / Lib. 2. de nat. Deorum, und jener bekannte Vers:


Sub Cœlo nunquàm impunè fulsere Cometæ.


So offt man sieht ein Comet-Stern /

Ist Unglück und Schad nicht fern.


Dieses aber kommt her theils aus ihrer natürlichen Eigenschafft und Beschaffenheit[22] / theils aus absonderlicher Verordnung GOttes / der auf solche Weiß uns die bevorstehende Unglücks-Fäll andeuten will.

Eben darum kan in sittlichem Verstand durch den Comet-Stern die strenge Gerechtigkeit GOttes verstanden werden: nicht zwar die würcklich straffende /sonder die betrohende Gerechtigkeit / inmassen auch der Comet würcklich nicht schaden oder straffen /sonder die Straff oder den Schaden bedrohen und ankünden thut.25 Dann wann die schädliche und schandliche Dämpff unserer Sünd und Laster von der schlimmen Erden unseres Hertzens aufsteigen / da wird das Göttliche Zorn-Feur entzündet / und gibt sich durch schreckbare Zeichen und Betrohungen / als eben soviel Comet-Sternen zu erkennen. Dergleichen Cometen oder Göttliche Betrohungen seynd viel unterschiedliche Text der Heil. Schrifft / als benandtlich: Nisi pœnitentiam habueritis, omnes simul peribitis.26 Wann ihr nicht Buß thut werdet ihr alle sammentlich verderben. Omnis arbor, quæ non facit fructum bonum excidetur, & in ignem mittetur.27 Ein jeglicher Baum der nicht gute Früchten bringt / wird abgehauen und ins Feur geworffen werden. Und wiederum: Ducunt in bonis dies suas, & in puncto ad inferna descendunt.28 Sie (die Gottlose) haben gute Täg / und in einem Augenblick fahren sie zum Grab (ich sage zur Höllen) hinunter etc.

Aber gleichwie die Comet-Sternen aufhören zu brennen / und verschwinden / wann die Materi / aus welcher sie bestehen / verzehret ist / also wann unsere Sünden nachlassen / oder durch die Reu und Buß verzehret seynd / da hören auch die Göttliche Betrohungen auf. Ja eben auch darum laßt der grundgütige GOtt solche Zeichen erscheinen / damit wir dardurch gewarnet werden auf unserer Hut zu stehen / und noch in Zeiten durch die Buß und Besserung der Straff zu entgehen. Ut fugiant à facie arcûs29 / gleichwie /wann ein Schütz / eh daß er ein Kugel oder Pfeil abschiesset / ein Zeichen gibt / genugsam andeutet / daß er niemand zu treffen und zu beschädigen verlange /sonder vielmehr daß man sich vor dem Schuß hüten solle.

Ferners in sensu politico, können drohende Comet-Sternen genennet werden / alle unmilde strenge Obrigkeiten / alle unbarmhertzige Richter und Regenten: dann sobald ein solcher an dem Horizont seines Gebiets / oder seiner Herrschafft erscheinet / da erschrecken die Untergebene oder Unterthanen / es geht ihnen nichts gutes vor: es sagt einer zu dem andern Forcht und Kummer voll / O was wird es werden? wie wird es uns ergehen? wann dieser Rauh-Hobel / dieser Leuth-Schinder über uns den Gewalt bekommt? wann dieser Tyrann / dieser Blut-Egel über uns Meister ist? absonderlich wann ein unbescheidener Richter oder Obrigkeit von einem geringen und schlechten Herkommen ist: wann er wie ein stinckender Dampff von der Erden / von der Tieffe aufgangen ist / und in die Höhe zu einem Ehren-Amt / zu einem oberherrlichen Gewalt ist erhebt / mit einem Wort; wann er aus einem Bettler zu einem Herrn worden ist.30 O da fangt dieser Comet-Stern an zu brennen von dem Feuer des Hochmuths / deß Zornmuths / deß Ehr- und Geld-Geitzes etc. So lang ein solcher Comet am Himmel ist / da sihet und höret man nichts anders als schwere Bedrohungen / bald mit harten Geld- oder Leibes Straffen / bald mit schwerer Arbeit und andern Plagen etc. Aber violenta non durant, sagt das Lateinische Sprüch-Wort / was gewalthätig ist / das ist nicht daurhafft / solche schreckbare Cometen scheinen gemeiniglich nit lang. Wann ein indiscreter unmilder Oberer / Richter oder Regent durch einen höheren Gewalt abgesetzt wird / oder durch den Tod von dem zeitlichen Leben abgeforderet / da verschwindet der drohende Comet-Stern / die Forcht vergehet / die Unterthanen werden wiederum getröst und erfreuet.

