Der 2. Absatz.

Von dem Smaragd.

[115] Der Smaragd ist ein Edelgestein einer so fürtrefflichen grünen Farb / daß er darmit die schönste grüne Auen oder Wiesen übertrifft / und auch von dem hellen Sonnenschein an seinem Glantz nicht verhinderet oder verduncklet wird.15 Sein Aufrichtigkeit / oder daß er unverfälscht seye / kan aus seiner Kälte / wann er an den Mund gehalten / und aus der Schwere / wann er gewogen wird / erkennt werden.

Von diesem Stein wird geschriben / daß er grosse Krafft wider alles Gifft habe / daß er die Gedächtnuß erhalte / oder widerum herstelle / die hefftige Gemüths-Neigungen stille / die Forcht und Schröcken vertreibe / Lust zum Studiren mache / und auch die Augen erhalte.

Ferners soll er ein Mittel seyn wider den Schwindel und wider die hinfallende Kranckheit / wann man ihn an dem Hals / oder an dem Finger tragt. Dioscorus sagt / der Smaragd thue die Reichthumen vermehren. Er solle auch dem Hochgewitter widerstehen / und von Natur der Unlauterkeit widerstreben / ja verspringe / wann der / so ihn tragt / der Geilheit sich ergibt.

Es seynd aber des Smaragds viel unterschiedliche Gattungen / deren Plinius wohl 12erley erzehlet /nachdem sie nemlichen aus einem Ort oder Landschafft herkommen. In West-Indien werden sie absonderlich häuffig gefunden / und seynd vor Zeiten wegen der Menge von selbigen Innwohnern so gering geschätzt worden / daß einstens ein Indianischer Printz Simandoca mit Nahmen / der ein Herr über das Thal Tessuca ware / einem Spanischen Rechts-Gelehrten /dem Consalvo Ximenio, der dahin kommen / um eine Schüssel voll Saltz / welches da sehr rahr ist / gar gern eine tieffe und reiche Smaragden-Grub geschenckt und eingehändiget hat. Indischer Lust- und Staats-Garten fol. 1233. Hingegen in Ost-Indien ist der Smaragd viel rahrer und höher geschätzt. Damit aber dieser Stein allerdings vollkommen sey / wird erfordert / daß ihme nichts ermangle an Schönheit der Farb / an Sauberkeit / Muster und Dicke / alsdann wurde er in der Kostbarkeit den Diemant übertreffen: aber dieses alles findet man selten oder gar nie beysammen; massen die Smaragd gemeiniglich innerhalb eine gewisse Fettigkeit haben / wie ein grünes Kraut oder dergleichen.

Die Smaragd-Gruben bey der Stadt Muyta in Quito sollen / wie Herrera schreibet / die allerbeste in gantz Indien seyn. Sie wachsen alldort in den Steinen / wie der Crystall / und lassen sich anfänglich wie ein Marmorstein[115] an / der aber nach und nach halb weiß und halb grün zeitiget / biß er sein Vollkommenheit erreicht.

Petrus Ordonez von Cevallos gibt denen Schmaragden in Neu-Granada bey der Stadt Muso den besten Preiß / und sagt / daß von dannen die reiniste schönst- und helliste kommen: auch daß aus dieser Gegend allein mehr derselben gebracht werden / als aus den Insulen Zeyland und Sumatra etc. Es habe daselbst einen so grossen Smaragd-Felsen / der an Schmaragden fast unerschöpfflich seye / und der fünffte Theil derselben dem König in Spanien jährlich ein erstaunliche Summe Gelds eintrage. Ferners meldet besagter Ordonez von einem gar edlen und sehr grossen Schmaragd / welchen einstens ein West-Indischer Sclav an diesem Orth erstlich gefunden / und Philippo II. König in Spanien zugeschickt habe: welchen nachmahls der König in das Escurial verehret habe / allwo er neben anderen Kostbarkeiten aufbehalten werde.16 Es hätte der König gern dessen Preiß und Werth gewust / aber es hat ihne kein Jubilier würdig schätzen können / ausser daß man ihn für den besten hielte / so jemahl in der Welt gesehen worden. Darum auch der König dem Sclaven grosse Schanckungen gegeben / und ihne mit der Freyheit begabt hat. Theophrastus meldet von einem Schmaragd / den ein König in Babylonia dem König in Egypten præsentirt habe / welcher 4. Ehlen lang und 4. Ehlen breit gewesen seye. Unter die gröste Schmaragden so jemahl in Europa gesehen worden / mag wohl gezehlet werden derjenige / so in dem uralten und weit berühmten Benedictinischen Stifft und Gottshauß Reichenau / welches ein Insul unfern dem Boden-See ist /aufbehalten und gewisen wird / als welcher in dem Gewicht über 25. Pfund schwer ist / und von Carolo Magno dahin gebracht worden. Dem Kayser Friderico hat der Türckische Groß-Sultan einen Becher oder Trinck-Geschirr von Schmaragd zum Präsent geschickt / darein 20. Untzen Balsam gangen / wie Majolus und Krantzius bezeugen. Auch der Kayser Nero solle vor Zeiten einen so grossen Schmaragd gehabt haben / daß er denselben für einen Spiegel zu brauchen pflegte.