Es solle nehmlich das Regiment durch Forcht und Liebe zugleich geführet werden / Forcht und Liebe sollen[23] stets einander die Hand biethen.31 Es pflegt auch der Himmel nicht allzeit mit Blitz und Donner zu drohen / noch das Meer stets ohne Wind und Wellen zu seyn: Ein kluger Regent solle eines mit dem anderen mäßigen und vermischen / er solle also geforchten werden / daß er zugleich geliebt / und also geliebt / daß er zugleich geforchten werde. Wer einem gemeinen Weesen vorstehet / muß die Strengheit also brauchen / daß er die Milde nicht vergesse / und hingegen etc. Er soll kein grausamer Nero, und auch kein allzugütiger Nerva seyn: Der Reichs-Wagen wird umgestürtzt / wann der Pbaëton ihn nur durch die Lieb und Güte alleinig leitet / und nicht auch des Zaums der Schärffe sich bedienet; dann jene allein / wann sie zu groß ist / eröffnet denen Lasteren die Thür und Thor: diese hingegen bahnet den Unterthanen den Weeg zur Auffruhr und Verzweifflung. Absonderlich soll man der Natur deß Comet-Sterns in diesem nachfolgen / daß man zuvor trohe ehe daß die Straff würcklich ergehet. Gleichwie die andere Sternen des Himmels Augen seynd / also ist der Comet-Stern sein Zungen: Er schröcket / damit er vom Bösen abschröcke / und spricht uns durch diese Zungen zu / daß wir behutsam seyen etc. Eben also mag ein Fürst wohl die Waffen der strengen Gerechtigkeit schärpffen und ergreiffen / aber er soll nicht allzeit gleich darein schlagen / sonder zur Besserung einen Aufschub vergonnen / und eine Weil lang mit Gedult zuwarthen / wie der weise Salomon selber mahnet da er sagt: Noli esse justus multùm.32 Sey nicht zu viel gerecht. Allen und niemand verschonen ist eines so unrecht und schädlich als das andere. Durch die allzugrosse Gütigkeit hat der König Saul das Reich verlohren / durch die grosse Strengheit ist der Kayser Nero um das Leben und um die Ehr kommen.33 Besser hingegen hat der König in Aragonien / Alphonsus mit Nahmen / das Mittel getroffen / er pflegte durch die Gerechtigkeit die Gute ihm zu verbinden / und durch die Milde das Gemüth der Bösen zu gewinnen. Dises alles stellet uns des Durchleuchtigsten Hauß Oesterreichs roth und weisser Stamm- und Wappen-Schild klar vor Augen / als welcher die Röthe der Gerechtigkeit / mit der Weisse der Milde mäßiget / und also gleichsam das Blut mit Milch vermischet / wohl wissend / daß /wo man das Ubel mit Bedrohung der Straff abwenden / oder den Fehler verbessern kan / man zur würcklichen Straff nicht schreiten soll: und dahin zihlet ab jenes Sinn-Bild / welches ein Sonnen-Uhr mit einem eisenen Zeiger vorstellet / samt der Beyschrifft:


Umbratiles ictus.


Sie drohet zwar mit Streichen vil /

Doch niemand sie schaden will.
[24]

Fußnoten

1 Annehmlichkeit der Morgenröth.


2 Maria ist ein geistliche Morgenröth.

Cant. c. 6. v. 9.


3 Job. c. 24. v. 17.


4 Morgenröthe mit dem zeitlichen Glück verglichen.


5 Joan. c. 16. v. 21.

Geburth eines jungen Printzen gleichet einer Morgenröth.


6 Esther c. 8. v. 16.


7 Vielfältige Veränderung zeitlicher Dingen.


8 Eccl. c. 1. v. 2.


9 Job. c. 14. v. 1.


10 Wie der Regenbogen formirt werde.


11 Gen. c. 9. v. 13.


12 Christus der gecreutzigte ist ein geistlicher Regenbogen.


13 Eccl. c. 43. v. 12.


14 Joan. c. 1. v. 14.


15 Prov. c. 30. v. 8.


16 Isa. c. 66. v. 1.


17 Gen. c. 9. v. 15.


18 Das Heil. Creutz wird mit dem Regenbogen verglichen.


19 Künstliche und glückliche Bogen-Schützen.


20 Ein geistliches Bogen-Schiessen welches sehr nutzlich ist.


21 Ferdinandus II. ein fürtrefflicher geistlicher Bogen-Schütz.


22 Comet-Stern was er seye und worher er komme.


23 Albert. M.L.I. Meteor. tr. 3. c. 5.


24 Unterschiedliche Comet-Sternen / die gesehen worden.


25 Göttliche Betrohungen gleichen in sittlichem Verstand den Comet-Sternen.


26 Luc. c. 13. v. 3.


27 Matth. c. 3. v. 10.


28 Job. c. 21. v. 13.


29 Psal. 59. v. 6.


30 Ungütige strenge Richter und Obrigkeiten seynd gleich einem Commet-Stern.


31 Politisches Regimment wie es solle beschaffen seyn / nehmlich aus Forcht und Lieb zugleich.


32 Eccl. c. 7. v. 17.


33 Strengheit und Gütigkeit sollen miteinander vergesellschafftet seyn.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738.
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