Der Schmaragd kan wegen seinen Eigenschafften geistlicher weiß auf die Hoffnung ausgedeutet werden.17 Dann erstlich die schöne grüne Farb bedeutet insgemein diese Tugend / und als wie der Schmaragd das Gifft zu hintertreiben / Forcht und Schrecken zu verjagen / und die hefftige Bewegnussen des Gemüths zu stillen vermag / also vermag ein steiffe und wohl gegründete Hoffnung das höchst schädliche Gifft der Verzweiflung zu hintertreiben / unmäßige Forcht und Schrecken zu verjagen / und die Verwirrungen des angsthafften Gemüths zu stillen. Der Schmaragd / wie gemeldet worden / thut das Gesicht und die Gedächtnuß stärcken / die Reichthumen vermehren / und vor der hinfallenden Kranckheit den Menschen bewahren. Aber die Hoffnung stärcket das Hertz und die Vernunfft / indem sie derselben die unendliche Güte und Barmhertzigkeit GOttes vorstellet / und folgends in keinen schädlichen Kleinmuth und Zaghafftigkeit fallen laßt. Sie macht auch reich / dieweilen der Mensch das Guth / so er vernünfftiger Weiß hoffet / einiger massen schon würcklich besitzet / und in dieser Besitzung sich erfreuet. Die Hoffnung ist gleich einem Fischer-Netz / je weiter sich dieses in dem Wasser ausbreitet / je mehr Fisch ziehet man damit ein / also auch je weiter sich die Hoffnung in dem unendlich grossen Meer der Gütigkeit GOttes erstrecket / und ausbreitet / je mehr Gaben und Gnaden erhaltet sie. Dessen versicheret uns David sprechend: Sperantem in Domino misericordia circumdabit.18 Wer auf GOtt hoffet / den wird die Barmhertzigkeit umfangen / oder von allen Seiten umgeben. Ja GOTT selber durch den Mund Isaiä: Qui fiduciam habet mei, hæreditabit terram, & possidebit montem sanctum meum.19 Welcher auf mich hoffet / der wird das [116] Land ererben / und meinen heiligen Berg besitzen. Der sich erfreuet oder tröstet mit der Hoffnung / wird auch die Sach selbsten erlangen: der aber die Hoffnung nicht hat / kan zur Sach selber nicht gelangen / sagt der Heil. Augustinus. Ob oder was für eine Krafft der Schmaragd wider das Ungewitter habe /das lasse ich der Erfahrnuß über / und dahin gestellt seyn: aber gewiß ist es / daß der sittliche Schmaragd einer steiffen Hoffnung unüberwindliche Krafft in dem Ungewitter der auch hefftigsten Trübsal- und Widerwärtigkeiten habe / wie es sich unter vielen anderen klärlich gewisen hat bey dem gedultigen Job /welcher in so häuffigen und schweren Trübsaalen /deren eine der andern auf dem Fuß nachgefolget / den Schmaragd der Hoffnung auf GOTT niemahl aus der Hand / oder vielmehr nie aus dem Hertzen gelassen hat / sonder vielmehr sich vest resolvirt hat: Etiamsi me occiderit, tamen in ipso sperabo: ipse erit Salvator meus.20 Wann er mich auch wird tödten / so will ich gleichwohl auf ihn hoffen / und er wird mein Seeligmacher seyn. Und also ist er durch die Krafft dieses Schmaragds unverletzt und unbeschädiget verblieben. Gleichwie ein Schiff auf dem wütenden Meer / auch mitten unter sausenden und brausenden Wind und Wellen unbeschädiget bleibet / so lang es sich vest an dem Ancker anhenget / und von selbem nicht ablaßt: Also der Mensch auf dem gefährlichen und ungestümmen Meer dieser Welt / und des zeitlichen Lebens / wann er sich bey anhaltenden Wind und Wellen der Trübsal- und Verfolgungen fest anhaltet an dem Ancker eines starcken Vertrauens auf GOtt / so bleibt er sicher von dem Untergang. Dann gewiß und ohnfehlbar ist:


Wer fest auf GOtt allein vertraut /

Die eitle G'schöpff verachtet /

Der hat gantz wohl und sicher baut /

Für ihn der Himmel wachet.


Den offt benannten Schmaragd der Hoffnung trucken uns mehrmahlen in die Händ / oder vielmehr in das Hertz die H. Schrifft und HH. Vätter: Habe fiduciam in Domino ex toto corde tuo.21 Verlaß dich von Hertzen auf den HErrn. Benedictus vir, qui confidit in Domino, & erit Dominus fiducia ejus.22 Geseegnet ist der Mann / der sein Vertrauen auf den HErrn setzet / und dessen Hoffnung der HErr ist. Der Heil. Apostel Paulus / indem er seine Römer sorgsam unterweiset / wie sie sich verhalten sollen / was sie zu thun und zu lassen haben / bindet er ihnen auch ein / spe gaudentes, sie sollen sich in der Hoffnung erfreuen / auf die Hoffnung steiffen /mit der Hoffnung trösten.

Der Schmaragd ist auch in dem allten Testament hoch æstimirt worden; inmassen er auf austrucklichen Befehl GOttes unter anderen Edelgesteinen auf das guldene Brust-Blat des hohen Priesters hat müssen eingesetzt werden.23

In dem neuen Testament aber hat den sittlichen Schmaragd der Hoffnung und des Vertrauens unter vielen anderen absonderlich der H. Bischoff Martinus auf / oder in seinem Hertzen beständig getragen / und sich damit wider alle Gefahren des Leibs und der Seelen bewahret; inmassen er in dem Leben und in dem Sterben jederzeit ein ungemeines Vertrauen auf GOtt getragen hat / dann als er Christo hinfüran allein zu dienen / das Kriegs-Weesen zu verlassen gedachte /und dieses von seinen Mitgesellen ihm für eine Zaghafftigkeit ausgerechnet wurde / da hat er sich angetragen / er wolle das feindliche Heer ohne Waffen / allein mit dem Creutz bewaffnet sicher durchdringen. Als er aber schon Bischoff ware / und einstens auf der Reiß durch das Gebürg von denen Mörderen überfallen und angegriffen wurde / auch einer aus ihnen schon würcklich einen tödtlichen Streich auf ihn führte / und ihm den Kopff zerspalten wollte / aber davon verhinderet wurde / da hat man ihn hernach gefragt /wie es ihme um das Hertz gewesen seye / ob er ihm nicht geforchten hab? da sagte er: nichts wenigers / er seye nie sicherer gewesen / wohl wissend daß GOtt mit seinem Beystand[117] nie näher und bereiter seye / als wann die Gefahr am grösten ist. Endlich als er in dem Tod-Bett lage / und ihme der höllische Feind erschienen ist / da hat er ihne gantz hertzhafft angefahren /und gesprochen: Was hast du da zu schaffen / du blutdurstige Bestie / du hast bey mir nichts zu suchen / du wirst an mir keinen Theil haben. Aber zu mercken ist / daß die Hoffnung nothwendig mit unserer Mitwürckung oder Ubung der guten Wercken müsse begleitet werden und vergesellschafftet seyn; dann sonsten wäre es vielmehr ein Vermessenheit als wahres Vertrauen zu nennen. Der macht ihm vergebens ein Hoffnung / sagt der Heil. Gregorius, der nicht aufhört GOTT mit seinen Missethaten zu beleydigen.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 115-118.
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